Königliche Hoheit. Thomas Mann

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Königliche Hoheit - Thomas Mann

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abgerissen plappernden Art mehrere Geschichten erzählt hatte, machte er in einem Lehnstuhl von seiner Gabe Gebrauch, mit offenen Augen zu schlafen – reglosen Blicks und in bester Haltung das Bewußtsein von Zeit und Raum zu verlieren, ohne die Würde des Ortes im mindesten zu verletzen.

      Doktor von Schröder, Minister der Finanzen und der Landwirtschaft, hatte an diesem Tage ein Gespräch mit dem Staatsminister Doktor Baron Knobelsdorff, Minister des Inneren, des Äußeren und des großherzoglichen Hauses. Es war eine sprunghafte Plauderei, die mit einer Kunstbetrachtung anhob, zu finanziellen und ökonomischen Fragen überging, eines hohen Hofbeamten in ziemlich abfälligem Sinne gedachte und sich auch mit den Personen der allerhöchsten Herrschaften beschäftigte. Sie begann, als die Herren, die Hände mit ihren Hüten auf dem Rücken, vor einem der Gemälde im Großen Bankettsaal standen, und beide dachten mehr dabei, als sie aussprachen. Der Finanzminister sagte: »Und dies? Was ist das? Was passiert da? Exzellenz sind so orientiert …«

      »Oberflächlich. Es ist die Belehnung zweier jugendlicher Prinzen des Hauses durch ihren Oheim, den römischen Kaiser. Exzellenz sehen da die beiden jungen Herren knien und in großer Zeremonie ihren Eid auf das Schwert des Kaisers leisten …«

      »Schön, ungewöhnlich schön! Welche Farben! Blendend. Was für reizende goldene Locken die Prinzen haben! Und der Kaiser … es ist der Kaiser, wie er im Buche steht! Ja, dieser Lindemann verdient die Auszeichnungen, die ihm zuteil geworden sind.«

      »Durchaus. Die ihm zuteil geworden sind, die verdient er.«

      Doktor von Schröder, ein langer Mann mit weißem Bart, einer zart gebauten goldenen Brille auf der weißen Nase, einem kleinen Bauch, der sich unvermittelt unter dem Magen erhob, und einem Wulstnacken, der den gestickten Stehkragen seines Fracks überquoll, blickte, ohne die Augen von dem Bilde zu wenden, ein wenig zweifelhaft drein, von einem Mißtrauen berührt, das ihn zuzeiten im Gespräch mit dem Baron überkam. Dieser Knobelsdorff, dieser Günstling und höchste Beamte war so vieldeutig … Zuweilen waren seine Äußerungen, seine Erwiderungen von einem ungreifbaren Spott umspielt. Er war weit gereist, er kannte den Erdball, er war so mannigfach unterrichtet, auf eine befremdende und freie Art interessiert. Dennoch war er korrekt. Herr von Schröder verstand sich nicht völlig auf ihn. Bei aller Übereinstimmung war es nicht möglich, sich ganz im Einverständnis mit ihm zu fühlen. Seine Meinungen waren voll heimlicher Reserve, seine Urteile von einer Duldsamkeit, die in Unruhe ließ, ob sie Gerechtigkeit oder Geringschätzung bedeute. Aber das Verdächtigste war sein Lächeln, ein Augenlächeln ohne Anteil des Mundes, das vermöge strahlenförmig an den äußeren Augenwinkeln angeordneter Fältchen zu entstehen schien oder umgekehrt mit der Zeit diese Fältchen hervorgerufen hatte … Baron Knobelsdorff war jünger als der Finanzminister, ein Mann in den besten Jahren damals, obwohl sein gestutzter Schnurrbart und sein glatt in der Mitte gescheiteltes Haupthaar schon leicht ergraut waren – untersetzt übrigens, kurzhalsig und von dem Kragen seines bis zum Saume betreßten Hofkleides sichtlich beengt. Er überließ Herrn von Schröder einen Augenblick seiner Ratlosigkeit und fuhr dann fort: »Nur wäre vielleicht im Interesse einer löblichen Hoffinanzdirektion zu wünschen, daß der berühmte Mann sich ein wenig mehr mit Sternen und Titeln begnügte, und … roh gesprochen, was mag dieses gefällige Bildwerk gekostet haben?«

      Herr von Schröder gewann wieder Leben. Der Wunsch, die Hoffnung, sich mit dem Baron zu verständigen, dennoch zur Intimität und vertraulichen Einhelligkeit mit ihm zu gelangen, machte ihn eifrig.

