Es begann in der Abbey Road. George Martin

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Es begann in der Abbey Road - George Martin

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beim nicht-uniformierten Dienst einstellte, und zwar als „Bürokraft dritten Grades auf Zeit“. Und das bedeutete Teejunge. Das Dienstgebäude lag am Eaton Square. Das Personal behandelte mich freundlich und erlaubte mir sogar, einige Akten zu ordnen – neben der Zubereitung von Tee. Die Abteilung, in der ich arbeitete, beschäftigte sich mit der finanziellen Seite der Kriegsmaschinerie. Sie genehmigten zum Beispiel neue Feldartillerie für ein Regiment oder 15 £ für die Verschönerung der Offiziersmesse.

      Meine Arbeit als heldenhaft zu bezeichnen hieße zu lügen, doch ich hielt es dort acht Monate aus. Eines Tages im Sommer 1943 marschierte ich ins Rekrutierungsbüro im Stadtteil Hither Green, in der Nähe von Bromley, und erklärte dem Offizier, dass ich der Marineluftwaffe beitreten wolle. Sie fragten mich nach meinen Namen, und da ich den korrekt aussprechen konnte, gab es keine Probleme: „In Ordnung. Sie gehören von nun an zu den Streitkräften.“ Ich war 17.

      Ich ging nach Hause und überraschte Mum mit der Nachricht, dass ich von nun an zu den Marinefliegern gehörte. Sie wurde verständlicherweise leichenblass und regte sich ungeheuer auf. „Das darf doch nicht wahr sein!“ Doch es stimmte – ich hatte den Schritt gewagt. Zuerst schickte man mich an Bord der HMS St. Vincent, des Schulschiffs, das bei Gosport vor Anker lag. Während der ersten 18 Monate durfte ich die Basis nicht verlassen, denn die Vorbereitungen für die Invasion in Frankreich liefen schon an, und so riegelte man die gesamte Südküste hermetisch ab. Ich konnte also nicht nach Hause, und meinen Eltern war ein Besuch in Gosport nicht gestattet, aber aus irgendeinem Grund stand einem Treffen in Winchester nichts im Wege. Dort trafen wir uns ungefähr alle drei Monate zu Tee und Gebäck.

      Nach einem Funkkurs in Eastleigh versetzte man mich mit einer ungewöhnlichen Dringlichkeit nach Glasgow, von wo aus es auf die Nieuw Amsterdam ging, ein Kreuzfahrtschiff, das zu einem Truppentransporter umgebaut worden war, mit dem Ziel New York. Das Schiff war – um es vorsichtig auszudrücken – mehr als überfüllt und platzte aus den Nähten. Als klassischen Kreuzer hatte man es für 1.500 Passagiere entworfen, und nun quetschten sich 8.000 Personen an Bord, davon 3.000 deutsche Kriegsgefangene, die nach Kanada gebracht wurden. Sie bedienten uns in den Messen, die vergleichbar mit den Küchen rund um die Uhr geöffnet hatten, und servierten uns vier Gänge pro Mahlzeit. Wir befestigten unsere Hängematten an Deck und „schliefen“ an der frischen Luft. Allerdings war an einen geregelten Schlaf nicht zu denken, denn in der Nacht stand die Schiffsreinigung an. Von Mitternacht bis zum Morgenanbruch schrubbten wir die Decks und die Korridore, wobei ich schnell entdeckte, dass zwei Seifenstücke auf den nassen Planken einen ausgezeichneten Rollschuhersatz darstellten. Wir lieferten uns Rennen entlang der Korridore, wurden aber schließlich erwischt.

      Nach zwei Wochen in dem schwimmenden „Schlaf-Restaurant“ erreichten wir New York und verbrachten eine Woche damit, die unglaublichen Wolkenkratzer zu bestaunen, gefolgt von der Versetzung nach Trinidad, wo wir die Flugausbildung absolvierten. Zum damaligen Zeitpunkt bekleidete ich den Rang eines Leading Naval Airman. Ich hatte die militärische Laufbahn als Naval Airman Second Class begonnen, was meinem Empfinden nach ein wenig den Status einer „Bürokraft dritten Grades auf Zeit“ überragte. Wir verweilten in Trinidad, bis man uns das Fliegerabzeichen übereichte, was mit einer Beförderung zum Marine­unteroffizier einherging.

