Als er den Colt zog: Western Bibliothek 12 Romane. Pete Hackett
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„Du hättest die Waffenmündung wirklich auf einen Menschen gehalten?“, fragte Dan überrascht.
Der Kleine nickte heftig.
„Ich will ein richtiger Westmann werden“, sagte er dann stolz.
„Dann ist es nur gut, dass dich dein Vater ohne Waffe mitnahm, Kleiner“, erwiderte Dan. „Wenn du älter geworden bist, wirst du auch wissen warum. Es ist ein großer Unterschied, ob man auf Truthähne oder auf Menschen schießt. Letzteres lastet schwer auf den Schultern, und wenn du nicht ganz stark bist, drückt es dich eines Tages nieder. — Vorwärts, ihr alten Tanten!“, rief er dann den Gespannpferden zu und ließ die Stagecoach anrollen.
Frank Rüdiger, der im Inneren der Kutsche Platz genommen hatte, streckte jetzt den Kopf zum Fenster heraus und sagte zu Dan:
„Vielleicht hätten wir meinem Jungen den Toten nicht vorenthalten sollen, junger Freund. Der Kleine soll wissen, wie ein Mensch aussieht, wenn der Tod ihn eingeholt hat. Je früher er es weiß, um so besser. In diesem Land darf ein Junge nicht verweichlicht werden.“
„Rancher, er wird die Schattenseiten des Lebens noch früh genug zu sehen bekommen“, erwiderte Dan vom Fahrersitz her.
Dan Flemming war nicht wohl bei dem Gedanken, an der Pferdewechselstation auf die Rohhäuter zu treffen. Er würde vor der Station absteigen und eines der Rohhäuterpferde zu erwischen versuchen. Pferdediebstahl wurde bei den Rohhäutern als Sport betrachtet, solange man sich nicht gegenseitig bestahl. Was machte es ihm aber noch aus, wenn man ihm noch einen Pferdediebstahl anrechnete? Bei den Rohhäutern war er bereits vogelfrei. Ja, es war tatsächlich riskant für ihn, einer Station entgegenzufahren, auf der die ehemaligen Freunde, jetzt seine Feinde, warteten. Es hieß die Nerven zu behalten. Was hätte er schon in seiner jetzigen Lage tun können? Es blieb ihm keine andere Möglichkeit. Jetzt, da er die Gefahr kannte, war er ganz ruhig.
Der Kleine auf dem Fahrersitz neben ihm war hellauf begeistert von der Fahrt.
„Ich wollte immer schon einmal auf einem Fahrersitz Platz nehmen“, sagte er zu Dan. „Dad ließ
es nicht zu. Er sagte, die Stagecoachfahrer seien viel zu wild und hätten alle den Ehrgeiz, die Pferde am schnellsten rasen zu lassen. Sie fahren sehr langsam, Mister.“
Nun, der Kleine hatte recht. Dan stand der Sinn ganz und gar nicht danach, ein Rennen mit der Stagecoach zu machen. Er ließ die Pferde im Schritt gehen und beobachtete unablässig die Umgebung. Über ihm am Himmel sah er Geier ihre Bahn ziehen, die, von der frischen Beute angelockt, sich bald auf das tote Pferd stürzen würden, um ihre Aufräumarbeit zu beginnen. Dan wusste nur zu gut, wie sehr er im Augenblick von seinen Beobachtungen und vom Zufall abhängig war. Es kam die Sorge um Ann Palmer hinzu. Immer wieder fragte er sich, ob die Stammesangehörigen sie wohl erwischt und zu den Rohhäutern zurückgebracht hatten. Wenn das der Fall war, würde sie ihr weiteres Leben in einer Hölle zubringen müssen.
Sie fuhren vorsichtig weiter. Dan hing seinen Gedanken nach. Doch immer wieder schaute er misstrauisch umher. Der Junge neben ihm wurde unruhig.
„Was ist, Kleiner?“
Der kleine Ranchersohn deutete nach rechts zu einer Hügelkette hin, hinter deren bewaldeter Buschmauer goldiger Staub aufstieg, der langsam weiterzog.
„Reiter“, sagte der Kleine scheinbar gelassen, als wäre er ein indianischer Kundschafter, der den Feind ausgemacht hatte.
Es gab keinen Zweifel, der Staub musste von Reitern aufgewirbelt worden sein, die den Hügelkamm überritten hatten und sich nun auf der anderen Seite des Hanges weiterbewegten. Mit schmal gezogenen Augenlidern schaute Dan zu der Staubwolke hin.
