Schwertmeister der Magie: Drei Fantasy Sagas auf 2500 Seiten. Alfred Bekker
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Gorian sprang auf, wirbelte herum. Der schwarze Rauch war verflogen, und seltsamerweise befand sich von den anderen niemand mehr im Höhlengemach. Er war allein. Von der Königstochter war nur ein großer dunkler Fleck eingetrockneten schwarzen Bluts geblieben, der ihre Körperform ungefähr nachzeichnete.
Er blickte zu dem geschlossenen Gebetsschrein, streckte die Hand aus und wollte den Rächer zu sich rufen. Aber das gelang ihm nicht. Irgendetwas schien die Magie aus ihm herauszusaugen, wann er sie anzuwenden versuchte, denn auch sein zweiter Versuch schlug fehl.
„Verunsichert? Ohne das, was du für deine besondere Fähigkeit hältst, bist du ein Nichts. An dem Ort, an dem du dich nun befindest, wirken deine Kräfte nicht mehr in gewohnter Weise, und auch die meisten Regeln, die du für unumstößlich hältst, gelten hier nicht.“ Ein höhnisches Gelächter dröhnte in Gorians Kopf.
„Wer bist du?“, rief er und wirbelte erneut herum, weil er glaubte, im Augenwinkel einen Schatten gesehen zu haben, der aber nur von einer der flackernden Öllampen erzeugt worden war. Das Licht, dass sie spendeten, wurde im nächsten Moment erheblich schwächer, denn drei der sieben Lampen verloschen.
Anders als im Thronsaal gab es in dem Höhlengemach auch keine Leuchtsteine, die das Sonnenlicht speicherten und abgaben. Dafür befand sich an der Decke ein großes Mosaik, das eine Sonne auf einem blauen Himmel mit wenigen Wolken zeigte.
Ein Bild der Hoffnung für die dahinsiechende Königstochter, so schien es, das Gorian an jenen Augenblick erinnerte, als er im Alter von zweieinhalb Jahren auf dem Boot seines Vaters erwacht war. Einen gravierenden Unterschied gab es allerdings: Die von dem Mosaik abgebildete Sonne hatte keinen Schatten, der sie immer mehr bedeckte.
Eine weitere Öllampe erlosch.
Der Rächer begann im Holz des Schreins zu zittern. Dessen Tür schlug auf, und der Doch wurde mittels Magie durch die Luft geschleudert, drehte sich dabei auf eine völlig chaotische, nicht zu kalkulierende Weise, zog einen Halbkreis durch den Raum und schoss dann mit der Spitze voran auf Gorian zu.
Der hielt in der Rechten noch immer Sternenklinge, hob blitzschnell die Linke und schnappte den Griff des Dolchs, bevor dessen Klinge ihm in jene Schulter dringen konnte, an der er bereits verletzt war. Für einen kurzen Moment spürte er noch eine fremde Kraft in dem Dolch, dann war sie verschwunden.
Wenigstens über die unmittelbare Voraussicht, mittels der ein Schwertmeister die Handlungen seines Gegners zu erahnen vermochte, schien er noch in gewohnter Weise zu verfügen.
Der Schrein stand halb offen und gab den Blick auf ein fratzenhaftes Götzengesicht frei. Es war aus Holz geschnitzt und mit grellen Farben angemalt.
Der Kopf schien einer grotesken Mischung aus Tier und Mensch zu gehören und erinnerte mit seinen hervorstehenden Hauern an einen Orxanier. Im Gegensatz zu diesem hatte dieses Wesen jedoch zwei Paare übergroße Ohren.
Der König von Gryphland und seine Gemahlin hatten sich bei der verzweifelten Suche nach Hilfe für ihre Tochter nicht nur auf den Verborgenen Gott verlassen, sondern wohl auch noch zu einem jener Götzen gefleht, die man in der Zeit vor der Verbreitung des einzig wahren Glaubens in den meisten Ländern Ost-Erdenrunds verehrt hatte. Sicher handelte es sich nicht um ein Abbild einer der so genannten Alten Götter, deren Anbetung nicht nur im Heiligen Reich bei strengster Strafe verboten war, sondern auch in allen anderen Gebieten, in denen der Bischof von Atrantia als geistliches Oberhaupt aller Gläubigen anerkannt wurde, also auch in Gryphland.
Vermutlich stellte der Kopf also eher einen der örtlichen Naturgötzen da, deren Verehrung zwar verpönt war, aber in den Ländern des Südens und Westens nie ganz ausgerottet werden konnte. Immerhin hatte man den Schrein anstandshalber geschlossen gehalten, wenn der Priester des Verborgenen Gottes bei der Kranken gewesen war.
