Als er den Colt zog: Western Bibliothek 12 Romane. Pete Hackett
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Chaco beobachtete den Langen aufmerksam. Er ahnte, was in ihm vorging, und das gefiel ihm. Er hatte sich vorgenommen, für Unruhe zu sorgen. Er wollte die Halunken aufscheuchen. Andie Morton hatte ihm von seinem Verdacht gegen Jerome Bibbs erzählt. Er hielt ihn für den Boss der maskierten Banditen. Chaco glaubte das nicht. Der Mann schien ihm nicht raffiniert genug. Hinter den Shadows stand einer, der weniger mit den Fäusten als mit dem Kopf arbeitete, und das waren die Gefährlichsten.
„Ich weiß natürlich, dass ich nicht zu den Klügsten gehöre“, gab er ruhig zu. „Aber ich kann zwei und zwei zusammenzählen.“
„Interessant! Willst du mir Rechenunterricht erteilen?“
„Es ist deine Sache, wie du das nennst. Heute Nacht wurde im Lagerhaus von Wynter eingebrochen, und du warst dabei. Das ist eigentlich alles, was ich dir sagen wollte, bevor ich zum Marshal gehe.“
Chaco wollte sich abwenden, aber Jerome Bibbs sprang ihn wie ein Stier an. Er riss ihn mit seinen dürren Fäusten herum und packte ihn bei der Weste.
„Du gehst zu keinem Marshal“, schrie er. „Ich schlage dir den Schädel für deine Frechheit ein! Ich und ein Shadow! Das hat Andie Morton auch behauptet, dabei ist er selbst ein Mörder. Vielleicht gehört er sogar zu der Bande.“
Chaco riss sich mit einer schnellen Handbewegung los.
„Kann schon sein“, entgegnete er. „Frage doch mal deinen Boss! Der wird es am besten wissen.“
„Ich bringe dich um, Bastard!“
„Doch nicht etwa bei Tageslicht und von vorn? Du willst doch nicht, dass ich an deiner Schlechtigkeit zu zweifeln beginne?“
Jerome Bibbs stieg das Blut in den Kopf. Er dachte an Collin Brats Worte. Es durfte nicht wie Mord aussehen. Mist! Am liebsten hätte er den Kerl auf der Stelle abgeknallt. Der riskierte eine zu große Lippe. Es war ein Fehler, dass er Morton nicht gleich umgelegt hatte. Jetzt lief er herum und erzählte jedem von seinem Verdacht. Auch diesem Roten. Nur gut, dass Collin Marshal war.
Es war noch sehr früh. Auf der Straße befanden sich wenig Menschen. Im Store stand nur die alte Roller und wartete noch auf Kundschaft. Schräg gegenüber vor dem Post Office lungerten ein paar Kerle, die mit ihrer Zeit nichts anzufangen wussten. Das waren geeignete Zeugen, dass er in Notwehr gehandelt hatte,
Jerome Bibbs schickte seine Faust auf die Reise. Sie kam nie an. Die Endstation, Chacos Kinn, befand sich nicht mehr dort, wo es noch vor wenigen Augenblicken gewesen war. Dafür erwiderte der Halbindianer jetzt seine Annäherungsversuche. Und er traf besser. Das machte Jerome fuchsteufelswild. Er fand, dass er sich nun genügend Zurückhaltung auferlegt hatte, und er marschierte vorwärts. Chaco spürte sofort, dass er mit dem Hageren keine Schwierigkeiten haben würde, wenn es beim Faustkampf blieb. Aber das würde es wohl kaum. Jerome Bibbs hatte vermutlich andere Qualitäten, und er würde nicht zögern, davon Gebrauch zu machen.
Der Lange flog ein paar Schritte zurück. Die Männer vor dem Post Office waren längst aufmerksam geworden. Träge hatten sie sich erhoben, um nichts von der Auseinandersetzung zu versäumen. Es machte Spaß, bei einer Schlägerei zuzusehen. Noch mehr Spaß machte es allerdings, selbst mitzumischen. Sie warteten auf eine günstige Gelegenheit. Für welche Seite sie Partei ergreifen wollten, war ihnen im Grunde egal.
