Buddenbrooks. Thomas Mann
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Sechstes Kapitel
»Tony geben wir in Pension, und zwar zu Fräulein Weichbrodt«, sagte Konsul Buddenbrook, und er äußerte das so bestimmt, daß es dabei blieb.
Weniger zufrieden nämlich, wie angedeutet, als mit Thomas, der sich mit Talent in die Geschäfte einlebte, mit Klara, die munter heranwuchs, und der armen Klothilde, deren Appetit jeden Menschen erfreuen mußte, konnte man mit Tony und Christian sein. Was den letzteren anging, so war es das wenigste, daß er beinahe jeden Nachmittag genötigt war, bei Herrn Stengel Kaffee zu trinken, – obgleich die Konsulin, der dies zu viel wurde, eines Tages den Herrn Lehrer durch ein zierliches Handbillett zum Zwecke einer Rücksprache zu sich in die Mengstraße entbot. Herr Stengel erschien in seiner Sonntagsperücke, mit seinen höchsten Vatermördern, die Weste von lanzenartig gespitzten Bleistiften starrend, und saß mit der Konsulin im Landschaftszimmer, während Christian heimlich im Eßsaale der Unterredung zuhörte. Der ausgezeichnete Erzieher legte beredt, wenn auch ein wenig befangen, seine Ansichten dar, sprach von dem bedeutsamen Unterschied zwischen »Line« und »Strich«, erwähnte des schönen grünen Waldes sowie des Kohlenkastens und gebrauchte im übrigen während dieser Visite beständig das Wort »infolgedessen«, das ihm wohl dieser vornehmen Umgebung am besten zu entsprechen schien. Nach einer Viertelstunde erschien der Konsul, jagte Christian davon und drückte Herrn Stengel sein lebhaftes Bedauern darüber aus, daß sein Sohn ihm Ursache zur Unzufriedenheit gegeben habe … »Oh, behüte, Herr Konsul, ich bitte ergebenst! Ein geweckter Kopf, ein munterer Patron, der Schüler Buddenbrook. Und infolgedessen … Allein ein wenig übermütig, wenn ich mir erlauben darf, hm … und infolgedessen …« Der Konsul führte ihn höflich im Hause umher, worauf Herr Stengel sich verabschiedete … Das alles aber war nicht das Schlimme.
Das Schlimme bestand darin, daß folgendes bekannt wurde: Der Schüler Christian Buddenbrook durfte eines Abends mit einem guten Freunde das Stadttheater besuchen, woselbst »Wilhelm Tell« von Schiller gegeben wurde; die Rolle von Tells Knaben Walter jedoch spielte eine junge Dame, eine Demoiselle Meyer-de la Grange, mit der es eine eigne Bewandtnis hatte. Sie pflegte nämlich, war es ihrer Rolle nun angemessen oder nicht, auf der Bühne eine Brillantbrosche zu tragen, die notorisch echt war, denn wie allgemein bekannt, war sie ein Geschenk des jungen Konsuls Peter Döhlmann, Sohn des verstorbenen Holzgroßhändlers Döhlmann in der Ersten Wallstraße vorm Holstentor. Konsul Peter gehörte zu den Herren, die in der Stadt »Suitiers« genannt wurden – wie zum Beispiel auch Justus Kröger –, das heißt seine Lebensführung war ein wenig locker. Er war verheiratet und besaß sogar eine kleine Tochter, befand sich aber seit längerer Zeit mit seiner Gattin in Zwietracht und lebte ganz wie ein Junggeselle. Das Vermögen, das sein Vater ihm hinterlassen hatte, dessen Geschäft er sozusagen fortführte, war ziemlich bedeutend gewesen; aber man sagte sich, daß er dennoch vom Kapitale zehre. Er hielt sich meistens im »Klub« oder im Ratskeller auf, um zu frühstücken, ward jeden Morgen um 4 Uhr irgendwo in den Straßen gesehen und unternahm häufig Geschäftsreisen nach Hamburg. Vor allem jedoch war er ein eifriger Theaterliebhaber, versäumte keine Vorstellung und nahm persönliches Interesse an dem ausübenden Personal. Demoiselle Meyer-de la Grange war die letzte der jungen Künstlerinnen, die er in den vergangenen Jahren mit Brillanten ausgezeichnet hatte …
Um zur Sache zu kommen, so sah die junge Dame als Walter Tell – sie trug auch in dieser Rolle ihre Brillantbrosche – ganz allerliebst aus und spielte so rührend, daß dem Schüler Buddenbrook vor innerer Begeisterung die Tränen in die Augen traten, ja daß er sich zu einer Handlungsweise hinreißen ließ, wie sie nur aus einem allzu starken Empfinden hervorgehen kann. In einer Pause nämlich erstand er im gegenübergelegenen Blumenladen für 1 Mark 8½ Schilling ein Bukett, mit welchem dieser vierzehnjährige Knirps mit seiner großen Nase und seinen kleinen tiefliegenden Augen den Weg zum Bühnenraum marschierte und, da niemand ihn aufhielt, vor einer Garderobentür auf Fräulein Meyer-de la Grange stieß, die im Gespräche mit Konsul Peter Döhlmann stand. Der Konsul wäre vor Lachen beinahe gegen die Wand gefallen, als er Christian mit dem Bukett daherkommen sah; der neue Suitier aber machte ernsthaft sein bestes Kompliment vor Walter Tell, überreichte ihm die Blumen, schüttelte langsam den Kopf und sagte in einem Tone, der vor Aufrichtigkeit beinahe bekümmert klang:
»Fräulein, wie schön haben Sie gespielt!«
»Nun seh' mal einer diesen Krischan Buddenbrook!« schrie Konsul Döhlmann mit seiner breiten Aussprache. Fräulein Meyer-de la Grange aber zog die hübschen Brauen empor und fragte:
»Sohn von Konsul Buddenbrook?« Dann streichelte sie ihrem neuen Verehrer mit vielem Wohlwollen die Wange.