Gorian betrachtete die Klinge des Rächers. Das schwarze Blut daran bildete einen dunklen Belag, der bereits abbröckelte, so als wäre er schon seit langem getrocknet.
Er steckte die Waffe zurück in die Scheide an seinem Gürtel und wirbelte erneut herum, als eine der letzten drei Öllampen erlosch, woraufhin nur noch Halbdunkel in dem Gemach herrschte – und plötzlich wurde auch ein Teil des Sonnenmosaiks an der Decke von einem großen dunklen Schatten verdeckt.
„Warum zeigst du dich nicht?“, rief Gorian und stellte in diesem Moment fest, dass seine Stimme der einzige Laut war, der noch an seine Ohren drang. Alle anderen Geräusche, die normalerweise eine Art klanglichen Hintergrund bildeten und einem aufgrund ihrer Selbstverständlichkeit und Allgegenwart kaum auffielen, waren verstummt, selbst das Meeresrauschen, das ansonsten unablässig in allen Wohnhöhlen Gryphenklaus mehr oder weniger stark widerhallte.
Auch die vorletzte Öllampe verlosch.
„Es ist amüsant, in deine Seele zu sehen“, vernahm er erneut die Gedankenstimme. „Ich erkenne darin Furcht und Verwirrung. Und dass du kaum noch in der Lage bist, dein erlerntes Wissen auf diese völlig veränderte Situation anzuwenden.“
Wie von selbst schloss sich der Schrein wieder, wurde sogar mit großer Kraft zugeschlagen, wobei allerdings kein Geräusch entstand. Der kleine Riegel, der die Schreintür verschloss, bewegte sich ebenfalls lautlos. Die schwarze Substanz, zu welcher der Schattenmahr zerflossen war, bildete nur noch einen Fleck im Holz, der aussah, als wäre er schon viele Jahre alt.
In was für eine eigenartige Existenzebene war Gorian nur geraten? Dann fiel ihm der schwarze Rauch ein, und er fragte sich, ob er auf irgendeine Weise ins Zwischenreich der Schattenpfade gelangt war, das die Schattenmeister des Ordens zur Überwindung großer Entfernungen innerhalb von wenigen Augenblicken nutzten.
„Deine Ausbildung im Ordenshaus der Schatten scheint wirklich noch nicht weit fortgeschritten, dass du so lange für diese Schlussfolgerung gebraucht hast.“ Triumphierendes Gelächter folgte.
„Du bist der Totenalb, der vom König Besitz ergriffen hatte“, sagte Gorian laut und stellte erschrocken fest, dass sich auch der Klang seiner Stimme verändert hatte. Sie hörte sich stumpf an, ohne Echo, als würde er sich beim Sprechen ein Kissen vor den Mund halten.
Der Angriff des Schattenmahrs hatte offenbar nur dem einen Zweck gedient, ihn in dieses lautlose Zwischenreich zu holen – eine Nebenwelt, in der Bedingungen herrschten, die es dem Totenalb erleichterten, seinen ursprünglichen Auftrag auszuführen und Gorian zu töten.
„Ich hasse das Licht und liebe die Dunkelheit“, sagte die Gedankenstimme.
Dann bildete sich aus dem Schatten, der das Sonnenmosaik bedeckte, eine Gestalt aus purer Finsternis.
Gorian wich ein paar Schritte zur Seite. Seine Tritte verursachte dabei auf dem Steinboden der Wohnhöhle keinerlei Geräusch.
Die Gestalt sprang lautlos von der Decke und landete auf dem Boden, um sich dann aufzurichten. Ihre Umrisse ähnelten dem eines Menschen. Innerhalb weniger Augenblicke veränderte sie sich, gewann mehr und mehr an Substanz, und Gorian erkannte, dass die Kreatur in einer dunkle Kutte steckte, die bis zum Boden reichte. Sie streckte den Arm aus, der sich auf groteske Weise verlängerte, und Augenblicke später verstofflichte sich eine monströse Axt mit zwei Klingen. Das metallische Blinken der Schneideblätter stand in starkem Kontrast zu der Finsternis, die insbesondere unter der Kapuze herrschte und offenbar von keinem Lichtstrahl erhellt werden konnte.
„Du wirst doch sicher Verständnis dafür haben, wenn ich kein Risiko eingehe und die Kampfbedingungen so verändere, dass ich meinem zum Jähzorn