Der fünfte Beatle erzählt - Die Autobiografie. Brian Epstein
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Bei meinen Recherchen in New York stellte ich fest, dass es ohne Frage einen typisch amerikanischen Sound gab, der dem Publikum hier zusagte. Wenn man ein gewisses Gespür für diese Dinge hat – und in aller Bescheidenheit glaube ich, das habe ich – dann merkt man so etwas. Einen britischen Hit erkenne ich alle Mal, und im November entwickelte ich ein Gefühl dafür, wie sich ein amerikanischer Hit anhören musste. Dieses ganz spezielle Feeling steckte in „I Want To Hold Your Hand“, da war ich mir sicher. Die Platte würde ganz bestimmt ein Erfolg in den USA werden, wenn vielleicht auch nur ein kleiner.
Aber dennoch sah ich mich bei anderen Firmen um, denn eines hatte ich gelernt: Verlass dich niemals auf nur eine Vertriebsmöglichkeit. Ich lernte Walter Hofer kennen, der seitdem als mein Anwalt in den USA fungiert, aber es geschah noch etwas anderes, was zumindest für den visuellen Durchbruch der Beatles noch entscheidender sein sollte: Ich traf mich mit Ed Sullivan.
Schon fast sofort nach meiner Ankunft in New York hatte sich Sullivans Sender CBS bei mir gemeldet, und wir konnten einen Termin vereinbaren. Tatsächlich kontaktierte mich noch am gleichen Tag ein führender britischer Promoter und bot mir an, die Beatles in der Ed Sullivan Show unterzubringen, aber das lehnte ich ab. Mir ist es lieber, solche Geschäfte direkt zu tätigen, ohne Mittelsmänner; eine Maxime, die sich bewährt hat.
Sullivan und ich trafen uns schließlich in seinem New Yorker Hotel, und ich lernte ihn als einen sehr zugänglichen, aufgeschlossenen Menschen kennen. Nach langer Diskussion einigten wir uns darauf, dass die Beatles in drei Ed Sullivan Shows auftreten sollten, und außerdem vereinbarten wir zwei Auftritte für Gerry And The Pacemakers. Es war der Beginn einer guten Geschäftsbeziehung, aber wir mögen uns auch privat.
Allerdings gab es bei den Deals mit Sullivan noch einige vertragliche Klippen, die wir umschiffen mussten, und es dauerte vier Tage, bis die Angelegenheit in trockenen Tüchern war. Ich bestand darauf, dass die Beatles in jeder der drei Shows als Topstars präsentiert werden sollten. Sullivan sah das nicht recht ein; er spürte zwar, dass die Band von einiger Bedeutung war oder es zumindest bald sein würde, aber dass sie das Größte auf der ganzen Welt sein sollte, das kaufte er mir doch nicht ab. Sein Produzent – inzwischen ein guter Freund von uns beiden – verriet mir später, dass er Sullivan gesagt hatte, eine Top-Platzierung sei „Blödsinn“. Schließlich sei es eine Ewigkeit her, dass eine Pop-Band in den USA wirklich große Erfolge gefeiert hatte, und eine englische schon mal gar nicht.
Aber irgendwie gelang es mir doch, mich durchzusetzen, und ich brachte die entsprechenden Verträge mit nach England.
Nach meiner Rückkehr berichtete ich den Beatles begeistert und aufgeregt von den neuen Entwicklungen. Sie freuten sich vor allem darüber, dass eine der gebuchten Shows im Deauville Hotel in Miami stattfinden sollte und sie daher sicher die Möglichkeit haben würden, ein paar Tage Sonne zu tanken. Tatsächlich waren zunächst ein paar freie Tage in Florida geplant, aber bei ihrer Ankunft in den USA kamen die Dinge dermaßen in Fahrt, dass ich kurzfristig doch noch einem Konzert in der Carnegie Hall und einem weiteren in einer großen Halle in Washington zustimmte, und so fiel der geplante Urlaub am Ende recht kurz aus.
Am 7. Februar landeten die Beatles am Kennedy International Airport, und zehntausend Fans bereiteten ihnen einen sensationellen Empfang.
Während wir darauf warteten, dass die übrigen Fluggäste die Maschine verließen und die vier Beatles das erste Mal einen Fuß auf amerikanischen Boden setzten, brach diese unglaubliche Menschenmenge in wildes Kreischen und Applaudieren aus. Es schien, als sei das ganze Flughafengebäude voller Menschen, und es war einer der aufregendsten und erinnerungswürdigsten Augenblicke in meinem ganzen Leben. Nie zuvor hatte ich irgendwo auf der Welt so viele Fotografen aufgereiht warten sehen, und auch seitdem nicht wieder, außer vielleicht an dem Tag, als die Beatles von der Amerika-Tournee nach England zurückkehrten.