Dies war der Tatbestand, den Peter Döhlmann am selben Abend im »Klub« zum besten gab, der mit ungeheurer Schnelligkeit in der Stadt bekannt wurde und sogar dem Schuldirektor zu Ohren kam, der ihn wiederum zum Gegenstande einer Unterredung mit Konsul Buddenbrook machte. Wie faßte dieser die Sache auf? Er war weniger zornig als geradezu überwältigt und geschlagen … Als er der Konsulin Mitteilung machte, saß er beinahe gebrochen im Landschaftszimmer.
»Das ist unser Sohn, so entwickelt er sich …«
»Jean, mein Gott, dein Vater hätte gelacht darüber … Und erzähle es nur Donnerstag bei meinen Eltern, Papa wird sich köstlich amüsieren …«
Hier begehrte der Konsul auf. »Ha! Ja! ich bin überzeugt, daß er sich amüsieren wird, Bethsy! Er wird sich freuen, daß sein leichtfertiges Blut und seine unfrommen Neigungen nicht nur in Justus, dem … Suitier, sondern ersichtlich auch in einem seiner Enkel fortleben … sapperlot, du zwingst mich zu dieser Äußerung! Er geht zu dieser Person! Er gibt sein Taschengeld aus für diese Lorette –! Er weiß es nicht, nein; aber die Neigung zeigt sich! Die Neigung zeigt sich!…«
Ja, das war ein schlimmer Fall; und der Konsul war um so entsetzter, als auch Tony, wie gesagt, sich nicht zum besten betrug. Zwar verzichtete sie mit den Jahren darauf, den bleichen Mann tanzen zu lassen und die Puppenliese zu besuchen; aber sie zeigte eine immer keckere Art, den Kopf in den Nacken zu werfen und äußerte, besonders wenn sie den Sommer draußen bei den Großeltern verlebt hatte, einen argen Hang zu Hoffart und Eitelkeit.
Eines Tages überraschte der Konsul sie mit Verdruß dabei, daß sie gemeinsam mit Mamsell Jungmann Claurens »Mimili« las; er blätterte in dem Bändchen, schwieg und verschloß es auf immer. Kurz darauf kam es an den Tag, daß Tony – Antonie Buddenbrook – ganz allein mit einem Gymnasiasten, einem Freunde ihrer Brüder, vorm Tore spazieren gegangen war. Frau Stuht, dieselbe, die in den ersten Kreisen verkehrte, hatte die beiden erblickt, hatte sich, gelegentlich eines Kleiderankaufes bei Möllendorpfs, darüber geäußert, daß nun wahrhaftig auch Mamsell Buddenbrook schon in die Jahre komme, wo … und Frau Senatorin Möllendorpf hatte in heiterem Tone dem Konsul davon erzählt. Diese Spaziergänge wurden verhindert. Dann aber erwies es sich, daß Mademoiselle Tony aus jenen alten, hohlen Bäumen, gleich hinter dem Burgtore, die nur lückenhaft mit Mörtelmasse gefüllt waren, kleine Korrespondenzen abholte oder daselbst zurückließ, die von ebendemselben Gymnasiasten herrührten oder an ihn gerichtet waren. Als dies am Lichte war, erschien es geboten, die nun fünfzehnjährige Tony in strengere Obhut zu geben, in eine Pension, in diejenige von Fräulein Weichbrodt, am Mühlenbrink Numero 7.
Siebentes Kapitel
Therese Weichbrodt war bucklig, sie war so bucklig, daß sie nicht viel höher war als ein Tisch. Sie war 41 Jahre alt, aber da sie niemals Gewicht auf äußere Wohlgefälligkeit gelegt hatte, so ging sie gekleidet wie eine Dame von 60 bis 70 Jahren. Auf ihren