Gesammelte Werke. Aristoteles
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7.Ich verstehe unter Μέθοδος, das ich mit Disziplin übersetze, so wie ich es im ersten Satze des Kapitels mit Lehre übersetzt habe, nicht die hier von Aristoteles gelieferte wissenschaftliche Entwickelung, schon darum nicht, weil es sich nach meinem Gefühle unbescheiden ausnehmen würde, wenn Aristoteles sagte, er wolle mit seiner Arbeit Völkern und Staaten zu ihrem wahren Wohle verhelfen.
8.Die Produkte der bildenden Künste sind an Feinheit je nach ihrem Stoffe verschieden. Aus Thon macht man keine so feinen Bildwerke wie aus Marmor oder Elfenbein.
9.Einer der Grundpfeiler der aristotelischen Sitten- und Rechtslehre ist der Satz, daß ihre obersten Grundsätze nicht positiv und veränderlich, sondern in der Natur der Dinge begründet und unveränderlich sind. Vergleiche unten III, 6.
10.Aristoteles sagt wörtlich: nach einem Gute begehrt, ορέγεται. Die vier Substantiva im ersten Satze der Ethik sind hier auf zwei zurückgeführt: γνω̃σις und προαίρεσις; sie zielen auf die zwei Grundkräfte der Seele, Verstand und Wille. Auch der Verstand hat ein Gut, die Erkenntnis.
11.Glückseligkeit, griechisch: ευδαιμονία. Uns fehlt scheints im Deutschen das rechte Wort, um das hier Gemeinte so auszudrücken, wie es das griechische Wort vielleicht tut. Glückseligkeit klingt zu voll oder zu transszendental, Glück ist zu wenig oder zu unbestimmt. Otto Willmann, Aristoteles, S. 79 ff. gibt es wieder mit »Beglückung, Lebensglück«. S. 84 erinnert er daran, daß das Wort ευδαίμων etymologisch jemanden bezeichnet, der einen guten Dämon, Schutzgeist hat, in guter Hut beschlossen ist. Die ursprüngliche Bedeutung tritt aber bei Aristoteles zurück, der es abwechselnd und synonym mit μακάριος und αυτάρκης gebraucht.
12.ευ̃ ζη̃ν, gut leben, ist auch in unserer Sprache zweideutig, wo es nicht blos tugendhaft sondern auch vergnüglich leben bedeutet; ευ̃ πράττειν, das wir faute de mieux mit sich gut gehaben wiedergeben, bedeutet sowohl gut handeln wie sich wohl befinden. Wir werden weiter unten, I, 8, letzter Absatz, sehen, wie Aristoteles die je an erster Stelle angegebene Bedeutung der beiden Ausdrücke benützt, um seine Lehre, daß die Glückseligkeit in Tätigkeit besteht, zu bekräftigen.
13.Vgl. Plato's »Staat« VI. Buch p. 510B.
14.Mit dem Bekannten und auch mit dem uns Bekannten muß man in jeder Untersuchung anfangen, um das noch nicht Bekannte zu finden. Dieses Bekannte ist aber zuweilen auch schlechthin oder an sich bekannter, wie in der Mathematik, wo man von den höchsten und zugleich einfachsten Prinzipien ausgeht, um daraus die Folgesätze abzuleiten; zuweilen aber ist es nur für uns bekannter, wie in den Naturwissenschaften, wo man von den mannigfach zusammengesetzten Erscheinungen ausgeht, um aus ihnen deren einfache Gründe abzuleiten, die an sich bekannter sind, insofern es nämlich dem natürlichen Gange der Erkenntnis entspricht, zuerst den Grund zu erkennen und dann die Folge. Aristoteles erklärt nun aus Anlaß der ersten Frage, die er stellt, der nach dem höchstem Gute, daß er in Beantwortung dieser sowie der folgenden Fragen der Ethik und Politik von dem uns Bekannten ausgehen will, von dem »daß«, um dann auch das »darum« zu bestimmen. Er will also von der Voraussetzung, daß das und das, z. B. die Sinnlichkeit bezähmen, dem Geiste leben, sittlich gut und wertvoll ist, ausgehen. Dann, sagt er, ergebe sich leicht, warum es das ist. Und hieran schließt sich naturgemäß die weitere Bemerkung, daß der Hörer der Ethik bereits zu guten Sitten und edler Gesinnung erzogen sein müsse, um das, was gut und was nicht gut ist, zu unterscheiden.