      Meine erste Flugstunde absolvierte ich in einem Flugboot des Typs Vickers Supermarine Walrus, einem Doppeldecker, der mich bis ins Mark durchschüttelte. Ich war ein wenig verängstigt, da der Flug die schlimmsten Erwartungen zu bestätigen schien. Etwas an meinem schlanken und blassen Erscheinungsbild hatte mich in Gosport zur Zielscheibe unverhohlenen Spotts gemacht. Ich musste mir verschiedene Sticheleien anhören, die nicht sonderlich taktvoll klangen: „Du willst unbedingt zu den Fliegern? Noch nie in so ’nem Ding gesessen, oder? Mann, dir wird da oben kotzübel! Da passieren schreckliche Dinge.“

      Doch schon bald genoss ich das Fliegen, denn es war eine aufregende Angelegenheit, bedenkt man die große Bandbreite verschiedener Flugmaschinen-Typen, denen wir unser Leben anvertrauten. Zudem lernte ich einiges über Zoologie, was an der Namensgebung der Flugzeuge lag. Abgesehen von den Stinson Reliants, einer einmotorigen Maschine mit hoch angebrachten Flügeln, gab es die Walrus, die Grumman Goose (auch ein Flugboot), die Fairey Albacore und die Fairey Swordfish, einen Torpedobomber mit einem Lewis-Maschinengewehr, am hinteren Teil des Rumpfes befestigt.

      Man hatte mich als Beobachter eingeteilt, und in Trinidad übte ich unter anderem den Luftkampf mit den Bordwaffen, denn in meiner Position war ich nicht nur der Captain der Maschine, sondern musste auch alle anderen Anforderungen bewältigen: Funkverkehr, Morsen, Navigation, Bedienung der Maschinengewehre an Bord und zielgenauer Abwurf der Torpedos. In einem Gefecht war der Captain von den Pflichten eines Maschinengewehrschützen entbunden, da es zu den Aufgaben des Funkers/Schützen gehörte, doch für den Fall, dass der Kamerad starb oder verletzt wurde, mussten wir in der Lage sein, diese Position zu besetzen. Der Tod eines Kameraden – kann eine Vorstellung ernüchternder sein?

      Von Trinidad aus kehrten wir zurück nach Greenwich, um einen zweiwöchigen Offizierskurs zu absolvieren, bei dem man uns solch wichtige militärische Details wie das korrekte Halten von Messer und Gabel beibrachte. Bei förmlichen Dinners in der wunderschönen Painted Hall lehrte man uns diesen wichtigen Beitrag zur Kriegsführung – und zwar bei allen Gängen des Menüs!

      Den Lehrauftrag, uns zu wahren Gentlemen zu erziehen, legten unsere Vorgesetzten einem alten Offizier ans Herz, der sich obsessiv mit dem Verdauungstrakt beschäftigte, und um genau zu sein, mit dessen Ende. Er wies uns ständig auf die Wichtigkeit eines regelmäßigen Stuhlgangs hin und die immense Bedeutung eines gesunden Darms. Darin – und davon ließ sich der gute Mann nicht abbringen – lag die Basis guter Gesundheit (was natürlich den Umkehrschluss zuließ, dass ein Officer und Gentleman nicht krank sein durfte). Es ließ sich exzessiv über das Thema aus: „Wenn Ihr Darm funktioniert, wird das Ihr Urteilsvermögen schärfen und begünstigen, meine Herren.“ Glücklicherweise hatte ich niemals Probleme mit dieser „Abteilung“ und konnte mich also sicher und beruhigt fühlen.

      Nach den Lehrstunden zur Etikette und dem angemessenen Verhalten eines Gentlemans teilte man uns in die verschiedenen Dienstgrade ein, was sich für mich als herbe Enttäuschung herausstellte. Alle meine Freunde, mit denen ich die Ausbildung durchlaufen hatte, bekleideten von nun an den Rang eines Sub-Lieutenant zur See, wohingegen man mich aufgrund des Alters lediglich als Seeoffiziersanwärter einstufte. Ärgerlicherweise erhält ein Seeoffiziersanwärter weniger Sold als ein Marineunteroffizier, der ich ja eigentlich schon war. Da unsere Entlohnung bis zum Erhalt des Fliegerabzeichens in Trinidad zurückkorrigiert wurde, erhielten meine Kameraden eine Nachzahlung, und ich musste der Navy die Differenz, also das zu viel gezahlte Geld, zurücküberweisen! Ich empfand das, gelinde ausgedrückt, als große Ungerechtigkeit, denn nun unterstützte ich den Krieg nicht nur physisch, sondern auch finanziell.

      So eine Situation scheint symptomatisch für mein Leben zu sein, denn in solchen Zusammenhängen verliere ich ständig. Als ich die Streifen drei Monate später erhielt, wurmte mich die Angelegenheit immer noch. Von Greenwich aus ging es nach Burscough in Lancashire, wo man uns über das neue Wunder namens Radar aufklärte und wir Barracudas flogen (schon wieder die Zoologie). Es war eine unglaubliche

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