Reformierte Theologie weltweit. Группа авторов

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dann als unsere nächsten Nachbarn zur Rechten die Lutheraner. Und wir sehen links von uns in grosser Mannigfaltigkeit: die Congregationalisten, die Methodisten, Baptisten, die Disciples of Christ. Jenseits von ihnen beginnt für uns auch auf dieser Seite die Ne­belregion, wo die Mennoniten, die Quäker, die Heilsarmee zu Hause sind, die mit Taufe und Abendmahl nichts anzufangen wissen und bei denen es dunkel erscheint, ob sie noch Kirchen sind oder nicht, ob sie es auch nur sein wollen. Dieses Ganze ist der ‹Weltrat der Kirchen›: diese lange Front von rechts nach links mit all ihren Verschiedenhei­ten, heimlichen und offenen Widersprüchen. Das Besondere unseres reformierten Ortes ist dies, dass wir uns ziemlich in der Mitte befin­den: |41| in nächster Nachbarschaft rechts mit den Lutheranern, links mit den Congregationalisten.»55

      Man mag die Schematisierung und die impliziten Bestimmungen der dargestellten Szenerie beklagen. Dennoch wird sich schwerlich bestreiten lassen, dass Barth hier im Blick auf die unterschiedlichen Ekklesiologien, um die es ihm geht, etwas benennt, was durchaus eine Evidenz hat, die sich ohne weiteres weiter untermauern liesse. Während auf der rechten Seite der Ton auf der geschichtlichen Kontinuität liegt, steht auf der lin­ken Seite die Betonung der durch Wort und Geist bewegten Freiheit im Vordergrund. Wenn Barth nun die Reformierten als «katholische Protes­tanten» und als «protestantische Katholiken» bezeichnet, dann sieht er bei den Reformierten sowohl Elemente, die den rechten Flügel charakterisie­ren, als auch solche, die dem linken Spektrum näherstehen. Nun liesse sich schnell einwenden, dass immer da, wo jemand für sich die Mitte beansprucht, Skepsis angebracht ist und sehr genau hinzusehen ist. Doch Barth geht es weniger um die Beanspruchung der Mitte als vielmehr um die Warnung, nicht nur in die eine Richtung zu blicken, und das wäre eben die rechte Richtung, von der sich die Reformierten von Anfang an in besonderer Weise beeindrucken liessen, während sie zugleich der ande­ren Seite gegenüber gern die kalte Schulter zeigten – um nur die harmlo­seste Variante zu nennen. Indem Barth auf beiden Seiten bestimmte Wahrheitsmomente anerkennt, kommt den Reformierten die Aufgabe zu, sich auch tatsächlich in beide Richtungen zu öffnen und sich eben nicht nur von der manifesten Kirchlichkeit auf der Rechten beeindrucken zu lassen.

      Damit wird ein Aspekt angesprochen, der im Blick auf den Protestan­tismus inzwischen insgesamt eher an Problematik zugenommen als ab­genommen hat. Wenn man etwa die Amtsdiskussion betrachtet, die weite Teile der Ökumene in Atem hält, zeigen die protestantischen Kirchen eine signifikant grössere Beeindruckbarkeit von Seiten der hochkirchlichen Traditionen, als dass sie sich dafür einsetzen, den Wahrheitsmomenten der anderen Seite, die ja immerhin ihre Wurzeln vor allem in der Refor­mation hat, auch nur ausreichend Gehör, geschweige denn auch Geltung zu verschaffen. Wenn Barth in Amsterdam die Reformierten dazu er­mahnt, ihre Mittelposition ökumenisch zu nutzen, ging es ihm nicht um |42| Ausgewogenheit, wohl aber um das Eintreten für Wahrheitsmomente, die eben auch von dem linken Flügel zu vernehmen sind, der sich nicht so machtvoll in Szene setzen kann und will, wie es aufgrund des offenkun­dig unbefangenen und teilweise hemmungslos manifesten ekklesio­lo­gischen Selbstbewusstseins dem rechten Flügel möglich und sinnvoll erscheint. Die problematischen Seiten der selbstdarstellerischen Hoch­kirch­lichkeit halten sich ja keineswegs verborgen, aber sie werden mit einer gewissen Indolenz und einer frappanten Selbstverständlichkeit mehr oder weniger konsequent ausserhalb der Diskussion gehalten. So vor­sichtig und gerade nicht einseitig Barth seine Hoffnung für die Refor­mierten im Blick auf die Ökumene formuliert, so aktuell bleibt ihre impli­zite Kritik an der auch den reformierten Kirchen nicht fremden Neigung zur Selbstdarstellung. Dass Barth selbst eher in die Richtung des linken als in die des rechten Flügels tendierte, verschweigt er dabei keines­wegs.56 Zugleich ist erkennbar, dass sich Barth überaus wohlfühlt, in der Öku­mene als ein Reformierter auftreten zu können.57

