Der fünfte Beatle erzählt - Die Autobiografie. Brian Epstein

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Der fünfte Beatle erzählt - Die Autobiografie - Brian Epstein

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– auch wenn die DJs mir das versprachen und sagten, die Beatles seien schlicht so gut, dass sie ihre Platten natürlich trotzdem spielen und bewerben würden.

      Ich hätte mir keine Sorgen machen müssen. Als „Can’t Buy Me Love“ in den USA erschien, kam der Titel sofort auf Platz 1 und überflügelte dabei fünf andere Beatles-Songs, die bis dahin die vorderen Positionen belegt hatten. Eine einzige Band auf den ersten sechs Chartplätzen! Als wir die USA bei unserem zweiten Besuch diesmal von der anderen Seite aufrollten und in San Francisco ankamen, wussten wir, dass die Beatles eine Sensation geworden waren. Das war gleichzeitig auch eine Herausforderung und Verantwortung, die ein wenig beängstigend war. Wie wir erfuhren, plante man uns zu Ehren eine Konfettikanonade, und die Beatles – allesamt eher zurückhaltende Menschen, die sich eine stille Bescheidenheit erhalten haben – fragten sich, ob das für sie das Richtige war.

      Wir beschlossen, uns immerhin auf eine Cabriofahrt durch diese wunderschöne Stadt einzulassen, denn schließlich war das hier alles Showbusiness und gehörte dazu.

      Wenn wir heute auf all die Geschehnisse seit November 1962 zurückblicken, dann sind es die Ereignisse auf der ersten Amerika-Tournee, die alles andere in den Schatten stellen. Seitdem hat es zwar sehr viele andere wichtige Augenblicke gegeben, wie vor allem die Premiere des ersten Beatles-Films in Anwesenheit von Prinzessin Margaret im Juli 1964 in London, und auch die Tour durch Australien und Asien war hinsichtlich der Menschenmassen noch wilder und überwältigender als der Empfang in Amerika. Aber dennoch haben die USA etwas an sich, das alle anderen Länder in praktisch jeder Hinsicht übertrifft.

      Wir wussten, in Amerika würde es sich entscheiden, ob die Beatles zu Weltstars aufsteigen würden oder nicht.

      Wie sich herausstellen sollte, taten sie es.

      Als ich zehn war, flog ich vom Liverpool College. Meine Eltern fanden das zwar ganz und gar nicht witzig, aber ich selbst machte mir in diesem Alter überhaupt keine Sorgen, denn das Liverpool College war ja nicht die einzige Schule auf der Welt, und ganz bestimmt war es auch nicht die beste.

      Der Grund für meinen Rauswurf lautete „Unaufmerksamkeit und fortgesetztes Nichterreichen des Klassenziels“. Meine Eltern wurden in die Schule bestellt, und dann zählte ihnen der Schulleiter, wie solche Leute es ja gern tun, meine Verfehlungen auf, als seien es Schwerverbrechen.

      Der Rektor erklärte, es habe keinen Sinn, dass ich länger an einer Schule blieb, auf die ich offenbar kein bisschen stolz war, und dann zog er als endgültigen Beweis meiner Unwürdigkeit den Entwurf eines Theaterprogramms hervor, das ich im Mathematikunterricht gezeichnet hatte. Es zeigte eine Reihe von Tänzerinnen und war für einen Zehnjährigen eine recht annehmbare künstlerische Leistung, auch wenn sie nichts mit Mathematik zu tun hatte.

      Als ich erwischt worden war, hatte der Mathematiklehrer meine Kreativität und Phantasie meiner Meinung nach ziemlich wenig zu würdigen gewusst. „Was ist denn das für ein armseliger Quatsch, Epstein?“, donnerte er, und ich antwortete: „Ein Programmentwurf, Sir.“

      „Quatsch, grobe Schmiererei und Mädchen“, schnaubte er und warf mich aus dem Klassenraum. Es war der erste von vielen Ausflügen auf den Korridor, und sie ergaben eine Reise, an deren Ende ich auf dem heimischen Sofa ankam, wo ich meinem Vater gegenübersaß, der mit Fassungslosigkeit und schwindender Geduld erklärte: „Ich weiß einfach nicht, was wir mit dir anfangen sollen.“

      Das wusste ich auch nicht, und es dauerte weitere fünfzehn Jahre, bis ich Anlass zu der Hoffnung gab, dass aus mir doch noch etwas werden könnte. Wahrscheinlich war ich einer der größten Spätentwickler aller Zeiten, denn erst mit Mitte zwanzig zeichnete sich so etwas wie eine Struktur oder ein Ziel in meinem Leben ab. Hätte Keats so lange gewartet wie ich, hätte er vor seinem Tod nicht mehr als eine Handvoll Gedichte zustande gebracht.

