Reformierte Theologie weltweit. Группа авторов

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hält Barth eine Vorle­sung über den Heidelberger Katechismus. Es folgen Vorlesungen über Calvin4 und Zwingli5 und im Sommer 1923 eine Vorlesung über die Theolo­gie der reformierten Bekenntnisschriften6. In dieser Zeit erwirbt Barth nicht nur umfängliche Kenntnisse über das reformierte Bekenntnis und die reformierten Bekenntnisse, sondern er bestimmt zugleich auch sein eigenes Verhältnis zur reformierten Tradition und erarbeitet sich ein eigenes Verständnis von der Bedeutung und Reichweites eines Bekennt­nisses einschliesslich der damit verbundenen Konsequenzen. Das bedeu­tet weniger, dass er nach seinem persönlichen Zugang zu den Bekennt­nissen fragt, wohl aber, dass er konsequent die Forderung erhebt, dass es nicht allein darum gehen könne, die reformierten Bekenntnisse zu pfle­gen, sondern auch die Art und Weise dieser Pflege habe eine reformierte zu sein. Es reiche nicht aus, die reformierten Bekenntnisse in Ehren zu halten und sich an ihnen zu orientieren, sondern es komme auf einen seinerseits ausdrücklich reformierten Umgang mit ihnen an, der sich durchaus von dem lutherischen Umgang mit den Bekenntnissen unter­scheidet.

      Ich möchte dies an einem konkreten Beispiel veranschaulichen. Ge­rade weil es in diesem Beispiel um die Frage eines erst zu formulierenden Bekenntnisses geht, wird an ihm besonders deutlich, was für Barth mit einem Bekenntnis auf dem Spiele steht. Am 30. Juni 1924 erhielt Barth vom Generalsekretär des Reformiertes Weltbundes, John Robert Fleming, die offizielle Anfrage, ob er bereit wäre, in einem Vortrag auf der zwölf­ten Generalversammlung 1925 in Cardiff auf die Frage zu antworten, ob eine gemeinsame Glaubenserklärung bzw. Bekenntnis für die reformier­ten Kirchen der Welt wünschenswert und möglich sei.7 Das ist eine Frage, |27| die den Reformierten Weltbund schon länger bewegt hat und offenkun­dig bis heute immer wieder aufbricht, wenn erneut nach der reformierten Identität gefragt wird.8

      In der veröffentlichten Langfassung des Vortrags formuliert Barth fol­gende konzise Definition für ein Bekenntnis im reformierten Verständnis:

      «Ein reformiertes Glaubensbekenntnis ist die von einer örtlich um­schrie­benen christlichen Gemeinschaft spontan und öffentlich formu­lier­te, für ihren Charakter nach aussen bis auf weiteres massgebende und für ihr eigenes Lehren und Leben bis auf weiteres richtungge­bende Darstellung der der allgemeinen christlichen Kirche vorläufig ge­schenkten Einsicht von der allein in der Heiligen Schrift bezeugten Offenbarung Gottes in Jesus Christus.»9

      Beim einmaligen Hören lassen sich die vielen Aspekte kaum fassen, die in dieser kompakten Definition stecken. Da stehen relativierende Aspekte (örtlich, bis auf weiteres, vorläufig geschenkte Einsicht) neben anderen, in denen die Verbindlichkeit annonciert wird (massgebend, richtunggebend, allgemeine christliche Kirche). Das entscheidende Kriterium wird am Schluss genannt: die Offenbarung Gottes in Jesus Christus, wie sie in der Heiligen Schrift bezeugt wird – eine Assoziation zu der ersten These der einige Jahre später verabschiedeten Barmer Theologischen Erklärung drängt sich geradezu auf. Doch bevor wir auf die theologische Kri­teriologie zu sprechen kommen, wollen wir uns zunächst mit den äus­seren Anforderungen beschäftigen, unter denen sich für Barth die For­mulierung |28| eines Bekenntnisses als sinnvoll und dann eben auch als not­wendig darstellt.

      Die entscheidende Anforderung ist die, dass ein Bekenntnis konkret sein muss. Aus dieser Anforderung leiten sich im Grunde alle weiteren Anforderungen ab. Was aber meint hier «konkret»? Um dies näher erfas­sen zu können, müssen wir uns den spezifischen Akzent ansehen, den Barth für das reformierte Kirchenverständnis reklamiert. Gewiss gilt für die Kirche entschieden, dass sie eine über die ganze Erde verstreute und somit im substantiellen Sinne eine katholische, d. h. universale Kirche ist. In ihr wird auf das Wort Gottes gehört, geglaubt, geliebt und gehofft, ohne dass es eine Rolle spielt, wie weit die Glieder dieser Kirche vonei­n­ander entfernt sind. Für das tatsächliche Leben der Kirche kommt es aber entscheidend darauf an, dass die Kirche nicht nur hört, sondern die im Hören sich ihr erschliessende Freiheit ergreift und auf das Gehörte antwortet. Sie bekennt nun ihrerseits, was sie gehört hat und was es des­halb unter ihren konkreten Bedingungen zu bezeugen gilt.

