Es begann in der Abbey Road. George Martin

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Es begann in der Abbey Road - George Martin

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Behausung in Acton an. Sie war billig, schrecklich und unser erstes Zuhause.

      Ich studierte drei Jahre lang in Guildhall. Mein Schwerpunkt lag auf der Komposition und den entsprechenden Nebenfächern – Dirigieren und Orchestrieren, Musiktheorie, Harmonielehre, Kontrapunktik und so weiter. Natürlich belegte ich Klavierunterricht, denn für mich stellte die magische Tastatur ein natürliches Ausdrucksmittel dar, doch ich musste ein zweites Instrument erlernen. Man schlug mir vor, ein Blasinstrument auszuwählen.

      Ich ließ die ganze Bandbreite dieser Instrumentengattung vor meinem geistigen Auge Revue passieren und entschied mich schließlich für die Oboe, eine Wahl, für die mehrere Faktoren den Ausschlag gaben. Zuallererst mochte ich die größeren Blechblasinstrumente nicht so sehr. Hinzu kam ein rein ökonomischer Faktor. Da meine drei Jahre schon bald vorüber waren, musste ich mich dringend um Arbeit kümmern. Ich brauchte also ein Instrument, das ich gut genug spielen konnte, um als Profi zu bestehen, und vorzugsweise ein Instrument, bei dem wenig Mitbewerber um eine Anstellung kämpften. Nahezu jeder spielte Klarinette, und so musste ich mich zwischen der Oboe und dem Fagott entscheiden. Die Oboe hatte einige Vorteile: Sie war billiger und weniger unhandlich beim Transport. Zudem gab es damals wenige Musiker, die das Instrument beherrschten, und so bestand einen hohe Wahrscheinlichkeit, dass Orchester mich anstellen würden. Und so wurde es die Oboe – eins der am schwierigsten zu erlernenden Musikinstrumente. Viele bezeichnen es als das „Instrument des bösen Atems“.

      Meine Frau und ich lebten von den jährlich 300 £ Stipendium für verheiratete Studenten, und so versuchte ich ein wenig nebenbei zu verdienen. Ich komponierte kleinere Stücke und spielte an einigen Abenden in der Woche Oboe, obwohl man mich sicherlich niemals als guten Bühnenmusiker bezeichnen konnte. Ich habe einfach nicht die Gabe, vor einem Publikum zu bestehen. Bei Auftritten war ich immer schrecklich aufgeregt. Das hat sich bis heute nicht gelegt. Als ich Eric Cundell damals meine Piano-Partituren vorspielen musste, ängstigte ich mich zu Tode, aber ich kannte ihn zumindest. Die Prüfung im Fach Oboe zählt zu meinen äußerst unangenehmen Erinnerungen. Ich stand vor Terence McDonagh und Peter Graeme, zwei der größten Oboisten in Großbritannien. Nur die beiden und ein völlig verängstigter George Martin hielten sich im Prüfungssaal auf. Die nackte Panik brachte mich so sehr zum Transpirieren, dass der Schweiß die Finger hinab und auf die Ventile lief. Ich konnte die Griffe kaum mehr kontrollieren und hatte das Gefühl, einen lebendigen Aal in den Händen zu halten.

      Egal, als die Zeit gekommen war, Guildhall zu verlassen, musste ich Geld verdienen, und dabei half mir die Oboe. Ich sicherte mir einige Engagements, die jedoch nicht über eine freiberufliche Tätigkeit hinausgingen – und ehrlich gesagt, war ich auch kein guter Oboist. Ich trat mit verschiedenen Bands in Parks auf. Wir standen in Pavillons und spielten vor Reihen älterer Damen, die es sich auf den Liegestühlen bequem gemacht hatten. Doch bei meinen Einsätzen schienen sie sich genötigt zu fühlen, aufzustehen und den Park zu verlassen. Das nehme ich ihnen aber nicht übel! Ich kannte einen Großteil der zu spielenden Musik gar nicht, und wenn man mit schwierigen Abschnitten konfrontiert wird, wie zum Beispiel der Ouvertüre zu Die seidene Leiter mit dem komplizierten Oboe-Teil, fühlte ich mich ziemlich verloren. Für jeden Auftritt erhielt ich 2 £ und 10 Schilling. In meinem Leben als Musiker kam das ungefähr dem Lohn eines Gartengehilfen gleich.

      Ruhm und Glück als Oboist lagen also nicht in erreichbarer Nähe, und so stellte sich schnell heraus, dass ich mir noch einen Job suchen musste. Ich ging also zur BBC Music Library im Yalding House in der Great Portland Street. Um bestimmte Partituren zu prüfen und einzuordnen, wurde ein Mindestmaß an musikalischem Verständnis vorausgesetzt, doch im Grunde genommen unterschied sich die Tätigkeit nicht sonderlich von der eines Büroangestellten – ohne Dienstgrad.