Jerome Bibbs war nicht besonders kräftig, dafür aber um so beweglicher. Er wartete auf Chacos nächste Schlagkombination, federte leichtfüßig zurück und ließ den Halbindianer ins Leere sausen.
Sofort hatte er ein langes Messer in der Hand, das er augenblicklich warf. Er hatte Chacos Rücken breit vor sich. Er konnte ihn überhaupt nicht verfehlen, denn der Kerl hatte ja hinten keine Augen.
Die hatte Chaco aber anscheinend doch. Er fiel buchstäblich in sich zusammen, so dass die tödliche Klinge knapp über ihn hinweg wirbelte. Ungefähr zwanzig Yards hinter ihm grub sie sich in den Sand.
Chaco zuckte herum. Er hatte sich nun wieder zur vollen Größe aufgerichtet, und er sah nicht mehr so sanft aus wie noch vor wenigen Sekunden. In seinen Augen lag ein stählerner Glanz.
Dieser Ausdruck hätte den Dürren warnen müssen, doch die unbeschreibliche Wut trübte seine Sinne. Er hatte nur noch einen Gedanken. Er musste diese Kanaille umbringen, wollte er sich nicht der Lächerlichkeit preisgeben.
Bevor Chaco mit einem Fausthieb in den Dreck schicken konnte, spulte Jerome Bibbs sein Programm ab. Er ließ sich zur Seite fallen, riss seinen Revolver aus dem Holster und feuerte im selben Moment. Erst aus Chacos Reaktion erkannte er, dass er schon sehr lange keinem Mann von Angesicht zu Angesicht mit der Kanone gegenübergestanden hatte. Er hatte sich in letzter Zeit auf Schüsse aus dem Hinterhalt spezialisiert. Deshalb war er es nicht mehr gewöhnt, dass sich sein Opfer bewegte. Dass es sich allerdings so schnell bewegte, hätte er ohnehin nie für möglich gehalten. Eben noch der mörderischen Klinge nur um Haaresbreite entgangen, retteten Chaco seine Reflexe zum zweiten Mal.
Und die gleichen Reflexe zauberten auch dem Halbblut seinen Peacemaker in die Faust. Eine einzige Feuerzunge tanzte vor der Mündung, dann steckte Chaco seinen Revolver ins Holster zurück.
Die Männer vor dem Post Office näherten sich zögernd. Sie nahmen keine feindliche Haltung ein.
„Der Kerl hat Glück gehabt, dass Sie nicht richtig getroffen haben, Mister“, stellte der eine fest. „Der hätte die Kugel in seine Rübe verdient und nicht nur im Arm. Wir haben genau gesehen, dass er zuerst gezogen hat.“
„Und vorher die Sache mit dem Messer war auch nicht unbedingt ein Beweis für seine freundlichen Absichten“, ergänzte ein anderer.
„Sie müssen ihn ziemlich geärgert haben.“
Chaco nahm die Waffe des Angeschossenen an sich. Er hatte zwar Jerome Bibbs Rechte getroffen, aber er wusste, dass dieser sich für seinen Rücken interessieren würde, solange er seine Linke noch benutzen konnte.
„Ich habe richtig getroffen“, behauptete er. „Sein Kopf hat mir nichts getan. Dafür hat er zu wenig drin. Sein Arm hat mich hinterrücks umbringen wollen, also hat auch er die Strafe verdient. Alles weitere überlasse ich dem Marshal. Ich würde mich freuen, wenn Sie vor ihm Ihre Beobachtungen wiederholen würden. Es wäre ein erster Schritt, um der Schattenbande das Handwerk zu legen.“
Die drei prallten zurück.
„Die Shadows! Hören Sie, Mister, mit denen wollen wir nichts zu tun haben. Wir haben schließlich Familie. Wissen Sie, was mit Mitch Roller passiert ist, der sich gegen die Banditen gestellt hat?“
Chaco seufzte. Etwas Ähnliches hatte er erwartet. Diese arbeitsscheuen Burschen hatten auch den Mut nicht gerade aus Eimern geschluckt. Bei einer zünftigen Prügelei endete ihre Courage.
„Er wurde erschossen, soviel ich gehört habe.“
„Genau. Und darauf haben wir überhaupt keinen Appetit.“
„Aber ihr habt doch einen Marshal. Traut ihr dem nicht zu, dass er euch vor den Killern