Es begann in der Abbey Road. George Martin
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Allerdings gab es zwei Gründe, warum ich mit den Beatles nach Paris gekommen war, und die standen im Moment ganz oben auf meiner Prioritätenliste. Sie standen vor ihrem ersten Frankreichauftritt im Olympia, und den durfte ich mir auf gar keinen Fall entgehen lassen. Darüber hinaus wollten wir noch schnell eine Platte in dem EMI-Studios Paris aufnehmen.
Ende 1963 hatten wir Großbritannien musikalisch erobert. Nun – wie auch in den USA – versuchten wir den großen Siegeszug auf dem Kontinent fortzusetzen. Die EMI-Vertreter in Deutschland hatte anscheinend ein Anflug von Patriotismus gepackt – wer kann das schon genau wissen –, und sie bestanden auf einer deutschsprachige Single, denn nur so ließen sich angeblich hohe Verkaufszahlen erzielen. Die Jungs hielten das für blanken Unsinn, und auch ich glaubte den deutschen EMI-Managern kein Wort, wollte ihnen aber keinen Anlass geben, einen möglicherweise schlechten Umsatz unserer Starrköpfigkeit zuzuschreiben.
Und so überredete ich John und Paul nach einigen Wortgefechten zu einer Neuaufnahme von „She Loves You“ und „I Want To Hold Your Hand“. Der Text wurde uns freundlicherweise von einem Deutschen übersetzt, der sich bei der Aufnahme blicken ließ, um die korrekte Aussprache zu prüfen. Ich konnte den Akzent nicht einschätzen, merkte aber schnell, dass es sich um eine wortwörtliche Übersetzung handelte. „Sie liebt dich, ja, ja, ja …“ klang in meinen Ohren wie eine für Peter Sellers charakteristische Parodie.
Wir setzen die Aufnahme für einen Tag an, an dem die Beatles nicht für die Olympia-Show proben mussten. Ich fuhr zum Studio, erwartete jedoch nicht, sie dort anzutreffen. Schon damals waren die Beatles kein Musterbeispiel für Pünktlichkeit. Nach einer Stunde Warten entschied ich mich, sie im Hotel anzurufen.
Keiner der vier wollte das Telefonat entgegennehmen. Neil Aspinall, ihr Tourmanager, wurde von ihnen vorgeschickt, um das Gespräch zu führen. Er klärte mich darüber auf, dass sie sich letztendlich gegen die Aufnahme entschlossen hatten und nicht kommen würden. Meine Reaktion als „verärgert“ zu bezeichnen hieße, den Mount Everest als einen mittelgroßen Hügel zu beschreiben. „Du wirst ihnen sagen“, brüllte ich in den Hörer, der vermutlich vor Entsetzen rot anlief, „du wirst denen jetzt sagen, dass ich mich direkt auf den Weg mache, um ihnen meine ungeschminkte Meinung zu verklickern.“
Ich knallte den Hörer auf die Gabel. Es war das erste Mal, dass die Jungs sich gegen mich auflehnten. Es irritierte mich, dass sie nicht den Mut besaßen, es mir direkt ins Gesicht zu sagen. Wutentbrannt raste ich zum Hôtel Georges Cinq, wo sie in einer extravaganten Suite wohnten, und platzte in den Salon der luxuriösen Unterbringung. Ich fühlte mich unmittelbar in eine Szene aus einem Buch von Lewis Carroll versetzt, dem Autor von Alice im Wunderland und Alice hinter den Spiegeln. Es fehlte nur noch das weiße Kaninchen. John, Paul, George, Ringo, Neil Aspinall und Mal Evans, sein Assistent, saßen um einen langen Tisch herum. In ihrer Mitte stand Jane Asher, eine wunderschöne Alice mit langem, goldenem Haar, und goss ihnen Tee ein. Mein plötzliches Auftauchen versetzte die Beatles in Angst und Schrecken. Wie von einem Wirbelsturm gepackt, trieb es sie in alle Richtungen. Die vier versteckten sich hinter dem Sofa, einem Berg aus Kissen und dem Piano – alles, was ihnen Schutz bot.
„Ihr Trottel! Mir ist es egal, ob ihr die Platte aufnehmt oder nicht, aber eure Unhöflichkeit empört mich!“
Einer nach dem anderen streckte den Kopf aus seinem Versteck heraus. Mit ihrem verlegenen Lächeln wirkten die Beatles wie unartige Schuljungen. Wie im Chor murmelten sie gemeinsam ein „Sorry, George“. Wenn die Beatles – wie in diesem Augenblick – ihre charmante Seite hervorkehrten, konnte man ihnen nicht lange böse sein. Innerhalb weniger Minuten hatte ich mich beruhigt und setzte mich in die Runde. Und welche Rolle spielte ich in der modernen Alice-Variation? Vielleicht die des verrückten Hutmachers?