15.Hesiod, Werke und Tage, Vers 291 ff.
16.Mit enzyklischen Schriften sind vielleicht dieselben Schriften des Aristoteles gemeint, die er anderwärts die exoterischen Schriften nennt, wahrscheinlich darum, weil sie die philosophischen Stoffe in mehr populärer Form behandelten; cf. Bonitz, Index Aristotelicus sub voce Aristoteles 104b sq.
17.Man vergleiche bezüglich der Ideenlehre Plato's Metaphysik I, 6 u. 9 und die Anmerkung 17 in unserer Übersetzung der Metaphysik I, 184.
18.Der erste ist der Wille, an sich eine blinde Seelenkraft, die erst vom Verstande die rechte Leitung empfängt; der zweite der Verstand oder die Vernunft. In der Tätigkeit oder dem Aktus des Verstandes, das ist Aristoteles Meinung, liegt das spezifisch Menschliche mehr als in der des Willens. Daher ist auch seine Tätigkeit genußreicher und seliger. Den Gedanken einer spezifisch menschlichen Tätigkeit und Tugend oder Tüchtigkeit hat schon Plato, Staat, I, 352f.
19.Aktuell tätig, πρακτικὴ κατ ενέργειαν, im Gegensatze zu habituell tätig, wie z. B. das Leben des Handwerkers ein tätiges ist, ohne daß er deshalb immer arbeitet. Es ist also nicht an den Gegensatz von Verstandes- und Willenstätigkeit zu denken, als wäre die erste Selbsttätigkeit, die zweite, als abhängig von der ersten, es nicht.
20.Die genauere Bestimmung der Glückseligkeit folgt am Schlusse des ganzen Werkes, X, 6–9.
21.Im Proömium, siehe Kapitel 1 Anm. 9.
22.Ein solcher Fehler würde z. B. gemacht werden, wenn in dieser praktischen Disziplin der Moral eigens und weitläufig Fragen der Psychologie, die eine theoretische Disziplin ist, behandelt würden.
23.Wollte man von jedem, auch der Ursache, die Ursache wissen, so nähme das Fragen kein Ende. In der Gotteslehre hat seit Kant die Außerachtlassung der aristotelischen Warnung viel Verwirrung angerichtet und Unheil gestiftet. Gott, als höchste und letzte Ursache, hat nicht wieder eine Ursache. Er ist auch nicht im positiven Sinne sich selbst Ursache. So darf auch in der Glückseligkeitslehre, nachdem einmal festgestellt sein wird, was die Glückseligkeit ist, nicht noch weiter gefragt werden, warum wir sie denn begehren. Aristoteles sagt, »bei einigem«, έν τισι, genüge es, das »daß« anzugeben, d. i. bei den letzten Zwecken. Das »daß«, gewisse Definitionen und Grundsätze, sind Prinzipien jeder Wissenschaft.
24.Durch Induktion kann man z. B. in der Mathematik finden, daß alle Zahlen grade oder ungrade Zahlen sind; durch Wahrnehmung in der Physik, daß alles Lebendige der Nahrung bedarf; durch Gewöhnung in der Moral, daß die Begierde durch Widerstand geschwächt wird; noch auf andere Weise, durch Erfahrung nämlich, findet man im Handwerk die Prinzipien, d. h. hier die Regeln, nach denen das Handwerk auszuüben ist. Nach Thomas von Aquin.
25.Das Prinzip enthält, wie der Keim den ausgebildeten Organismus, so virtuell die Folgesätze. Hier handelt es sich besonders um die Frage nach der Glückseligkeit als menschlicher