Der fünfte Beatle erzählt - Die Autobiografie. Brian Epstein
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Meine Familie kehrte 1943 nach Childwall zurück, nachdem die Bombenangriffe einstweilen vorüber waren. Daher musste ich auch die Schule in Southport verlassen, und nach einer Beurteilung durch den Direktor wurde ich am Liverpool College als ein Schüler aufgenommen, von dem man sich keine großartigen Leistungen versprach.
In dieser Hinsicht sollte ich die strengen und aufrechten Männer, die diese unbedeutende Privatschule beherrschten, nicht enttäuschen, denn ich wurde, wie gesagt, der Schule verwiesen. Schulverweis ist ein hässliches Wort, und ich hatte bis dahin geglaubt, dass so etwas nur Jungen passierte, die andere quälten oder die logen, so wie Flashman in Tom Browns Schuljahre, einem finsteren Buch von Thomas Hughes, das ich ohne große Begeisterung gelesen hatte.
Aber ich war keiner dieser Quälgeister, dazu war ich viel zu schmächtig und feige. Ich war auch kein Dieb, denn meine Eltern gaben mir fast alles, was ich wollte – vielleicht sogar ein bisschen mehr, als nötig gewesen wäre. Und zum Lügen hatte ich wenig Gelegenheit, weil ich sowieso nur selten etwas sagte.
Ich verließ das Liverpool College ohne Bedauern.
Eine Erfahrung, die ich dort machte und die sich an anderen Schulen wiederholte, teilweise auch später noch, war Antisemitismus. Auch heute begegnet er mir hin und wieder in den verschiedensten Formen. Inzwischen macht es mir nichts mehr aus, aber in meinen jungen Jahren litt ich sehr darunter.
Zwar nahm ich selbst meinen Rauswurf auf die leichte Schulter, aber dennoch musste es mit meiner Schulbildung ja irgendwie weitergehen. Meine Eltern wussten bald allerdings nicht mehr, wie. Mein Vater, eine eher unkomplizierte Persönlichkeit, hatte selbst eine sehr solide, erfolgreiche Laufbahn an einer höheren Schule absolviert, und es fiel ihm schwer zu begreifen, wieso ich mich so schwer tat.
Eines war klar: Ein Junge, der vom Liverpool College geflogen war, konnte nicht erwarten, am Liverpool Collegiate, der alten Alma Mater meines Vaters, mit offenen Armen aufgenommen zu werden, ebenso wenig wie an der anderen etablierten Schule der Stadt, dem Liverpool Institute (an dem es viele Jahre später zwei der Beatles mit der höheren Bildung versuchten). Gute Schulen reißen sich nicht um gescheiterte Privatschulzöglinge.
Also kam ich auf eine Privatschule, an der die Mentoren keine Fragen stellten und von der mich meine Eltern schon nach kurzer Zeit wieder abmeldeten, weil der Unterricht absolut nicht zufriedenstellend war. Die Schule war so schlecht, dass sie sich schließlich dazu durchrangen, mich auf ein Internat zu schicken, auch wenn ihnen die Trennung von mir sehr schwer fiel – in Liverpool wussten sie und jene, bei denen sie um Rat fragten, keine Schulen mehr, die infrage gekommen wären.
Nun … wenn man vor Problemen steht, besinnt man sich gern auf die vertraute Religion. Und so wurde ich mit meinem Ranzen und jeder Menge guter Ratschläge auf eine jüdische Schule bei Tunbridge Wells verfrachtet, die „Beaconsfield“ hieß. Dort gefiel es mir ein wenig besser, und ich widmete mich dem Reiten und der Kunst, worin ich bald recht gut wurde. Allmählich söhnte ich mich ein wenig aus mit der Welt, und ich freundete mich mit einem kleinen Pferdchen namens Amber an, das sich gut mit jüdischen Jungen vertrug.
Doch dann, als ich dreizehn wurde, musste ich mich für die weiterführenden Privatschulen bewerben, und hier versagte ich völlig.
Inzwischen hatte ich eine klare Abneigung für jegliche Form von herkömmlicher Erziehung entwickelt. Ich war schlecht in Mathematik und allen Naturwissenschaften. Zu den Männern, die mich unterrichteten, hatte ich keine Beziehung, und ich hatte auch nicht das Gefühl, dass sie Verständnis für meine Schwierigkeiten aufbrachten. Ich absolvierte reihenweise Prüfungen und Vorstellungsgespräche, aber eine renommierte Privatschule nach der anderen lehnte mich ab, von Rugby, Repton, Clifton bis zu vielen anderen.