      »Genau mein Gedanke!« sagte er, indem er sich wandte, um den Gang durch die Säle wieder aufzunehmen. »Exzellenz nehmen mir die Frage vom Munde. Was mag für diese ›Belehnung‹ bezahlt worden sein? Was für die übrige Farbenpracht hier an den Wänden? Denn in summa hat die Restauration der Burg vor sechs Jahren eine Million gekostet.«

      »Schlecht gerechnet.«

      »Rund und nett! Und diese summa geprüft und genehmigt vom Oberhofmarschall von Bühl zu Bühl, der sich dort hinten seiner angenehmen Katalepsie überläßt, geprüft, genehmigt und ausgekehrt vom Hoffinanzdirektor Grafen Trümmerhauff …«

      »Ausgekehrt oder schuldig geblieben.«

      »Eins von beiden!… Diese summa, sage ich, auferlegt und zugemutet einer Kasse, einer Kasse …«

      »Mit einem Worte: der Kasse der großherzoglichen Vermögensverwaltung.«

      »Exzellenz wissen so gut wie ich, was Sie damit sagen. Nein, mir wird kalt … ich beschwöre, daß ich weder ein Knicker noch ein Hypochonder bin, aber mir wird kalt in der Herzgrube bei der Vorstellung, daß man im Angesicht der waltenden Verhältnisse gelassenen Sinnes eine Million hinwirft – wofür? für ein Nichts, eine hübsche Grille, für die glänzende Instandsetzung des Stammschlosses, auf dem geboren werden muß …«

      Herr von Knobelsdorff lachte: »Ja, mein Gott, die Romantik ist ein Luxus, ein kostspieliger! Exzellenz, ich bin Ihrer Meinung – selbstverständlich. Aber bedenken Sie, daß zuletzt der ganze Mißstand fürstlicher Wirtschaft in diesem romantischen Luxus seinen Grund hat. Das Übel fängt an damit, daß die Fürsten Bauern sind; ihre Vermögen bestehen aus Grund und Boden, ihre Einkünfte aus landwirtschaftlichen Erträgnissen. Heutzutage … Sie haben sich bis zum heutigen Tage noch nicht entschließen können, Industrielle und Finanzleute zu werden. Sie lassen sich mit bedauerlicher Hartnäckigkeit von gewissen obsoleten und ideologischen Grundbegriffen leiten, wie zum Beispiel den Begriffen der Treue und Würde. Der fürstliche Besitz ist durch Treue – fideikommissarisch – gebunden. Vorteilhafte Veräußerungen sind ausgeschlossen. Hypothekarische Verpfändung, Kreditbeschaffung zum Zwecke wirtschaftlicher Verbesserungen scheint ihnen unzulässig. Die Administration ist in der freien Ausnutzung geschäftlicher Konjunkturen streng gehindert – durch Würde. Verzeihung, nicht wahr! Ich sage Ihnen Fibelwahrheiten. Wer so sehr wie diese Menschenart auf gute Haltung sieht, kann und will mit der Freizügigkeit und ungehemmten Initiative minder eigensinniger und ideell verpflichteter Geschäftsleute natürlich nicht Schritt halten. Nun denn, was will gegenüber diesem negativen Luxus die positive Million bedeuten, die man einer hübschen Grille wegen, um Eurer Exzellenz Ausdruck zu wiederholen, geopfert hat? Wenn es mit dieser einen sein Bewenden hätte! Aber da haben wir die regelmäßige Kostenlast einer leidlich würdigen Hofhaltung. Da sind die Schlösser und ihre Parks zu unterhalten, Hollerbrunn, Monbrillant, Jägerpreis, nicht wahr … Eremitage, Delphinenort, Fasanerie und die anderen … ich vergesse Schloß Segenhaus und die Ruine Haderstein … vom Alten Schlosse zu schweigen … Sie werden schlecht unterhalten, aber es ist ein Posten … Da ist das Hoftheater, die Galerie, die Bibliothek zu unterstützen. Da sind hundert Ruhegehälter zu zahlen – auch ohne Rechtspflicht, aus Treue und Würde. Und auf welch fürstliche Art der Großherzog bei der letzten Überschwemmung eingesprungen ist … Aber das ist eine Rede, die ich da halte!«

      »Eine Rede,« sagte der Finanzminister, »mit der Eure Exzellenz mir zu opponieren gedachten, während Sie mich damit unterstützen. – Teuerster Baron« – und hierbei legte Herr von Schröder die Hand aufs Herz –, »ich gebe mich der Sicherheit hin, daß über meine Gesinnung, meine loyale Gesinnung zwischen Ihnen und mir jedes Mißverständnis ausgeschlossen ist. Der König kann nicht unrecht tun … Die höchste Person ist über jeden Vorwurf erhaben. Aber eine Schuld … ach, ein doppelsinniges Wort!… eine Schuld ist vorhanden, und ich wälze sie ohne Zögern auf den Grafen Trümmerhauff. Daß die früheren Inhaber seines Postens ihre Souveräne über die materielle Lage des Hofes hinwegtäuschten, lag im Geiste der Zeiten und war verzeihlich. Das Verhalten des Grafen Trümmerhauff ist es nicht mehr. Ihm, in seiner Eigenschaft als Hoffinanzdirektor, hätte es obgelegen, der herrschenden … Sorglosigkeit Einhalt zu tun, ihm würde es heute noch obliegen, Seine Königliche Hoheit rückhaltlos zu belehren …«

      Herr von Knobelsdorff lächelte mit emporgezogenen Brauen.

      »Wirklich?« sagte er. »Es ist also Eurer

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