Am nächsten Tag nahmen wir die Stücke auf. Natürlich hatten sie recht gehabt, denn Beatles-Platten in Englisch verkauften sich in allen Ländern millionenfach, und Deutschland stellte da keine Ausnahme dar. In der Zukunft sangen sie nie wieder Songs in einer fremden Sprache ein.
Da wir den amerikanischen Markt geknackt hatten, bestand jetzt keine Notwendigkeit zur Anbiederung mehr. Für mich war es ein weiter Weg gewesen. Er begann in dem Moment, als ich meinen Zeigefinger zum ersten Mal ganz vorsichtig auf das mittlere C der Klaviertastatur legte.
Ich muss ungefähr sechs Jahre alt gewesen sein. Eines Tages stand ein Klavier in unserem Wohnzimmer. Ich verliebte mich augenblicklich in das Instrument und versuchte den schwarzen und weißen Tasten Klänge zu entlocken.
Damals hatte ein Klavier denselben Stellenwert wie heutzutage ein Fernseher. Es war kein Möbelstück, sondern der Mittelpunkt von Familienzusammenkünften. Onkel Cyril, der verantwortungsvoll und gewissenhaft mit den Instrumenten handelte und immer auf Partys spielte, beschaffte uns ein Exemplar.
Zu Weihnachten trafen sich alle Verwandten – es müssen um die 30 Personen gewesen sein – in der Wohnung meiner Großmutter in Holloway, London. Bei den Familientreffen rezitierte sie schreckliche Gedichte, wie zum Beispiel „The Green Eye Of The Little Yellow God“. Meine Onkel standen ihr in nichts nach und sangen Auszüge aus der Operette The Desert Song und ähnlichen Werken. Von den Kindern wurde auch etwas erwartet – eine kleine Tanzaufführung oder der Vortrag eines Gedichts. Schon bald stellte ein kleines Liedchen auf dem Piano meinen Beitrag zu „etwas“ dar.
Meine drei Jahre ältere Schwester Irene erhielt von einer „Tante“ Klavierunterricht – eigentlich war es die Schwester einer Tante –, und ich entschied mich dafür, auch Stunden zu nehmen. Im Alter von acht Jahren hatte ich die Familie von meiner „brauchbaren“ Musikalität überzeugt, obwohl dass keiner von ihnen so recht beurteilen konnte. So begann der Unterricht. Allerdings erhielt ich nur exakt acht Stunden, denn Mum überwarf sich mit dem Lehrer. Erst im Teenageralter durfte ich eine weitergehende Ausbildung genießen.
So war ich zu Beginn meines Lebens als Musiker auf mich allein gestellt, was sicherlich ein recht wackeliger Start war.
Ich wurde 1926 geboren, kurz vor der großen Depression. Die erste Wohnung, an die ich mich erinnern kann, lag in Drayton Park, gegenüber der Sunlight-Wäscherei. Ich nenne die Räumlichkeiten Wohnung, doch im Grunde genommen waren es zwei Räume im obersten Geschoss, direkt unter dem Dachboden. Es gab keine Elektrizität, und wir mussten uns mit zwei Gasleuchten neben dem Kaminsims begnügen. Auch stand uns keine Küche zur Verfügung, sodass meine Mutter auf einem Gasherd im Flur das Essen zubereitete. Und an ein Badezimmer war schon gar nicht zu denken – wir wuschen uns in einer Blechschüssel.
Der einzige Wasseranschluss befand sich in einer Ecke des Treppenhauses, in der ein rundes Steinbecken angebracht worden war, und die einzige Toilette – die wir uns mit drei weiteren Familien teilten – stand im Erdgeschoss. Zumindest mangelte es uns nicht an Möbeln, denn mein Vater arbeitete als Schreiner und fertigte für uns Tische, Anrichten, Schränkchen, Betten und natürlich Spielzeuge für Irene und mich. Doch niemals Stühle! Aus irgendeinem unerfindlichen Grund baute er nie Stühle.
Er war ein großartiger Handwerker und liebte Holz. Ich möchte sein Leben als eine lange, sinnliche „Affäre“ mit dem Werkstoff charakterisieren. Er sah ein Stück Holz, nahm es und verbrachte Stunden damit, mit der Hand darüberzustreichen und das Gefühl zu genießen. Er war ein sehr einfacher, doch talentierter Mann, der mit seinen Händen wahre Wunder bewirkte. Darüber hinaus war er der ehrlichste Mensch, dem ich in meinem Leben begegnet bin. Während der Weltwirtschaftkrise hatte er 18 Monate lang keine Arbeit. Aus der Not heraus verkaufte er schließlich Zeitungen an der Cheapside, in der Innenstadt. Ich sah ihn dort in der eisigen Kälte stehen, und er tat mir unendlich leid.
Ich glaube, dass ihm der Job von Verwandten