Mach dein Glück! Geh nach Berlin!. Horst Bosetzky

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Mach dein Glück! Geh nach Berlin! - Horst Bosetzky

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um zu sehen, ob sich welche von meinen älteren Schülern dort herumtreiben und um sie, erwische ich sie, auf den Pfad der Tugend zurückzuführen.“

      „Brav, sehr brav, mein Lieber. Und dann noch etwas: Fangen Sie nicht an, ein Dichter werden zu wollen, das lenkt nur von Ihrer Arbeit in der Armenschule ab. Und außerdem: Mit dem aus Werneuchen haben wir schon einen verspotteten Dichter mit Namen Schmidt in Preußen – ein zweiter tut nicht Not.“ Und er erinnerte darin, wie Goethe über den armen Friedrich Wilhelm August Schmidt, genannt Schmidt von Werneuchen, parodistisch hergezogen war. „Liebes Mädchen, laß uns waten / Waten noch durch diesen Quark.“

      Diesmal wagte Ferdinand Schmidt sich zu verteidigen. „Ich dichte nicht, Herr von Seld, ich arbeite an einer Preußischen Vaterlandskunde für Schule und Haus.“

      „Na, dann ist es ja gut.“

      Nach Seld nun der Herr Stadtschulrath. Otto Schulz erinnerte ihn an den „beschränkten Unterthanenverstand“ seiner Schüler und warnte ihn davor, sie mit seinem wirklich oder auch nur eingebildeten Wissen unnötig voll zu schütten und zu überfordern.

      Da Schulz über keine große Machtfülle verfügte, konnte es Ferdinand Schmidt in diesem Falle bei der Floskel belassen, sich „alle Mühe geben zu wollen, dass in seinem Klassenzimmer von ihm fürderhin eine leichtere Kost verabreicht werde.“

      Wie auch immer, als am 2. Oktober die dritte „Communal-Armenschule“ in der Großen Frankfurter Straße eröffnet wurde, gehörte Ferdinand Schmidt zu den geladenen Gästen.

      Waldeinsamkeit

       1839

      Ernst Schering war mit seinen fünfzehn Jahren alt genug, an den Abenden und am Sonntag in der Gastwirtschaft seines Vaters auszuhelfen. Meist hatte er in der Küche seiner Mutter zur Hand zu gehen, Kartoffeln zu schälen und den Abwasch zu besorgen, manchmal aber durfte er auch vorn in der Gaststube die Suppe oder den Nachtisch servieren und die Teller und Gläser abräumen. Eigentlich war er zumeist in sich gekehrt und vermied jedes überflüssige Gespräch, darin ganz ein Sohn der Mark, doch hin und wieder kam es, dass ihn die Leute ansprachen – und dann wusste er durchaus charmant zu plaudern. Der Oberförster Christian Krafft aus Poratz, der öfter einmal nach Prenzlau kam, um der Küche Wildbret zuzuliefern, hatte geradezu einen Narren an ihm gefressen, wohl weil er es zu fünf Töchtern, aber keinen einzigen Sohn gebracht hatte.

      „Na …?“, frozzelte er, als der junge Schering ihm einen neuen Humpen brachte. „Willst du´s eigentlich mal den großen Männern mit Vornamen Ernst nachmachen, die´s auf dieser Welt gegeben hat?“

      Ernst Schering starrte ein wenig verlegen auf den Bierfilz. „Leider kenne ich da keinen ...“

      Der Oberförster lachte. „Ich kenne auch nur den Grafen Ernst zu Holstein-Schaumburg und noch den heiligen Ernst, den Ernestus, der soll in Rom den Märtyrertod gestorben sein. Nun, es wird Zeit, dass es auch in Preußen einmal einen Ernst gibt, der ein bisschen was hermacht.“

      „Hier in Prenzlau …?“ Ungläubig sah der Junge den Forstbeamten an.

      Krafft lächelte. „Nein, da magst du recht haben, dass das ein Widerspruch in sich selbst ist, denn nie wird der ein bedeutsamer Mensch werden, der ein Leben lang in Prenzlaus Mauern gefangen bleibt.“

      Ernst Schering wagte ihm zu widersprechen. „Ich bin froh und glücklich, dass ich hier auf die Welt gekommen bin.“

      „Ja, als Nest mag es großartig sein, aber dann ...“

      Ernst Schering konterte mit Goethe, den sie gerade im Gymnasium abhandelten. „Warum denn in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah!“

      „Ja, und darum ist Marco Polo nach China aufgebrochen, hat Columbus Amerika entdeckt, haben die Spanier in Südamerika nach dem El Dorado gesucht und ist England mit Erfolg dabei, sich ganz Indien untertan zu machen.“

      Dafür eine Erklärung zu finden, überforderte den Jungen, und er murmelte nur, dass er nicht einmal Lust habe, nach Berlin zu reisen.

      „Aber zu mir ins Forsthaus kommst du doch mal?“

      „Wenn mein Vater mitkommt und uns eine Kutsche beschafft.“

      „Ich rede mal mit ihm.“

      Nun, Christian Schering hatte nichts gegen einen Ausflug nach Poratz, und so saßen sie vierzehn Tage später in einem Zweispänner und fuhren gen Süden. Es ging über Lindenhagen, Gerswalde und Temmen, und sie brauchten etwas über zwei Stunden, ehe sie ihr Ziel erreicht hatten. Das alte Forsthaus, ein massiver zweistöckiger Bau, weiß getüncht, lag am nördlichen Ortseingang.

      „Ein Forsthaus habe ich mir immer anders vorgestellt“, sagte Ernst Schering, nachdem der Oberförster sie begrüßt hatte und die ersten Worte gewechselt worden waren. „Eher so mit viel Fachwerk und Geweihen an den Mauern.“

      „Nun, mein Forsthaus ist nicht als solches erbaut worden, sondern als Stations- und Zollhaus zwischen Angermünde und Templin, erst später ist es das geworden, was es heute ist: der Mittelpunkt des Forstbetriebes hier zwischen dem Laagen- und Briesensee im Osten, dem Kleinen Päßnicksee im Südwesten, dem Düster- und dem Großen Krinertsee im Norden und dem Dorf Glambeck im Süden. So in etwa jedenfalls. Das ist mein Reich.“

      Krafft führte sie nun durch seine Haus und stellte ihnen seine überaus ansehnliche Frau und die vier Kinder vor. Ernst Schering war wie geblendet von allem, immer wieder schoss es ihm durch den Kopf: So möchte ich auch einmal leben! Und lange stand er vor den drei Gedichten, die – edel gerahmt und mit schön verzierten Buchstaben geschrieben – an der Wand des Flures hingen, und las sie mehrmals, jede Zeile genießend.

      DAS LIED VOM REIFEN

      Seht meine lieben Bäume an,

      Wie sie so herrlich stehn,

      Auf allen Zweigen angetan

      Mit Reifen wunderschön!

      Von unten an bis oben 'naus

      Auf allen Zweigelein

      Hängt's weiß und zierlich, zart und kraus,

      Und kann nicht schöner sein.

      Und alle Bäume rund umher,

      All alle weit und breit,

      Stehn da, geschmückt mit gleicher Ehr,

      In gleicher Herrlichkeit.

      Matthias Claudius

      WALDEINSAMKEIT

      O Täler weit, o Höhen,

      O schöner, grüner Wald,

      Du meiner Lust und Wehen

      Andächtger Aufenthalt!

      Da draußen, stets betrogen,

      Saust die geschäftge Welt,

      Schlag noch einmal den Bogen

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