Gesammelte Werke. Aristoteles

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Gesammelte Werke - Aristoteles

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zwischen diesem Göttlichen selbst und dem aus Leib und Seele zusammengesetzten Menschenwesen, so groß ist auch der Unterschied zwischen der Tätigkeit, die von diesem Göttlichen ausgeht, und allem sonstigen tugendgemäßen Tun. Ist nun die Vernunft im Vergleich mit dem Menschen etwas Göttliches, so muß auch das Leben nach der Vernunft im Vergleich mit dem menschlichen Leben göttlich sein.

      Man darf aber nicht jener Mahnung Gehör geben, die uns anweist, unser Streben als Menschen auf Menschliches und als Sterbliche auf Sterbliches zu beschränken, sondern wir sollen, so weit es möglich ist, uns bemühen, unsterblich zu sein, und alles zu dem Zwecke tun, dem Besten, (1178a) was in uns ist, nachzuleben. Denn ob auch klein an Umfang, ist es doch an Kraft und Wert das bei weitem über alles Hervorragende. Ja, man darf sagen: dieses Göttliche in uns ist unser wahres Selbst, wenn anders es unser vornehmster und bester Teil ist. Mithin wäre es ungereimt, wenn einer nicht sein eigenes Leben leben wollte, sondern das eines anderen. Und was wir oben gesagt, paßt auch hieher. Was einem Wesen von Natur eigentümlich ist im Unterschiede von anderen, ist auch für dasselbe das Beste und Genußreichste. Also ist das für den Menschen das Leben nach der Vernunft, wenn anders die Vernunft am meisten der Mensch ist. Mithin ist dieses Leben auch das glückseligste.

      Achtes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      An zweiter Stelle ist dasjenige Leben glückselig, das der sonstigen Tugend gemäß ist.

      Auch bedarf das Leben nach dem Geiste und die entsprechende Glückseligkeit der äußeren Güter nur wenig oder doch weniger als das Leben gemäß den sittlichen Tugenden. Mögen beide das zum Unterhalt Nötige auch gleich sehr brauchen – wenn auch der Mann des öffentlichen Lebens sich um den Körper und was damit verwandt ist, mehr bemühen muß; doch trägt das nicht viel aus –, so muß sich doch ein großer Unterschied ergeben, sobald man die Bedeutung erwägt, die der Besitz oder Nichtbesitz äußerer Güter für die beiderseitigen Tätigkeiten hat. Der Freigebige braucht Geld, um freigebig zu handeln, und der Gerechte braucht es, um Empfangenes zu vergelten – denn das bloße Wollen ist nicht erkennbar, und auch wer nicht gerecht ist, tut so, als wolle er gerecht handeln –; der Mutige bedarf der Kraft, wenn er eine Tat des Mutes vollbringen will, und der Mäßige bedarf der Freiheit und Ungebundenheit. Wie könnte man sonst wissen, ob einer diese oder eine andere Tugend wirklich hat oder nicht? Man zweifelt freilich, welches von den beiden Erfordernissen der Tugend das wichtigere ist, der Wille oder das Werk. (1178b) Doch findet sie offenbar ihre Vollendung erst in beiden zugleich. Nun bedarf sie aber, um zu handeln, vieler Dinge und bedarf ihrer desto mehr, je großer und schöner ihre Handlungen sind. Der Mann des Denkens aber hat, wenigstens für diese seine Tätigkeit, keines dieser Dinge nötig, ja, sie hindern ihn eher daran. Sofern er aber Mensch ist und mit vielen zusammenlebt, wird er auch wünschen, die Werke der sittlichen Tugenden auszuüben, und so wird er denn solcher Dinge bedürfen, um als Mensch unter Menschen zu leben.

      Ein Zeichen dessen ist endlich, daß die übrigen Sinnenwesen an der Glückseligkeit keinen Anteil haben, weil sie der gedachten Tätigkeit vollständig ermangeln. Das Leben der Götter ist seiner Totalität nach selig, das der Menschen insofern, als ihnen eine Ähnlichkeit mit dieser Tätigkeit zukommt, von den anderen Sinnenwesen aber ist keines glückselig, da sie an dem Denken in keiner Weise teil haben. So weit sich demnach das Denken erstreckt, so weit erstreckt sich auch die Glückseligkeit, und den Wesen, denen das Denken und die Betrachtung in höherem Grade zukommt, kommt auch die Glückseligkeit in höherem Grade zu, nicht mitfolgend, sondern eben auf Grund des Denkens, das seinen Wert und seine Würde in sich selbst hat. So ist denn die Glückseligkeit ein Denken.

      Neuntes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Der Glückselige wird aber als Mensch auch in äußeren guten Verhältnissen leben müssen. Denn die Natur genügt sich selbst zum Denken nicht; dazu bedarf es auch der leiblichen Gesundheit, der Nahrung und alles andern, was zur Notdurft des Lebens gehört.

      (1179a) Indessen darf man, wenn man ohne die äußeren Güter nicht glückselig sein kann, darum nicht meinen, daß dazu viele und große Güter erforderlich wären. Denn daß einer ein volles Genüge und die Möglichkeit der Betätigung habe, liegt nicht an Reichtum und Überfluß: man kann, auch ohne über Land und Meer zu herrschen, sittlich handeln; denn auch mit mäßigen Mitteln läßt sich der Tugend gemäß handeln. Man kann das deutlich daran sehen, daß die Privatleute den Fürsten im rechten und tugendhaften Handeln nicht nachzustehen, sondern eher voraus zu sein scheinen. Es genügt also, wenn dazu die nötigen Mittel vorhanden sind. Denn das Leben muß glückselig sein, wenn es in tugendgemäßer Tätigkeit verbracht wird.

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