Mach dein Glück! Geh nach Berlin!. Horst Bosetzky

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Mach dein Glück! Geh nach Berlin! - Horst Bosetzky

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hier in Prenzlau Ihren Schulabschluss gemacht?“

      Karl Gottlieb Richter musste einen Augenblick nachdenken. „Im vorigen Jahrhundert noch. 1777 bin ich auf die Welt gekommen – das kann ich mir wegen der drei Sieben noch merken, aber das andere … 1794 muss es gewesen sein. Anschließend habe ich in Halle studiert – Rechtswissenschaften und Theologie. Dann kamen der Gerichts-Referendar und der Gerichts-Assessor – und sie haben mich zur königlichen Kriegs- und Domänenkammer nach Posen geschickt.“

      „Es folgten Potsdam, Halberstadt, Breslau und jetzt Minden“, fuhr August Schering fort.

      Karl Gottlieb Richter lachte. „Sie sind ja bestens informiert, junger Mann!“

      August Schering senkte die Stimme. „Ich habe gestern den Rat belauscht, da ist das alles erörtert worden.“

      Der Regierungspräsident tat erschrocken. „Mein Gott – Prenzlau will mich wohl zum Ehrenbürger machen!“

      „Wenn es einer verdient hat, dann Sie, und den Roten Adlerorden II. Klasse mit Eichenlaub, den haben Sie ja schon.“

      Wie wunderbar musste es sein, ging es Ernst Schering durch den Kopf, von allen so verehrt zu werden und sich wie ein Halbgott fühlen zu dürfen! Die Menschen zogen Hut oder Zylinder, wenn sie an einem vorbeiflanierten, in den Läden machten sie eine Verbeugung, trat man ein, man saß im Theater mit anderen Honoratioren zusammen in der Loge des Königs und durfte hochdekoriert ins Ausland reisen, um Preußens Interessen zu vertreten. Und das Schönste war, dass man solch ein Leben haben konnte, obwohl man nur aus Prenzlau kam. Im Konfirmationsunterricht wie auch bei Ludwig Kuhz hatte er das Vaterunser auswendig lernen müssen: Dein Wille geschehe! Ob es Gottes Wille war, ihn auch so etwas werden zu lassen, wie es Karl Gottlieb Richter geworden war? Oder hatte der HERR seinen ach so tüchtigen Bruder August im Auge und nicht ihn?

      Ein Zuruf seiner Mutter riss ihn aus seinen Gedanken: „Ernst, beim Apotheker Holz ist die Köchin erkrankt, du möchtest ihm sein Mittagessen nach Hause bringen!“

      „Ja, sofort, ich muss nur noch schnell aufessen!“

      Beim Nachwürzen bemerkte er, dass sich wieder einmal schwarze Krümel im Salz befanden. Was immer das war, es ärgerte ihn. Ebenso beim Zucker. Sie schafften es nicht, ihn so herzustellen, dass keine braunen Körner dazwischen waren. Seine Mutter hatte schon geklagt, er habe einen „Reinlichkeitsfimmel“, doch das störte ihn nicht.

      Noch mit dem letzten Bissen im Mund trabte er los. In der Tür der Holtz´schen Apotheke wartete schon der Gehilfe Friedrich Krumbeck, der sich von seinem Unfall weithin erholt hatte und alsbald zu einer stadtbekannten Persönlichkeit geworden war. Ernst Schering übergab dem „Alchemisten-Fritz“ das mit einem karierten Tuch abgedeckte Tablett und machte sich schnell wieder auf den Heimweg. Als er am Dominikanerkloster vorbeikam, lief er seinem Freund Gottfried Nickholz in die Arme, der gerade angeln gehen wollte.

      „Kommste mit an´n See runter?“

      „Ja.“

      Ernst Schering hatte die wenigen Schularbeiten schnell gemacht, und bis die Leute zum Abendschoppen kamen und er wieder beim Bedienen helfen musste, hatte er noch ein wenig Zeit. Sie liefen zum langgestreckten Unteruckersee hinunter, und nahe der Stelle, an dem das Flüsschen mit dem Namen Ucker den See wieder verließ, warf Gottfried Nickholz seine Angelrute aus. Den Blick auf die rotweiße Pose gerichtet, unterhielten sie sich leise.