      Meine Eltern waren während meiner Schulzeit oft sehr verzweifelt, und das kann ich ihnen nicht verdenken, denn ich war stets einer dieser Jungen, die nirgendwo so richtig hineinpassen. Die herumgeschubst, schlecht gemacht und gequält werden und die weder bei ihren Mitschülern noch bei den Lehrern beliebt sind.

      Mit zehn Jahren war ich schon auf drei Schulen gewesen und hatte mich auf keiner davon wohl gefühlt.

      Ich bin der älteste Sohn, eine Position, der in einer jüdischen Familie eine heilige Bedeutung zukommt, und dementsprechend hoch waren die Erwartungen, die auf mir lasteten. Mein Vater Harry, der Sohn eines polnischen Einwanderers, hätte sich natürlich gewünscht, dass ich mich als würdiger Erbe des Familienunternehmens erweisen würde, aber leider konnte er dafür kaum Anzeichen entdecken, abgesehen von meiner Loyalität gegenüber der Familie, die dank der Unerschütterlichkeit meiner Eltern heute noch Bestand hat.

      Ich kam am 19. September 1934 in einem Entbindungsheim in der Rodney Street in Liverpool zur Welt – einer breiten und recht großartigen Straße, flankiert von hohen, alten Häusern, an deren Eingängen Messingschilder gelehrte Namen verkünden. Einen besseren Start ins Leben kann man in einer Stadt wie Liverpool, die in konventioneller Hinsicht nicht wirklich schön zu nennen ist, kaum bekommen.

      Meine Mutter Queenie, immer noch die wunderbarste Frau, die ich kenne, war enorm stolz darauf, dass ihr erstes Kind ein Junge war, und als einundzwanzig Monate später mein Bruder Clive zur Welt kam, waren die Epsteins eine sehr glückliche und viel versprechende kleine Familie.

      Heute, dreißig Jahre später, ist das auch wieder so, aber dazwischen lange Tage voller Missverständnisse und Spannungen, bis wir als Familie wieder zusammenfanden. Ich war nicht der beste Sohn, dafür aber sicher der schlechteste Schüler.

      Meine erste Bildung erhielt ich in einem Kindergarten in Liverpool, wo ich mit einem Hämmerchen Holzfiguren durch ein Stück Sperrholz trieb und mich dabei ziemlich ungeschickt anstellte. Ich baute Modelle aus Pappe, die nicht hielten. Schließlich lernte ich ohne große Begeisterung lesen und schreiben.

      Als ich sechs war, unternahm Hitler, der sich damals allgemein schon ziemlich unbeliebt gemacht hatte, einen konzentrierten Versuch, Liverpool in Schutt und Asche zu legen, und obwohl wir ein paar Kilometer von den Häfen entfernt wohnten, auf die sich die Angriffe konzentrierten, galt unser Vorort Childwall nicht mehr als sicher. Tausende von Kindern wurden aufs Land verschickt und von ihren Eltern getrennt, während andere Familien beschlossen, ihre Häuser in der Stadt einstweilen aufzugeben und sich auf die sichere Wirral-Halbinsel zu begeben oder an der Küste hinauf nach Southport zu ziehen, wo es ebenfalls eine größere jüdische Gemeinde gab.

      Mein Vater entschied sich für Southport, und wir blieben dort, bis die Bombenangriffe vorüber waren. Ich kam aufs Southport College und machte dort meine ersten noch ungelenken Erfahrungen mit Kunst und Design, die mir sehr viel Spaß machten. Herausgerissen aus der schützenden Umgebung eines Kindergartens, kam ich hier aber auch zum ersten Mal mit der mir völlig fremden Disziplinvorstellung der Lehrer in Kontakt, denen es vor allem darum ging, zukünftige Stipendiaten ausfindig zu machen, und ich merkte schnell, dass ich, der wenig Genialität erkennen ließ und auch keine bestechende Persönlichkeit besaß, nicht besonders beliebt war.

      Ein kleines Kind in einer intakten Familie weiß nicht viel von Beliebtheit oder überhaupt von Beziehungsgeflechten. Es hat seine Eltern, die es lieben, und das ist alles. Aber als Heranwachsender merkte ich, dass es mir nicht leicht fiel, Freundschaften zu knüpfen. Heute bin ich auch noch nicht richtig gut darin, aber inzwischen ist es doch etwas einfacher geworden, weil ich vermutlich ein netterer Mensch bin als früher. Und dann gibt es natürlich noch einen anderen bestimmenden Faktor im Kontakt zu anderen Menschen – ich verfüge über ein gewisses Maß dessen, was man in Ermangelung eines anderen Wortes als Macht bezeichnen könnte.

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