Gesammelte Werke. Aristoteles
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Gesammelte Werke - Aristoteles страница 73
27.So wird denn die Glückseligkeit besser als tugendgemäße Tätigkeit oder Betätigung der Tugend und Tüchtigkeit definiert, denn als Tugend.
28.Weil die Ursache der Glückseligkeit anders bestimmt werden muß, je nachdem man diese selbst in die Tugend oder in das äußere Wohlergehen setzt.
29.Je höher ein Ziel ist, desto höher muß die Ursache sein, durch die man zu diesem Ziele geführt wird. So ist denn anzunehmen, daß der Mensch zu seinem letzten Ziele mit Hilfe der höchsten Ursache, d. i. Gottes, gelangt. Diese Frage gehört aber mehr in die Metaphysik. In dem gleichnamigen Werke, XII, 10, führt Aristoteles aus, daß alles Gute in der Welt von Gott kommt, der in der Welt dieselbe Stellung einnimmt wie der Feldherr im Heere und der Hausvater in der Familie. Man vergleiche auch de gener. animal. II, 1, 731b 24, wo Aristoteles im Anschluß an Plato folgendermaßen über die letzte Zweckbestimmung der Zeugung philosophiert: »Da die Dinge teils ewig und göttlich sind (wie nach des Philosophen Ansicht die inkorruptibeln und von Gott ähnlichen Wesen, den Sphärengeistern, bewegten Himmelskörper), teils vergänglich, dem Gesetz des Werdens und Vergehens unterworfen, und da das Schöne und das Göttliche (die Gottheit) seiner Natur entsprechend allezeit die Ursache des Besseren in den vergänglichen Dingen ist, da ferner die nichtewigen Dinge mehr oder minder gut sein und mehr oder minder am Guten teilhaben können – wiederum, da die Seele etwas Besseres ist als der Körper, und das Beseelte als das Seelenlose, eben wegen der Seele, und das Sein als das Nichtsein, und das Leben als das Nichtsleben, so ist es auf diese Ursachen zurückzuführen, daß es im Bereich des sinnlich Belebten eine Zeugung gibt. Da nämlich die Natur der Wesen, die da werden und wieder vergehen, keine Ewigkeit zuläßt, so sind sie insoweit ewig, als sie es vermögen. Nun vermögen sie aber der Zahl nach, d. h. als Einzelwesen, nicht, ewig zu sein – denn das Wesen der Dinge ist nur in den Einzelwesen wirklich da, und wären diese so, so wären sie ewig –, wohl aber vermögen sie, der Art nach ewig zu sein. Deswegen gibt es eine immer sich wiederholende Geschlechtsfolge von Menschen, Tieren und Pflanzen. Da aber das Prinzip dieser Wesen das Weibliche und das Männliche ist, so ist dieser Unterschied der Geschlechter der geschlechtlichen Zeugung wegen da«. Man vergleiche Plato's Gastmahl 207f. Zu der Stelle der Ethik, die wir kommentieren, vergleiche man ferner in eben unserer Ethik weiter unten X, 9 Schluß. – Daß die Tugend (und Tüchtigkeit) und somit auch das Lebensglück in gewisser Hinsicht auch göttlicher Schickung oder Fügung, θεία μοίρα, zu danken ist, lehrt schon Sokrates am Schlusse des Dialogs Meno.
30.Man sieht hieraus, daß Aristoteles die Natur und den Menschen für das Werk einer schöpferischen Weisheit hält und Gott als Urheber der Dinge und insbesondere der menschlichen Natur mit einem weisen Künstler vergleicht. Das liegt auch in dem ihm geläufigen Spruch, daß die Kunst die Natur nachahmt, vgl. z. B. Physik, II, 2. Denn dies setzt voraus, daß die Natur selbst das Werk einer höchsten Kunst ist, die Leistung der besten Ursache, τη̃ς αρίστης αιτίας, wie Aristoteles sich ausdrückt. Auch von Plato im Timäus wird die Welt bekanntlich als Kunstwerk des höchsten Meisters, des Demiurgen, beschrieben. An der vorliegenden Stelle der Ethik interessiert noch der Umstand, daß die Anschauung, wonach gewissermaßen jeder nach unserem deutschen Sprüchwort seines Glückes Schmied ist, zur unerläßlichen Voraussetzung die menschliche Willensfreiheit hat, von der Aristoteles noch im folgenden ausführlich handeln wird.
31.Anspielung auf ein Wort des Dichters Simonides.
