Es war einmal ein kleines Mädchen .... Brooke Shields
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Sie hatte mich beschäftigt, bis sie schließlich starb. Und nachher offenbar ebenso, weil ich jeden Tag über sie geschrieben habe. Nun aber entfernt sich ihre Stimme langsam.
Als Kind konnte ich mir ein Leben ohne sie nicht vorstellen. Ich stellte mir vor, dass auch ich sterben würde, wenn sie es täte.
Nun bin ich aber immer noch hier, mit meinen beiden eigenen Töchtern. Dieses Buch handelt davon, was vor ihrem Tod passiert ist und was danach.
„Meine Gefühle bezüglich meiner Mutter und unserer Beziehung zueinander sind so verwirrend, dass sie in Klarheit niederzuschreiben heißen würde, ich hätte sie verstanden, was ich aber nicht tue.“
– aus Brookes Tagebuch
Wer war meine Mutter? Ich glaube, dass ich sie besser als irgendwer sonst kannte. Und ich kannte sie eigentlich überhaupt nicht. Ich könnte jetzt einen auf philosophisch machen und sagen, dass sie sich selber nie wirklich gekannt hat, und die Person, die sie erschuf, schließlich zu ihrer Wirklichkeit wurde. Sie sah sich selbst so, wie sie gerne gehabt hätte, dass andere sie wahrnehmen würden, und sie errichtete die notwendigen Barrikaden zwischen ihrem wahren Ich und der Person, die sie darstellte. Sie machte es selbst für ihre Tochter unmöglich, hinter den Vorhang dieses Mythos zu blicken.
Jahrelang dachte ich, sie wäre die stärkste, ehrlichste und unverblümteste Frau überhaupt. Rückblickend wird mir klar, dass sie die aufrichtigste Erzählerin harmloser Schwindeleien war, die ich jemals kennen lernen würde.
Ich verstehe sehr viel von dem, was meine Mutter betrifft, und auch ihr kompliziertes Naturell, aber manche Fakten hatte sie verschleiert oder verdreht. Manche Informationen kamen entweder falsch an oder gingen im Alkohol unter. Und da gab es noch viel Traurigkeit, Schmerz und tiefe Unsicherheit. Ich hatte immer das Gefühl, dass es eine gewisse Bereitschaft, verletzlich zu sein, voraussetzt, wenn man eine Person wirklich kennen will. Verletzlichkeit stellte in den Augen meiner Mutter eine Schwäche dar.
Ich habe mir lange schon die Fragen gestellt: Wie gut kenne ich Mom? Wie gut kennt jeder von uns seine Mutter? Und wie gut kennen unsere Mütter uns? Wie viel von mir macht umgekehrt meine Mutter aus? Muss ich sie besser kennen, um mich selbst zu kennen?
Selbstverständlich gibt es da viel, das man wissen kann. Es gibt Geschichten – jene, die sie mir erzählt hat, und jene, die ich von anderen gehört habe. Und Fotos – so viele Fotos! Sie erzählen ihre ganz eigene Geschichte.
Ich weiß, dass meine Mutter, Theresa Lillian Schmon, in Newark im US-Bundesstaat New Jersey am 11. August 1933 zur Welt kam. Sie hatte einen älteren Bruder und eine jüngere Schwester, die der Augenstern meiner Mutter war. Mom war ein perfektes Beispiel für ein Sandwich-Kind. Sie überwand ihr niedriges Selbstwertgefühl, indem sie rebellierte und ein Wildfang war.
Ich lächle, wenn ich an sie als süßes, aber taffes Kind denke, dessen Einstellung und Humor es zu einer Überlebenskünstlerin machten. Ich bin stolz auf meine Mutter als kleines Mädchen, doch machen mich Gedanken an ihre Kindheit in erster Linie eher traurig.
