Gesammelte Werke. Aristoteles
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Auch der Freund im Unterschied von dem Schmeichler scheint einen Beweis dafür zu liefern, daß die Lust nichts gutes ist oder es ihrer verschiedene Arten gibt. Der Verkehr des Freundes mit uns scheint auf das Gute abzuzielen, der des Schmeichlers auf die Lust, und diesen tadelt man, (1174a) jenem spendet man wegen der Verschiedenheit seiner Absicht Lob. – Auch möchte niemand leben, wenn er immer nur den Verstand eines Kindes haben und alles was den Kindern Freude macht im höchsten Maße genießen sollte; und niemand möchte eine Freude haben um den Preis einer sehr schimpflichen Handlung, auch wenn ihm aus derselben niemals eine Unlust erwachsen sollte. – Auch liegt uns manches sehr am Herzen, das für uns keine Lust im Gefolge hat, wie Sehen, Gedenken, Wissen, Tugenden Haben. Führen diese Dinge notwendig einen Genuß und eine Befriedigung mit sich, so trägt das nichts aus. Denn wir würden sie auch dann begehren, wenn keine Lust aus ihnen flösse.
So könnte es also erwiesen scheinen, daß die Lust weder ein Gut, noch jede Lust begehrenswert ist, und daß einige Lüste an sich begehrenswert sind, die sich von den anderen der Art oder dem Ursprung nach unterschieden.
Dies möge bezüglich der über Lust und Unlust bestehenden Meinungen genügen.
Drittes Kapitel.
Was sie wirklich ist oder wie sie ist, mag deutlicher werden, wenn wir die Frage wieder von vorne aufnehmen. Der Akt des Sehens scheint in jedem Zeitmoment vollendet zu sein, sofern ihm nichts abgeht, was noch nachträglich hinzukommen müßte, um seiner Form die letzte Vollendung zu geben. Ihm ist nun die Lust ähnlich. Sie ist ein Ganzes, und es läßt sich in keinem Zeitmoment eine Lust aufweisen, deren Form durch die Verlängerung ihrer Dauer erst vollendet würde. Eben deshalb ist sie auch keine Bewegung. Jede Bewegung geschieht in einer Zeit und hat ein Ziel. So vollendet z. B. die Baukunst ihr Werk, wenn sie das, worauf sie abzielt, zustande gebracht hat, also entweder in der ganzen Zeit oder ihrem letzten Moment. Aber die Bewegungen in den einzelnen Zeitteilen sind alle unvollendet und von der ganzen Bewegung und von einander der Art nach verschieden. Die Zusammenfügung der Steine ist der Art nach verschieden von der Kannelierung der Säulen und beide wieder von der Erbauung des Tempels. Diese Herstellung des Tempels ist ein vollkommenes Werden, weil für den fraglichen Zweck weiter nichts mehr erfordert wird. Dagegen die Herstellung des Fundamentes und des Dreischlitzes über dem Architrav ist als bloße Herstellung eines Teils ein unvollkommenes Werden. Wir haben hier also der Art nach verschiedene Bewegungen, und man kann in keiner Zeit eine ihrer Form nach vollendete Bewegung aufweisen außer in der ganzen Zeit, die die jedesmalige Herstellung beansprucht. Ebenso ist es mit dem Gehen und den anderen Arten der Fortbewegung. Wenn die örtliche Bewegung eine Bewegung von irgendwoher nach irgendwohin ist, so umfaßt sie auch spezifische Unterschiede, das Fliegen, Gehen, Springen und dergleichen. Aber der Unterschied tritt nicht blos in diesem Sinne auf, er findet sich auch im Gehen selbst. Denn der Ausgangs- und der Endpunkt ist nicht derselbe bei einem Stadium und bei einem Stück davon, und wieder bei diesem Stück und bei jenem; und ebenso ist es nicht dasselbe, wenn man diese und wenn man jene Linie (1174b) durchläuft; man geht ja nicht blos in einer Linie, sondern dieselbe hat auch die Eigenschaft, an einem bestimmten Orte zu sein, die eine an diesem, die andere an jenem. Genauer ist nun von der Bewegung anderswo gehandelt worden277, hieher gehört nur soviel, daß sie nicht in der ganzen Zeit vollendet zu sein scheint; vielmehr sind die meisten Bewegungen unvollendet und der Art nach verschieden, wenn anders der Ausgangs- und Zielpunkt artbildend ist. Dagegen ist die Art und somit auch die Form der Lust jederzeit vollendet, und so wird klar, daß sie von der Bewegung verschieden und ein Ganzes und Vollendetes ist.