32.Der Inhalt dieses 11. Kapitels hängt durchaus mit der Frage nach dem Begriffe der Glückseligkeit zusammen. Je nachdem man ihn faßt, muß es sich entscheiden, ob sie in diesem Leben erreichbar und als vorhanden erkennbar ist oder nicht. Die bekannte Mahnung des Solon, vor dem Tode niemanden glücklich zu preisen, erfährt eine berechtigte Kritik. Da die Glückseligkeit oder sollen wir sagen das Lebensglück in tugendgemäßer Tätigkeit besteht und die Tugend ein fester Besitz ist, fester beinahe als alles andere im Leben, so ist sie ebenso erreichbar und als vorhanden erkennbar wie dauerhaft und beständig. Das äußere Wohlergehen gehört freilich auch zum Lebensglück, und insofern als dieses eine ungewisse Sache ist, kann man ja sagen, daß die Entscheidung, ob ein Leben glücklich war, erst bei dessen Ende gefällt werden kann. Aristoteles macht nun auch einige Bemerkungen über die Eudämonie nach dem Tode, die vielfach arg mißverstanden worden sind, als ob es ihm zufolge ungereimt wäre, überhaupt von einer Glückseligkeit Verstorbener zu reden, und die Seele, wenn sie etwa nach dem Tode fortbestehen sollte, doch aller Tätigkeit beraubt wäre. Ebenso wird nicht immer gut verstanden was er von dem Zusammenhang der Verstorbenen mit den Überlebenden sagt. Man bemerke also, daß er in der Ethik von der hienieden und im Staate erreichbaren Glückseligkeit redet. Es ist das Glück, dessen der Mensch als Mensch und Bürger fähig ist, das den Vorwurf und das Ziel der Sitten-, Rechts- und Staatslehre ausmacht. Nach dem Tode besteht der Mensch als Mensch so wenig fort wie als Bürger, weil Mensch der Verein von Leib und Seele ist. Darum will man ja auch das Wort Eudämonie lieber mit Lebensglück als mit Glückseligkeit wiedergeben, weil eben das diesseitige Glück gemeint ist. Dieses besteht in tugendgemäßer menschlicher Tätigkeit. Dieselbe hört aber offenbar nach dem Tode auf. Es konnte Aristoteles Absicht nicht sein, die Unsterblichkeit zu läugnen, einmal weil die Frage von der Unsterblichkeit in die Ethik, wie er sie behandelt, nicht gehört und es seiner streng systematischen Manier widerspräche, an diesem Orte die Unsterblichkeit stillschweigend und als wäre es so selbstverständlich, preißzugeben; dann auch, weil sie anderwärts von ihm ausdrücklich oder stillschweigend ausgesprochen und in der Psychologie mit Sorgfalt bewiesen wird. Er gehörte nämlich zu den jetzt, nach Kant und Schopenhauer, für rückständig geltenden Menschen, die in allem Ernste glauben, die Unsterblichkeit wissenschaftlich beweisen zu können. Aristoteles konnte aber auch mit der Bemerkung, es sei ungereimt, von einer Eudämonie Verstorbener zu reden, nicht sagen wollen, es gebe überhaupt keine Glückseligkeit für sie. Denn dem widerspricht der Schlußsatz dieses Kapitels: mag was im Leben geschieht, die Todten berühren oder nicht, es kann auf keinen Fall ihre Glückseligkeit in Unglückseligkeit verwandeln. Was nun seine Reflexionen über den Zusammenhang der Verstorbenen mit den diesseitigen Vorgängen betrifft, so bedenke man, daß die Verstorbenen für diese Welt, der allein die Aufmerksamkeit unseres Ethikers zugewandt ist, nur im Andenken der Nachwelt fortleben, und daß sie demnach nur insofern von den diesseitigen Vorgängen berührt werden, als dieselben ihr Ansehen fördern oder schädigen. Dahin gehören also die Ehrungen und Diffamationen der Verstorbenen selbst; dann die gute oder schlechte Führung ihrer Hinterbliebenen und Freunde, sowie auch deren Glück oder Unglück. Denn auch das muß in gewisser Weise ihr Ansehen mehren oder mindern.
33.Vgl. Kapitel 3 Anm. 17.
34.Da mit diesem Kapitel der Kern des Buches, die Erörterung der Tugend, beginnt und die Tugend wie sie hier gemeint ist, der Seele angehört, so wird zum besseren Verständnis einiges aus der Seelenlehre vorausgeschickt. Sogar der Staatsmann, meint Aristoteles ganz im Sinne der sokratischen Philosophie, müsse einigermaßen in der Seelenlehre zu Hause sein. So unterscheidet er denn den rationalen und den irrationalen Seelenteil, das ist einerseits Verstand und Willen, anderseits Sinnlichkeit und vegetatives Vermögen. Die beiden Seiten des rationalen Teils entsprechen den beiden Klassen der Tugend, den dianoëtischen und den Charaktertugenden, die er vom 2. Buche an behandelt. Hier aber, an unserer Stelle, schickt er, wieder im Interesse der Systematik, die Bemerkung voraus, es müsse in unserer Disziplin unentschieden bleiben, ob die Seelenteile wie Teile des Körpers von einander getrennt oder nur dem Begriffe nach verschieden sind. Plato hatte die Vernunft