Der fünfte Beatle erzählt - Die Autobiografie. Brian Epstein
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Die Beatles ruhten sich derweil in ihrer Suite im zwölften Stock aus, während die Telefone unablässig klingelten und nach Interviews und Autogrammen gefragt wurde. Ein Mann rief an, der Beatles-Aschenbecher produzieren wollte, und ein Promoter aus Hawaii wollte die Beatles für ein Konzert buchen. Es gingen zahllose Telegramme ein, und ganze Kartons voller Fan-Post.“
Meine neue amerikanische Sekretärin und ich versuchten, dem unbeschreiblichen Interesse irgendwie zu begegnen, das via Telegramm, Telefon oder auch persönlich zu uns in Hotel drang. Ich konnte gar nicht glauben, was um mich herum passierte. Inzwischen gehört es zum Alltag, aber damals erschien es, als sei die ganze Beatles-Sache beinahe völlig außer Kontrolle geraten.
Es war unmöglich, sich wirklich detailliert um jede einzelne Anfrage zu kümmern, und daran hat sich bis heute nichts geändert. Die ganze Welt will die Beatles, das kann man ohne Übertreibung sagen. Und in Amerika schien es, als wollte jeder Amerikaner die Band. Es war wundervoll aufregend; gleichzeitig war der Druck enorm.
Am Dienstag nach der Ed Sullivan Show fuhren die Beatles mit dem Zug nach Washington, wo ein Auftritt vor achttausend Menschen geplant war. Sie hatten eigentlich fliegen wollen, und das nicht, weil ihnen das Spaß macht, sondern weil es die einzige Möglichkeit ist, um Zeit zu sparen. Aber dann brach ein schwerer Schneesturm los, und aufgrund der Wetterverhältnisse wurde der Flug abgesagt. Daraufhin kam es zu einer sehr beängstigenden Fahrt zum Bahnhof, bei der sich die Band durch hysterische Menschenmengen hindurchkämpfen musste; anschließend versuchten die vier, sich auf dem Weg zu ihrem – und meinem – ersten Besuch der amerikanischen Hauptstadt im Zug ein wenig zu entspannen.
Ich freute mich sehr auf Washington, weil ich hoffte, nach dem sehr jetztzeitigen Beatles-Tumult in New York ein wenig amerikanische Geschichte einsaugen zu können. Wie sich herausstellte, hatten aber weder die Beatles noch ich viel Gelegenheit, etwas von der Stadt zu sehen, denn hier ging es noch wilder zu als in New York, falls das überhaupt möglich war. In der Britischen Botschaft gab Botschafter Sir David Ormsby-Gore, der spätere Lord Harlech, mit seiner charmanten Gattin uns zu Ehren einen Empfang.
Lord und Lady Harlech waren beide ausgesprochen nette Engländer, aber wie es oft so ist, erwiesen sich die Gäste und Freunde der Gastgeber als nicht annähernd so angenehm wie diese selbst, und die Beatles fanden die ganze Veranstaltung grässlich – die Leute, die Atmosphäre und die Haltung, die man ihnen gegenüber an den Tag legte. Seit diesem Tag haben sie jede Einladung dieser Art abgelehnt. Inzwischen wissen sie schließlich genau, wie diese Veranstaltungen ablaufen.
Das verhält sich nämlich so: Zwar werden die Beatles natürlich zunächst einmal eingeladen, um zu sehen und gesehen zu werden, zu hören und gehört zu werden und um anderen Spaß zu bereiten, aber auch selbst welchen zu haben. Es dauert aber nicht lange, und sie werden zu Autogramm-Robotern degradiert und müssen hinnehmen, dass man auf ihre Kosten alle möglichen Späße macht, Beleidigungen äußert oder Forderungen stellt, wobei sich oft gerade jene Briten, die sich für bedeutende Mitglieder der Gesellschaft halten und sich einer herausragenden Bildung und Erziehung rühmen, als ausgesprochen schwierig und unangenehm erweisen.
Bei dem Empfang in der Botschaft wurde Ringo eine Haarsträhne abgeschnitten, und ein rotgesichtiger junger Brite forderte John ohne Umschweife auf: „Unterschreib das mal.“ Als John – meiner Ansicht nach völlig berechtigt – „Nein“ sagte, musste er sich anhören: „Du unterschreibst das jetzt gefälligst, ob dir das passt oder nicht.“
„Oh“, sagte John nur, verließ den Empfang und fuhr ziemlich erzürnt ins Hotel zurück. Ringo, Paul, George und ich blieben noch ein wenig länger, aßen ein paar Häppchen vom Buffet, drängten uns durch die Menschen und gingen schließlich, als der Schreibkrampf der drei so schlimm wurde, dass sie keinen Stift mehr halten konnten. Lord und Lady Harlech bedauerten das sehr und sagten das auch der britischen Presse, die dieses Ereignis auf alle Titelseiten hob.