      Dann, im September 1950, nachdem ich schon einige Monate bei der BBC gearbeitet hatte, erhielt ich einen Brief von einem Herrn, der anfragte, ob ich mir eine Anstellung bei ihm vorstellen könne. Es war Oscar Preuss. Ich konnte dem Briefkopf entnehmen, dass er für die EMI tätig war, und zwar bei einer Adresse in der Abbey Road.

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      Da in diesem Buch Musik den Themenschwerpunkt bildet, scheint jetzt die Zeit gekommen, um kurz zu pausieren und Ihnen meine Ansichten und Gefühle zur Musik generell, der Komposition und der Orchestrierung darzulegen.

      Wenn ich Ihnen ein einziges Werk nennen müsste, das mir als Jugendlichem die Musik näherbrachte, würde ich Debussys „Prélude à l’après-midi d’un faune“ antworten. Mit 15 hörte ich in meiner Schulaula eine Aufführung des BBC Symphony Orchestra unter der Leitung von Adrian Boult. Ich konnte kaum glauben, dass Menschen in der Lage waren, so ergreifende, wunderschöne Klänge zu schaffen. Ich beobachtete die Männer im Frack, wie sie manisch mit tierischen Eingeweiden und Rosshaar hantierten und in lustige Instrumente bliesen, an deren Ende ein Holzblättchen angebracht zu sein schien. Die rein mechanischen Vorgänge, die ich beobachtete, standen scheinbar in keiner Beziehung zu dem traumähnlichen Klang. Ich empfand es als pure Magie und fühlte mich vollkommen verzaubert.

      Meine Neugier war geweckt. Ich besorgte mir eine vereinfachte Partitur des Werks, studierte sie und erkannte den Aufbau. Ich sah, welche Melodielinien die Flöten übernahmen und welche die Klarinetten, entdeckte die Stelle, an der das Waldhorn einsetzte. Auch das besondere Sforzando, also die übermäßige Betonung der Streicher, blieb mir nicht verborgen. Ich betrachtete und analysierte die Noten. Heute weiß ich genau, wie die Atmosphäre der Musik erzeugt wird und warum das Werk als so intelligent einzuordnen ist. Trotz des technisch-harmonischen Verständnisses ist es für mich immer noch die magischste und wundervollste Komposition der Musikgeschichte.

      Obwohl ich heutzutage ähnlich aufgebaute Musik komponieren kann, beschäftigte ich mich anfänglich nicht mit solchen Herausforderungen – ganz im Gegensatz zu Debussy. Das wahre Wunder der Musik und der Umsetzung mit einem großen Orchester liegt darin, mit Klängen zu malen. Trotzdem würde kein moderner Künstler, der etwas auf sich hält, den Versuch unternehmen, einen Botticelli zu imitieren. Die klassische Musik war meine erste Liebe, und ich werde oft gefragt, warum ich im Pop-Kontext arbeite. Eine typische Frage lautet: „Lassen Sie sich da nicht zu einer niedrigeren Kunstform herab?“ Die typische Antwort ist ein Nein, und das aus diversen Gründen.

      Mit dem Begriff „Klassik“, so wie er im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet wird, bezeichnet man Musik, die mindestens 50, doch meist mehr als 100 Jahre alt ist. Natürlich gibt es auch die sogenannte zeitgenössische Klassik. Fast alle Hörer empfinden diese Melodien als dissonant. Ich persönlich kenne niemanden außerhalb des Berufs, der solche Werke tatsächlich genießt.

      Doch ich möchte nicht unfair klingen. Die meiste Komponisten „moderner Klassik“ stecken in einer Zwickmühle. Sie dürfen die schon ausgebildeten Stilistiken nicht zitieren, da sonst der Vorwurf erhoben wird, sie seien romantisch-verbrämt, gefühlsduselig oder kopierten ganz einfach oder stählen sogar. Der einzige Ausweg aus dem Dilemma besteht in der Komposition neuer und oft radikaler Klangwelten – und bitte denken Sie daran, dass sogar die Zwölftonmusik mittlerweile ein alter Hut ist und schon als romantisch eingestuft wird. Und so schreiben junge Komponisten Musik, die sich niemand anhören kann, oder in einem nostalgischen Anflug Symphonien im Stil von Brahms. Und worin liegt da noch der Sinn? Die Klassik ist also eine Einbahnstraße, und genau an dem Punkt setzt Popmusik an, da sie die Möglichkeit zur Kreativität bietet.

      Doch nicht nur das! Viele klassische Komponisten sind offensichtlich „populär“ gewesen. Schubert zum Beispiel schrieb Popmusik, da die einfachen Menschen seine Stücke mit viel Freude sangen.

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