      „Oben in Vorpommern heißt die Ucker Uecker“, sagte Ernst Schering. „Weißt du das?“

      „Nein, interessiert mich auch nicht.“

      „Aber Kuhz könnte mal danach fragen.“

      „Dieses Arschloch!“ rief Gottfried Nickholz.

      In dieser Einschätzung ihres Lehrers waren sie sich beide einig. Auch darin, dass man ihm mal eins auswischen müsste. Die Idee dazu hatte dann Ernst Schering.

      „Haste gesehen, was der für ´ne Angst vorm Gewitter hat.“

      Der Freund nickte. „Ja, klar. Meinste, ich bin blind!?“

      „Na, wenn er solche Angst vorm Gewitter hat, dann müssen wir eben dafür sorgen, dass es bei ihm vorm Fenster ein mächtiges Gewitter gibt!“ rief Ernst Schering.

      „Pssst!“ zischte Gottfried Nickholz. „Die Fische beißen nicht, wenn de so schreist!“ Dann tippte er sich gegen die Stirn. „Wie willste denn dafür sorgen, dass es ein Gewitter gibt: Vielleicht in die Kirche gehen und beten?“

      „Nein“, beharrte Ernst Schering. „Aber wir können doch einen Böller basteln und den bei ihm vorm Fenster losgehen lassen, das ist doch auch wie Blitz und Donner.“

      „Gute Idee!“ Gottfried Nickholz war begeistert. „Und das Pulver dafür, das besorge ich mir von Alchemisten-Fritze, den kenn´ ich ganz gut. Wenn ich dem ein paar Fische für sein Abendbrot schenke, dann tut der uns den Gefallen.“

      Als Gottfried Nickholz nach einer Stunde ein paar Barben und Elritzen im mitgebrachten Eimer hatte, machten sie sich auf den Weg zur Holtz´schen Apotheke, wo der Alchemisten-Fritze gerade damit beschäftigt war, einem kleinen Jungen das Laufen beizubringen. Sie trugen ihm ihr Anliegen vor.

      Friedrich Krumbeck grinste. „Wenn ihr inzwischen auf den Jungen aufpasst, auf den Julius, besorge ich euch, das was ihr braucht, damit es richtig knallt und blitzt.“

      Nach ein paar Minuten kam er mit einem Tütchen Schwarzpulver und einer Handvoll roter Tonerde zurück. „Das mischt ihr, steckt es in eine Pappröhre, presst es zusammen, nehmt einen eingefetteten Bindfaden als Lunte und haltet ein Streichholz dran.“

      Sie bedankten sich, schlichen sich in den Schuppen der Schering´schen Gastwirtschaft und machten sich ans Basteln. Schwer war das Herstellen eines mächtigen Böllers für zwei geschickte Jungen wie sie nun wahrlich nicht, und sie waren schon fertig, bevor die Sonne nach Templin zu hinter den Kiefern versank.

      „Wir müssen warten, bis es halbwegs dunkel geworden ist“, sagte Ernst Schering. „Sonst ist der Effekt nicht eben groß.“

      „Nun gut.“

      Sie verabredeten sich für 10 Uhr abends, und als die Kirchturmuhren von St. Jacobi und St. Marien fast zeitgleich schlugen, kletterten sie aus den Fenstern ihrer Schlafzimmer und schlichen sich zur Grabowstraße, wo Ludwig Kuhz, ein Hagestolz, also bekennender Junggeselle, allein mit seiner Haushälterin in einem einstöckigen Häuschen wohnte. Wo sein Zimmer lag, das wussten sie, weil er sich gern von seinen Schülern, hatte man eine Klausur geschrieben, die prall gefüllte Tasche nach Hause tragen ließ.

      Unter dem Zimmer des Lehrers angekommen, machten sie sich ans Werk. Gottfried Nickholz hielt den Böller in der Hand, Ernst Schering riss ein Streichholz an und hielt die Flamme an die Lunte. Sie fing sogleich Feuer und begann abzubrennen. Mit ein paar schnellen und absolut lautlosen Schritten war er am Fensterbrett und legte den Böller auf das Zinkblech. Dann lief er zurück.

      „Drei … zwei … eins“, zählte Ernst Schering.

      Gleich würde es blitzen und donnern und Kuhz mit einem Aufschrei hochfahren und sich gar nicht mehr einkriegen.

      Doch nichts geschah.

      Gottfried Nickholz wartete einen Augenblick, dann

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