Gut, so hatten wir uns also vielleicht bei der Britischen Botschaft unbeliebt gemacht, aber zur gleichen Zeit gewannen wir Millionen neuer Freunde durch die wilde Hysterie der amerikanischen Radiosender. Ich war überwältigt von der auf Hochdruck arbeitenden Werbemaschinerie der Amerikaner, und von den Kniffen, die sie nutzen, um an neue Nachrichten, Interviews und Mitschnitte heranzukommen.
Dabei kann ich nicht sagen, dass ich diese Mechanismen bewunderte – sie stellten eher eine Art Urgewalt dar, die einfach vorhanden und auf ihre eigene Art auch recht faszinierend war. Seit dieser Reise gab es verschiedene Versuche, Interviews auf Langspielplatten zu pressen – illegale Produkte, gegen die unsere Anwälte vehement vorgehen – und es war spannend zu sehen, dass selbst unser Roadmanager, die Transportkräfte und alle anderen, die irgendetwas mit den Beatles zu tun hatten, von den Radiomoderatoren umlagert wurden und schließlich in Interviews ihre Ansichten zum Besten gaben. Das ist offenbar eine typische Spielart der Beatlemania, dass es die eigene Person enorm aufwertet, wenn man einen wie auch immer gearteten Kontakt zu jemandem hat, der die Beatles kennt. Einer meiner Büroangestellten sagte mir, sein Vater sei um ein Autogramm gebeten worden, und zwar nicht um eines der Beatles, sondern um sein eigenes, als der Vater eines Mannes, der mit den Beatles zu tun hat. Anstrengend, keine Frage, aber in dem ungewöhnlichen Kontext der Beatles inzwischen ganz normal.
Amerika erteilte den Beatles eine Lektion: Wenn sie es irgendwie vermeiden können, werden sie sich nicht wieder derart ausnutzen lassen, und wenn es denn doch nicht anders geht, dann versuchen sie zumindest, solche Promogeschichten möglichst schnell hinter sich zu bringen. Auf dieser ersten Amerika-Tournee schoben die DJs – die Volkshelden der Radiowellen – sie von einem Mikrofon zum anderen.
Damals waren die Beatles und die Roadmanager leicht dafür zu gewinnen, auf eine simple Bitte hin ohne Vertrag oder dergleichen alles Mögliche ins Mikrofon zu sprechen. Paul sagte: „Hört Radiosendung 1-2-3, die ist das Größte“, und John sagte „Hört Radiosendung 4-5-6, die ist das Heißeste“, und Malcolm Evans, der Roadmanager, machte es genauso. Bei vier starken, temperamentvollen Persönlichkeiten wie den Beatles und den aufgeschlossenen jungen Männern, die sie umgaben, war es so nicht einfach, ein Gefühl dafür zu vermitteln, dass sie letztlich für kommerzielle Unternehmen warben: zum einen ohne jegliche finanzielle Gegenleistung, zum anderen auch ohne Planung und Berücksichtigung der Konsequenzen.
Die DJs hatten natürlich eine großartige Zeit, aber nach ein paar Tagen musste ich ein Machtwort sprechen. Die Beatles hörten auf meine Warnung, und inzwischen weigern sie sich von sich aus, Werbung für irgendwen zu machen oder ein Produkt gegenüber einem anderen hervorzuheben, ob es sich nun um einen kommerziellen Radiosender handelt oder um einen Luftballon. Es ist außergewöhnlich, dass die Beatles so lange auf diese Maschen hereinfielen, aber schließlich spielt das Werben und Verkaufen in Amerika eine enorm große Rolle, und damals war der Widerstand der Gruppe dagegen noch nicht sehr ausgeprägt. Das hat sich grundsätzlich geändert, und das ist auch sehr gut so, denn inzwischen will die ganze Welt den Beatles ständig irgendetwas verkaufen, und die Produkte sind nicht immer die besten.
Wenn man sich der Aufgabe verschrieben hat, das Leben von Pop-Künstlern zu organisieren und ihre Karrieren zu planen, dann liegt eines der Probleme darin, das Interesse aufrecht zu erhalten, wenn die Musiker selbst nicht im Lande sind oder gerade nicht persönlich im Fernsehen oder im Radio erscheinen können. Es ist nicht so einfach, die Plattenverkäufe weiter anzukurbeln, wenn es keine persönlichen Auftritte gibt.