      Eine recht hörende Kirche wird notwendig zu einer bekennenden Kir­che. Das Bekenntnis ist dabei wohlgemerkt nicht das Sammelgefäss der Wahrheit Gottes, in dem die Kirche nun diese Wahrheit aufbewahrt, son­dern die jeweils von der Kirche und somit von auch fehlbaren Menschen zu gebende Antwort – Barth nennt es auch eine «Empfangsbestätigung»10. Zwar bezieht sich das Bekennen auf das, was Gott gesagt hat, es formu­liert aber das, was der Mensch gehört hat und ist insofern konsequent vom Wort Gottes zu unterscheiden. Es steht nicht für die Aktion Gottes, sondern ist die Reaktion des Menschen, mit der er kundgibt, dass er et­was vernommen hat, was sein Leben in einen neuen Horizont versetzt und somit Folgen für seine Wahrnehmungen der Wirklichkeit hat.

      Solches Antworten vollzieht sich jedoch nicht in einer die ganze Welt umspannenden Allgemeinheit – es ergeht sich nicht in einer immer auch problematischen Zusammenstellung von Richtigkeiten –, sondern immer nur in einer konkreten geschichtlichen Situation, in einem benennbaren Lebenszusammenhang, unter einigermassen überschaubaren Umständen. Gott steht kein abstrakter Mensch gegenüber, sondern immer nur kon­krete und somit durchaus unterschiedliche Menschen, die von Gott in |29| ihren unterschiedlichen Situationen angesprochen werden und nun ihrer­seits darauf reagieren. So wie die Rede von «dem Menschen» eine Ab­strak­tion darstellt11, so kann auch die Rede von der Kirche zu einer Abstrak­tion werden, wenn dabei nicht die konkrete Kirche im Blick ist, in der man sich jeweils befindet.12 Darin sieht Barth ein zentrales Element der reformierten Ekklesiologie.13 In dem hier gemeinten Antworten geht es im umfassenden Sinn um das Handeln der Kirche, welches eben immer auch Entscheidung voraussetzt – nicht Entscheidung zum Glauben, son­dern Entschiedenheit und Entscheidung im Glauben.14

      Wenn das Handeln der Kirche tatsächlich die Lebensumstände der Menschen tangieren soll, wird es das Handeln einer benennbaren Ge­meinde bzw. lokalen Kirche sein müssen. Die Verabschiedung des corpus christianum durch die reformierten Reformatoren brachte nicht nur beiläu­fig, sondern durchaus entschlossen ein gewisses kongregationalistisches Ferment mit sich, das sich in Barths Kirchenverständnis deutlich zurück­meldet, nicht als Zurückweisung des Motivs der Universalität der Kirche, wohl aber als Schutzwall gegen die Versuchung, sich mit mehr oder we­niger verbindlichen Allgemeinheiten zufrieden zu geben. In dem lutheri­schen Festhalten am mittelalterlichen corpus christianum diagnostiziert Barth einen vor allem politisch motivierten «rückwärts orientierten Sinn»15.

      Die deutliche Relativierung von ökumenischen Bekenntnissen für die Gesamtkirche zielte nicht auf eine Schwächung der Katholizität der Kir­che, sondern stand im Gegenteil gerade im Zeichen ihrer Konkretisie­rung. In diesen Sinne ist es zu verstehen, wenn es an anderer Stelle bei Barth heisst: «Der legitime Weg zur Universalität ist hier also gerade die Partikularität.»16 Auch die Katholizität bedarf der Konkretisierung und ist |30| eben nicht ein Rückzugsraum für vom Leben der Ortskirche unberühr­bare Wahrheiten. Das Bekennen der Kirche bliebe weit unter dem zu er­wartenden Niveau, wenn es die Kirche dabei belassen wollte, der Welt ein paar immer richtige Einsichten oder Forderungen zuzurufen, die im besten Fall damit rechnen können, freundlich zur Kenntnis genommen zu werden. Wenn Barth von der «unerbittlichen Konkretheit des reformier­ten Kirchenbegriffs» spricht17, tritt er der gerade von den Kirchen so gern ergriffenen Flucht in die Unverbindlichkeit entgegen.

      Das Bekenntnis im Sinne des angesprochenen Antwortens ist weniger öffentliche Verlautbarung oder Deklaration, als vielmehr «Akt, Ereignis, Handlung»18. Die Universalität der Kirche gibt es grundsätzlich nicht anders als örtlich, und da ist sie eben auch zur Geltung zu bringen, nicht als eigenwillige Individualpräsentation, sondern in einer vor der ganzen Kirche zu verantwortenden konkreten Gestalt. Deshalb betont Barth auf der einen Seite die Partikularität: «Wir, hier, jetzt – bekennen dies!» und hält diese aber stets auf der anderen Seite mit dem Anspruch verbunden, eben dies im Namen der einen Kirche zu tun.19 Für Barth ist das Bekennt­nis in reformierter Perspektive «[u]niversal-christliche Wahrheit, aber jetzt und hier in bestimmter Weise erkannt und ausgesprochen von einer christlichen Gemeinde».20

      Eine letzte Anforderung,

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