Doch nun folgten uns die Menschenaufläufe, wilde Demonstrationen und dieser phantastische Fan-Gesang „We love you Beatles“ von New York nach Washington. Vor dem Plaza Hotel in New York wogte ein Meer aus Gesichtern. Jede Minute riefen amerikanische DJs an, und die Beatles standen vor Begeisterung und Verblüffung völlig neben sich. Ich hatte eine Suite im zwölften Stock gebucht, und mir schien, als sei der ganze Raum schon in dem Augenblick, da ich eintrat, voller Menschen, die verkaufen und kaufen und mit mir und meinen Beatles Geschäfte machen wollten.
Das war das erste Mal, dass ich diesen telefonischen Ansturm erlebte, der inzwischen in jedem Hotel, in das ich einchecke, Usus ist, wenn ich mit den Beatles unterwegs bin.
Nachdem das Radiointeresse an den Beatles in den USA schon völlig hysterisch und dem Alter der jeweiligen Moderatoren gar nicht recht angemessen schien, verhielt es sich mit der Presse nicht viel anders. In seriösen Zeitungen und Magazinen wurden seitenlange Artikel gedruckt, und Starautoren machten sich daran, den Impuls hinter dem enormen Beatles-Erfolgs genauestens zu erforschen. In der Saturday Evening Post schrieb Vance Packard: „Die Beatles geben sich wohl beraten von Mr. Epstein alle Mühe, die unterbewussten Bedürfnisse von Teenagern anzusprechen. Durch ihr neues Styling sind sie nun keine rauen Burschen mehr, sondern liebenswerte, beinahe knuddelige Kerlchen. Mit ihren kragenlosen Jacken und dem jungenhaften Lächeln ist es ihnen gelungen, in vielen heranwachsenden Mädchen mütterliche Instinkte zu wecken.
Das unterbewusste Bedürfnis, das sie so geschickt bedienen, liegt darin, den heranwachsenden Mädchen einen Weg aus der Realität zu zeigen. In der Dunkelheit im Publikum können sie auf ganz primitive Weise alle Hemmungen ablegen, wenn die Beatles auf der Bühne ihre Musik entfesseln. Sie können sich lösen von der Vernunft und Individualität. Dann greift die Pathologie des Mobs um sich, und für einen Augenblick sehen sich die jungen Frauen von den einengenden Konventionen der Zivilisation befreit.
Die Beatles haben ein besonders Geschick darin entwickelt, den jungen Mädchen diese Fluchtmöglichkeit zu eröffnen. Ihre entspannte, selbstsichere Art, ihr wildes Auftreten, ihr Schreien und Herumspringen und der elektrisch verstärkte Rock’n’Roll, der pulsierend in die Dunkelheit hinausdringt, all das bringt die Mädchen dazu, ebenfalls herumspringen und schreien zu wollen. Die etwas Empfindsameren fallen schnell in Ohnmacht oder verfallen in hysterische Zuckungen. (Ein Grund dafür, weshalb die totalitären Führer Russlands nichts von Rock’n’Roll und Jazz halten, liegt darin, dass diese Musikformen den Menschen eine Möglichkeit bieten, für einen kurzen Augenblick alle Kontrolle fahren zu lassen.)“
In derselben Ausgabe beschrieb der bärtige, engagierte Alfred Aronowitz, der die Beatles von New York nach Miami begleitete, seine ersten Eindrücke: „Zu einer Fanfare aus Kreischen erschienen vier junge Briten in Anzugjacken. Einer war etwas kurz geraten und hatte dicke Lippen. Ein anderer war gut aussehend und hatte Pfirsichhaut. Der dritte hatte ein eher grobes Gesicht und leichte Hasenzähne. Beim vierten sah man, dass er den Pubertätspickeln noch nicht allzu lange entwachsen war. Sie hießen Ringo Starr, Paul McCartney, John Lennon und George Harrison, aber abgesehen von den genannten Eigenschaften waren sie unter ihren langen Haarmähnen kaum voneinander zu unterscheiden.“
Weiter hieß es in seinem Artikel: „Capitol Records, die eine Option auf alle EMI-Erzeugnisse haben, lehnten es ursprünglich ab, die Beatles-Platten in den USA zu veröffentlichen. Seit jedoch diese Erfolgswelle losbrach, hat man nicht nur schnell die Platten auf den Markt gebracht, sondern sogar fünfzigtausend Dollar für eine Werbekampagne spendiert. ‚Sicher ist jede Menge heiße Luft dabei‘, erklärte Voyle Gilmore, der stellvertretende Geschäftsführer von Capitol, ‚aber wenn man ein schlechtes Produkt hat, nützt einem auch die ganze