Nachweislich musste ihre eigene Mutter, die ebenfalls Theresa hieß, aufhören, zur Schule zu gehen, als sie neun Jahre alt war, um sich um ihre drei Geschwister zu kümmern. Die Mutter meiner Großmutter war nämlich gestorben, was sie zu einer Art Ersatzmutter für drei Kinder machte. Später verlor sie ihren Bruder bei einem tragischen Badeunfall in Newark. Ich kann mir die Schuld und die Wut, die sich daraus ergibt, ein Geschwisterchen in so einem zarten Alter und unter meiner Aufsicht zu verlieren, nur ausmalen. Als ich bei der Newark History Society Nachforschungen zu meinem Stammbaum betrieb, fand ich auf Mikrofilm ein Dokument, das belegt, dass der Vater meiner Großmutter neben diesen Kindern auch noch für eine zweite Familie auf der anderen Seite der Stadt aufkam. Ich bin mir nicht sicher, ob meine Großmutter je vom Doppelleben ihres Vaters erfahren hat, aber ich habe so ein Gefühl, demzufolge all diese Umstände sicherlich ihren Tribut gefordert haben müssen. Ihre hartgesottene Persönlichkeit muss darin ihren Ursprung haben. Meine Großmutter war in meinen Augen stets eine kalte Person und gab oft spitze Bemerkungen über meine Mutter ab. Aus irgendeinem Grund lehnte sie sie ab und ich bekam das mit, wenn sie zu Besuch war. Grandma schenkte meiner Mutter nie Anerkennung für die Dinge, die sie von ihr geschenkt bekam, ihrer anderen Tochter aber schon. Ich denke, sie nahm meiner Mom übel, dass sie sie verlassen hatte, anstatt für immer bei ihr zu bleiben und sich um sie zu kümmern. Wenn ich ungezogen war, wenn wir Grandma besuchten, war ihre Vorstellung von einer passenden Beleidigung: „Oh, du bist genau wie deine Mutter!“
Ich nahm das als Kompliment und bedankte mich bei ihr. Sie schimpfte mich dann ein sarkastisches Balg. Eines Tages bat mir Grandma an, mir ihre dritten Zähne zu zeigen. Ich saß auf ihrem Schoß und griff mit meinem Daumen und meinem Zeigefinger ihre Vorderzähne, woraufhin sie meinte, ich solle ziehen. Das tat ich dann und hatte plötzlich ihren Zahnersatz in der Hand. Ich brach daraufhin in Tränen aus und dachte, dass ich ihren Kopf am Kiefer auseinandergerissen hätte. Sie lachte nur wie von Sinnen.
Irgendwann, als meine Großmutter erwachsen geworden war, hatte sich ihr ein Licht am Ende des Tunnels offenbart. Sie hatte John Schmon getroffen und geheiratet. Zusammen hatten sie drei Kinder: Johnny, Louise und meine Mutter, Teri. Ursprünglich schrieb sich der Name meiner Mutter gleich wie der meiner Großmutter, aber sie musste schließlich die Schreibweise ändern, da es in ihrer Mittelschule bereits zu viele Terrys und Theresas gab.
Als Kind war Mom oft alleine und lernte so, recht unabhängig zurechtzukommen. Sie war eine ziemlich süße kleine Brünette mit dunkelbraunen Knopfaugen. Auf Fotos stachen ihre Augen immer heraus, weil sie so dunkel waren. Sie war ein hübsches, albernes und beliebtes Mädchen, das über einen lustigen, ehrlichen Sinn für Humor verfügte. In der ersten Klasse fragte einmal die Lehrerin die Schüler, warum die umliegende Gegend von Newark Ironbound genannt würde. Mom hob ihre Hand und sagte, dass sie so hieße, weil die Leute dort so stark wären!
Moms Vater war Busfahrer. Ihre Mom wiederum arbeitete in einem Donut-Laden. Sie war diejenige, die Creme und Marmelade in die Donuts einfüllte. Offenbar wurde sie aber gefeuert, weil sie zu viel Marmelade einspritzte. Großmutter hatte zwar noch andere Jobs, war aber im Grunde genommen Hausfrau und Mutter. Das war während der Wirtschaftskrise und es war nichts Außergewöhnliches, dass Frauen mehrere Jobs hatten, etwa in Konditoreien oder als Reinigungskraft. Sogar meine Mutter arbeitete von einem sehr jungen Alter an als Putzfrau in Newark.
Mom erzählte mir, dass sie sich vor Ostern einmal ein kleines Küken, das sie in der Auslage eines Spielzeugladens gesehen hatte, gewünscht habe. Das Küken habe nur zwei Cent gekostet, aber ihre Mom habe ihr für so etwas Albernes kein Geld geben wollen. So putzte Mom zwei Wochen lang nach der Schule Häuser, um die zwei Cent selbst zu verdienen. Als sie aber in den Laden ging, um das Küken von ihrem eigenen Geld zu kaufen, war der Preis auf drei Cent angehoben worden, weil nun Ostern unmittelbar vor der Tür stand – und so hatte sie das Küken nie gekriegt.
Sie war immer sehr geistreich und erfinderisch gewesen. Später – sie war ungefähr sieben – verdiente sie sich einen Dollar, indem sie einer Seifenfabrik eine Idee zusandte. Ihre Idee war es, Abziehbilder in die Seife einzuarbeiten, um Kinder zum Baden zu motivieren. Um das nächste lustige Bildchen sehen zu können,