Das Gleiche erhellt daraus, daß eine Bewegung, die in keiner Zeit geschähe, nicht möglich ist, wohl aber ein Lustgefühl. Denn das Gefühl, das man in einem Moment hat, ist ein Ganzes. Man sieht hieraus, daß man die Lust mit Unrecht für eine Bewegung oder ein Werden ausgibt. Denn diese Begriffe werden nicht auf alles angewandt, sondern nur auf das, was teilbar und kein Ganzes ist. Der Akt des Sehens, der Punkt, die Einheit hat kein Werden und ist kein Werden und keine Bewegung. Und so hat auch die Lust kein Werden, da sie ein unteilbares Ganze ist.
Viertes Kapitel.
Da jeder Sinn sich mit bezug auf sein Objekt betätigt278, und zwar vollkommen dann, wenn er selbst in guter Verfassung und sein Objekt das schönste und angemessenste ist, das er wahrnehmen kann – so etwas ist doch wohl wesentlich die vollkommene Tätigkeit; ob wir aber sagen, der Sinn sei tätig oder das Wesen, das ihn hat, steht uns gleich –, so ist also bei aller Tätigkeit diejenige die beste, bei der das Tätige in bester Verfassung und das Objekt das Vollkommenste ist, das in den Bereich der betreffenden Tätigkeit fällt. Diese beste Tätigkeit muß wie die vollkommenste so auch die genußreichste sein. Jeder Sinn hat nämlich seine Lust, und ebenso gibt es eine Lust des Denkens und Betrachtens, und die höchste Lust liegt in der vollkommensten Tätigkeit, und am vollkommensten ist die Tätigkeit eines in guter Verfassung befindlichen Tätigen gegenüber seinem vornehmsten Gegenstand. Die Lust ist demnach der Tätigkeit Vollendung. Freilich bringt die Lust die Vollendung nicht in dem Sinne, wie die letztere unter den erforderlichen Bedingungen von dem Objekte und den Sinnen kommt, wie ja auch die Gesundheit nicht in demselben Sinne Ursache des Gesundseins ist wie der Arzt.
Daß aber jeder Sinn seine Lust hat, ist klar. Wir nennen ja Gesichts- und Gehörswahrnehmungen lustbringend. Klar ist auch, daß die Lust am größten ist, wenn der Sinn die beste Verfassung hat und sich gegenüber einem Objekt der besten Art betätigt. Entsprechen das wahrgenommene Objekt und das wahrnehmende Subjekt diesen Bedingungen, so wird sich immer Lust einstellen; denn dann ist ebensowohl was sie hervorrufen als was sie empfinden kann, vorhanden. Jedoch vollendet die Lust die Tätigkeit nicht wie eine habituelle Form, sondern wie etwas, was zur Form hinzutritt, wie die Schönheit sich im Gefolge der vollkommenen körperlichen Entwickelung einstellt. So lange nun das geistig gedachte oder sinnlich wahrgenommene Objekt in der erforderlichen Verfassung bleibt und das sinnlich unterscheidende oder verständig denkende Subjekt (1175a) desgleichen, so lange wird die Tätigkeit mit Lust verpaart sein. Denn so lange Leidendes und Tätiges sich gleich bleiben und sich gleichmäßig zu einander verhalten, erfolgt naturgemäß die gleiche Wirkung.
Wie kommt es nun, daß niemand beständig Lust empfindet? Nicht etwa von der Ermüdung? Kein menschliches Vermögen kann ja beständig tätig sein, und so bleibt denn auch die Lust, als welche der Tätigkeit folgt, aus. Manches ergötzt uns auch, weil es nun ist, und später eben deshalb nicht mehr. Denn zuerst wird die Aufmerksamkeit davon in Anspruch genommen und beschäftigt sich lebhaft damit, wie man z. B. einen Gegenstand, der in die Augen trifft, angestrengt betrachtet. Danach aber ist die Tätigkeit keine solche mehr, sondern sie läßt nach, und dadurch wird denn auch die Lustempfindung geschwächt.
Man kann wohl sagen, wo alles zu leben begehre, verlange auch alles nach der Lust. Das Leben ist nämlich eine Tätigkeit, und jeder ist in dem und durch das tätig, was er am meisten liebt. So ist der Freund der Musik mit dem Gehör in dem Bereich der