„Rüdiger“, wandte er sich an den Rancher, „es sieht so aus, als kämen einige Reiter von der Pferdewechselstation.“
„Ich beobachte es bereits ebenfalls“, kam die Antwort des Ranchers. „Es mögen diese hartgesottenen Rohhäuter sein, die des Wartens müde sind und erkannt haben, dass sie vergeblich auf das Mädchen warteten. Um so besser für die Kleine, dass die Rohhäuter abzogen. Wir werden sie bei unserer Ankunft bei der Station sicher nicht vermissen. Offen gestanden, diese Rohhäuter sind mir unheimlicher als es echte Sioux sind. Bei letzteren weiß man gleich an der Kostümierung und an der Hautfarbe, woran man mit ihnen ist. Leider weiß man das bei den Rohhäutern nie zu sagen.“
„Sie kennen sie, Rancher?“
„Nicht besonders gut. Mir genügt es, dass man mir vor einigen Jahren beim Vorbeizug der Rohhäuter über ein Dutzend Färsen stahl und schlachtete, dass einige dieser Burschen so dreist waren, mir die Hühner und Enten aus den Ställen zu holen. Ich kann diese Leute einfach nicht sehen. Bei ihrem Anblick kribbelt es mir in den Fingern.“
„Es sind Nomaden, genügsam und ständig unterwegs. Sie belasten sich nicht mit Reichtümern und leben dennoch.“
„Gewiss, auf Gottes ureigener Welt leben eine Menge sonderbarer Menschen“, erwiderte Frank Rüdiger aus dem Wagen heraus. „Vielleicht ist es gut so, dass sie alle verschieden sind. Man kann sie mit Blumen vergleichen in einem bunten Garten. So lange man mich in Frieden lässt, habe ich nichts gegen andere einzuwenden.“
Dan antwortete nicht. Er hatte die Staubwolke nicht einen Augenblick lang aus den Augen gelassen. Sie kam jetzt näher, und es war zu befürchten, dass die unter ihr reitenden Männer in einem Tal sichtbar wurden.
„Ich ziehe es vor, in eine Deckung zu fahren“, wandte Dan sich an den Rancher. „Die Rohhäuter kommen auf dem Weg heran, und ich möchte ihnen nicht begegnen.“
„Freund, Sie haben einen Grund dafür?“
„Einen sehr stichhaltigen, Rancher. Ich möchte nicht der Hase sein, den viele Hunde zu Tode hetzen. Ich habe diese Menschen wahrhaftig nicht herausgefordert, doch zu meinem Pech mögen sie mein Gesicht nicht mehr leiden. Ich ziehe es vor, ihnen meinen Anblick zu ersparen.“
„So ähnlich erging es mir, als die Kavallerie uns Boomers auf Anweisung der Regierung wieder aus diesem herrlichen Lande vertreiben wollte“, erwiderte der Rancher rau. „Sie warfen uns vor, dass wir einen Staatsvertrag gebrochen hätten. Was heißt das schon? Die Regierung selbst hat immer wieder ihre Verträge mit den Redmen gebrochen. Die Siedlerflut ist einfach nicht aufzuhalten. Das Pech der Indianer ist, dass sie um viele Jahre zurück sind, und ein weiteres Pech, dass sie trotz des Eindringens der Weißen in ihr Gebiet von ihren Kämpfen untereinander nicht abließen. Eines Tages wird die Regierung das Land Oklahoma offiziell zur Besiedlung freigeben. Wir, die wir die US-Armee zurückschlagen konnten, sind wohl nur deshalb so gut davongekommen, weil man an höchster Stelle weiß, dass die Siedler doch nicht zurückzuhalten sind.“
Er brach ab, denn Dan Flemming bog mit dem Wagen von der Fahrroute ab und brachte ihn hinter Bäumen und Gestrüpp zum Halt. Als er vom Bock kletterte, kam auch Rüdiger aus der Kutsche heraus. Er trug seinen Revolver griffbereit und erklärte Dan: „Falls es Schwierigkeiten geben sollte, ich bin auf Ihrer Seite.“
„Ich auch, Dad“, meldete sich der Junge. „Gib mir doch bitte jetzt ein Schießeisen, Dad.“
„Nein“, erklärte der Vater. „Du brächtest es unter Umständen fertig