      4. Zum Schluss: Ein reformierter Reformierter

      Wenn von Karl Barth als einem reformierten Theologen die Rede sein soll, bleibt zu beachten, dass sich Barth in einer ganz spezifischen Weise auf reformierte Wurzeln beruft. Er sah es als notwendig an, die Tradition zu kennen und mit ihr in Gespräch zu treten.58 Aber es ist nicht die Tradi­tion, die ihn bei aller Orientierung, die sie zu geben vermag, bewegt, son­dern die treibende Kraft sieht er in der Haltung und Perspektive, wie sie ihm vor allem aus der Zeit des reformierten Aufbruchs als energische Rückbesinnung der Kirche auf ihren tragenden Grund und ihre konkrete |43| Bestimmung vor Augen steht.59 Es ist dieses dynamische und in gewisser Hinsicht rückhaltlose reformatorische Drängen auf das rechte Hören des Wortes Gottes und die sich daraus ergebende Gestaltung der Kirche und des ganzen Lebens, in denen sich Barth an die reformierte Tradition ge­bunden weiss. Aus dieser spezifischen Bindung bezieht er dann eine weithin beispiellose Freiheit für respektvolle und durchaus würdigende und zugleich überaus weitreichende Umstellungen und Neuakzentuie­rungen, die ihn einerseits als Kenner der Tradition ausweisen und zu­gleich als einen ebenso konsequenten wie auch überraschenden Neuge­stalter der Theologie in Erscheinung treten lassen.

      Für Barths spezifische reformierte Haltung scheinen mir folgende fünf Akzente im Vordergrund zu stehen:

      1. Im Zentrum steht das Vertrauen in die Bibel als das orientierende und als solches durch nichts zu ersetzende oder zu überbietende mensch­liche Zeugnis von Gottes Geschichte mit dem Menschen. Auf ihm liegt die besondere Verheissung, zum jeweils lebendigen Wort Gottes zu wer­den, indem es durch eben den Geist zu uns spricht, der die Verfasser, Sammler und Redaktoren dazu gebracht hat, diese Texte zusammenzu­halten, so dass sie von Gott immer wieder dazu geheiligt werden, sein lebendiges Wort vernehmbar werden zu lassen. Es ist diese unverfügbare Dynamik, durch welche das biblische Zeugnis immer wieder zu der Of­fenbarung werden kann, auf welche die Kirche schlechterdings angewie­sen ist, wenn es darum geht, nicht nur die menschlichen Gedanken über Gott zur Sprache zu bringen, sondern Gottes Handeln an den Menschen, seinen Willen und seine Absichten, die nur dann zu vernehmen sind, wenn sie von ihm selbst erschlossen werden. Von Gott gibt es nur etwas zu hören, wenn er selbst spricht. Und das, was er spricht, ist seinem We­­sen nach etwas grundsätzlich anderes, als was wir uns auch selbst sagen könn­ten. Es ist diese vor allem auf dem biblischen Zeugnis liegende Of­fen­barungsverheissung, die ihm seine Unvergleichlichkeit verleiht und es je und je zur Heiligen Schrift macht.

      2. Für Barth ist es entscheidend, dass das Wort Gottes das Wort Gottes bleibt und eben nicht zu einem mehr oder weniger mirakulösen Ereignis der Vergangenheit verkommt, das nun von der Erinnerungsgemeinschaft |44| der Kirche lebendig gehalten wird. Käme es dabei auf die Kirche an, gäbe es wenig Anlass, die Hoffnung auf das Wort Gottes zu setzen. Barth sieht sie weithin mehr mit der Behinderung des Wortes Gottes beschäftigt als mit seiner lebendigen Verbreitung. Dass aber dennoch das Wort Gottes heute vernehmbar ist, ist der Lebendigkeit Gottes selbst zuzuschreiben, in der er sich auch der Kirche bedient, so sehr diese auch versucht, den Sturzbach des lebendigen Wassers in ruhige und gemächliche Kanäle zu leiten. Barth macht dies zum zentralen Thema im dritten Band seiner Versöhnungslehre (KD IV/3).60

      3. Indem das Bekenntnis auf der Seite des Menschen angesiedelt ist, kann es grundsätzlich nur relative Autorität beanspruchen. Die teilweise in der lutherischen Kirche gepflegte Kühnheit, von der Inspiriertheit der Bekenntnisschriften zu sprechen, registriert Barth immer mit erkennba­rem Befremden.61 Ganz abwegig ist die Vorstellung, dass in dem Bekennt­nis die Wahrheit zusammengefasst sei, denn diese gerät ihrem Wesen nach nicht in die Hände und die Regie des Menschen, sondern bleibt in der Macht des Geistes Gottes, in welcher sie sich hier und da klaren Aus­druck verschafft. In diesem Sinne bleibt das Bekennen wichtiger als das rezitierbare Bekenntnis. Das Engagement soll der jeweils konkreten Ant­wort auf Gottes Anrede in den jeweiligen geschichtlichen Umständen gelten. Barth hat die permanente Gefahr vor Augen, dass die Energie, welche die Kirche für die Bewahrung ihres Bekenntnisses und die vor allem museale Pflege ihres Bekenntnisstandes aufbringt, ihr dann in der Bewährung des konkreten Bekennens fehlen könnte.

      4. Mit der Relativierung des Wortlauts verbindlicher Lehre verbindet sich eine besondere ökumenische Offenheit, die Barth essenziell der recht verstandenen reformierten Tradition zurechnet. Sobald eine Kirche für sich ausser dem biblischen Zeugnis auch noch anderes für verbindlich erklärt,

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