Also standen meine Eltern wieder vor dem Problem, mich zumindest solange an irgendeiner Schule unterzubringen, bis ich über das schulpflichtige Alter hinaus war. Sie lösten es wie viele geduldige Altvordere vor ihnen, indem sie mich an eines jener großzügigen Institute schickten, an denen gescheiterte Existenzen zwar auch nicht akzeptiert, aber zumindest aufgenommen werden, um dort bis zum Erreichen des Mannesalters einen gewissen geschützten Raum zu finden.
Die besagte Institution befand sich in Dorset. Dort hatte man sich besonders auf Sport verlegt, und ich spielte gezwungenermaßen und nicht besonders gut Rugby, aber ich ertrug das mit stoischer Ruhe, um an den Abenden meinem Interesse für Design und Farben nachzugehen. Kunst wurde damals nicht als angemessene Beschäftigung für einen anständigen Sohn einer ordentlichen englischen Familie betrachtet, aber es war das einzige in meiner kleinen Welt, wofür ich mich begeisterte. Und es war auch das einzige, worin ich wirklich gut war.
Währenddessen war in Liverpool Epstein senior, damals wie heute ein stolzer Bürger und Vater, brieflich wie mündlich damit beschäftigt, auf irgendeine Weise doch noch eine gute Schule für seinen Filius zu finden, bevor es zu spät war.
Es gelang ihm schließlich, und im Herbst 1948, kurz nach meinem vierzehnten Geburtstag, riefen mich meine Eltern und mein Bruder in Dorset an und sagten mir, dass ich auf das Wrekin College in Shropshire kommen sollte, eine bekannte Privatschule, die in dem Ruf stand, leitende Geschäftsleute und erfolgreiche Führungspersönlichkeiten in verschiedensten Gebieten hervorgebracht zu haben, wenngleich sie nicht unbedingt auf einer Stufe mit Eton oder Harrow stand.
Aber die Vorstellung spartanischer Strenge verlockte mich recht wenig, und so erwiderte ich nichts weiter als „oh“, als man mir die frohe Kunde überbrachte. Ende des Jahres schrieb ich voll düsterem Pessimismus: „Und jetzt geht es ans verhasste Wrekin. Ich gehe nur, weil meine Eltern das so wollen … es ist sehr schade, weil das letzte Jahr für mich sehr gut gelaufen ist. Viele neue Ideen. Etwas mehr Beliebtheit.“
Wenig später schrieb ich, worüber ich rückblickend beinahe ein wenig lächeln muss: „Vor meinem ersten Tag am Wrekin verbrachten wir einen Tag in Sheffield, der Heimatstadt meiner Mutter. Ich hatte erwartet, dass wir ins Grand gehen würden, aber leider war das nicht der Fall.“
Das Grand ist ein großes, teures Hotel – das größte in Sheffield. Es ist schon seltsam, dass ich sogar schon damals meine Enttäuschung darüber äußerte, dass wir nicht in einer noblen Unterkunft abstiegen. Heute geht es mir immer noch ähnlich, wenn auch in einem größeren und wesentlich teurerem Rahmen – ich gebe mich nicht gern mit etwas anderem als dem Besten zufrieden, und vielleicht ist es diese Neigung zu Superlativen, die mich als Geschäftsmann antreibt und mich immer wieder dazu drängt, etwas Neues in Angriff zu nehmen.
Also ging ich nun eine Weile aufs Wrekin. Ich mochte die Schule genauso wenig wie sie mich, und in meinen Zeugnissen stand: „Könnte bessere Leistungen zeigen“ oder „hat sich in diesem Semester nicht genügend angestrengt“, und ich vermute, das stimmte auch. Außer in zwei Bereichen: Ich war ein guter Maler und ein ganz ordentlicher Amateurschauspieler. Ich trat in den typischen Schul-Einaktern auf und stellte fest, dass es mir Spaß machte, auf der Bühne zu stehen.
In Kunst war ich Klassenbester, und das machte mich froh, denn obwohl ich mir hatte eingestehen müssen, dass ich in einer ganzen Reihe von Fächern versagt hatte, wollte ich doch zumindest irgendwo ganz oben stehen. Und aufgrund meines Talents mit Zeichenstift und Papier schrieb ich mit sechzehn, kurz bevor die nächsten Prüfungen anstanden, nach Hause und bat darum, die Schule verlassen zu dürfen, um Modedesigner zu werden.
Das führte zu heftigen Verstimmungen. Die Lehrer am Wrekin waren natürlich der Meinung, dass es selbstmörderisch sei, die Schullaufbahn ohne irgendeine Art von Abschluss zu beenden, und ihrer Meinung nach war so etwas wie Modedesign auch nichts für Männer.
Mein