Big Ideas. Das Politik-Buch. John Farndon
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Schauspieler vollziehen in der Provinz Shandong (China) ein konfuzianisches Ritual. Ihre strenge Tradition vermittelt den Zuschauern heute den Eindruck respektvoller Zurückhaltung.
Verbrechen und Strafe
Die Prinzipien der konfuzianischen Moralphilosophie erstreckten sich auch auf die Bereiche Recht und Strafen. Zuvor hatte das Rechtssystem auf religiösen Verhaltensvorschriften beruht, aber Konfuzius wollte die von Gott gegebenen Gesetze durch einen am Menschen orientierten Ansatz ersetzen. Wie bei seiner Sozialstruktur plädierte er für ein System, das auf Gegenseitigkeit beruhte: Wirst du mit Respekt behandelt, handelst du selbst auch mit Respekt. Seine Version der goldenen Regel war als Verneinung formuliert: »Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andren zu.« Damit standen nicht mehr die begangenen Taten im Blickfeld, sondern es ging darum, schlechtes Verhalten zu vermeiden. Und dies ließe sich am besten durch das richtige Vorbild erreichen, was Konfuzius so ausdrückte: »Wenn du einen weisen Mann triffst, so versuche, ihm nachzueifern. Wenn du einen törichten Mann triffst, so prüfe dich selbst in deinem Innern.«
Das Gemälde aus der Song-Dynastie zeigt, wie der chinesische Kaiser bei den Prüfungen der Beamten den Vorsitz führt. Derartige Prüfungen wurden zu Konfuzius’ Lebzeiten eingeführt und beruhten auf seinen Vorstellungen.
»Wer Kraft seines Wesens herrscht, gleicht dem Nordstern. Der verweilt an seinem Ort und alle Sterne umkreisen ihn.«
Konfuzius
Konfuzius wollte Verbrechen nicht mit strengen Gesetzen oder harten Strafen bekämpfen. Er hielt es für den besseren Weg, das Gefühl der Scham zu wecken. Mag sein, dass die Menschen nicht kriminell werden, wenn sie durch Gesetze geführt oder durch Strafen gehindert werden. Aber sie entwickeln kein Gefühl für Richtig und Falsch. Werden sie hingegen durch ein Vorbild geführt und durch Respekt gehindert, dann schämen sie sich für ihr Fehlverhalten und lernen, wirklich gut zu sein, so seine Idee.
Unpopuläre Ideen
In der Philosophie des Konfuzius verbinden sich Vorstellungen von der angeborenen Güte und Geselligkeit des Menschen mit den starren Strukturen der traditionellen chinesischen Gesellschaft. Angesichts seiner Position als Berater bei Hofe überrascht es auch nicht, dass Konfuzius der neuen meritokratischen Klasse der Gelehrten einen wichtigen Platz einräumte. Doch die Angehörigen der herrschenden Familien fühlten sich durch die Macht, die Minister und Berater erhalten sollten, bedroht. Die Beamten hätten vielleicht gern mehr Kontrolle ausgeübt, glaubten aber nicht daran, dass das Volk sich durch ein Vorbild regieren lasse. Und sie wollten nicht ihr Recht aufgeben, Macht durch Gesetze und Strafen auszuüben. Die Ideen des Konfuzius wurden also mit Misstrauen betrachtet und zu seinen Lebzeiten nicht umgesetzt.
Als offizielle chinesische Staatsphilosophie erfüllte der Konfuzianismus auch religiöse Funktionen. Im ganzen Land entstanden konfuzianische Tempel wie dieser in Nanjing.
Auch spätere Denker hatten allerlei daran auszusetzen. Mozi, ein chinesischer Philosoph, der kurz nach Konfuzius’ Tod geboren wurde, stimmte zwar mit dessen modernen Vorstellungen der Meritokratie und der Führung durch ein Vorbild überein, aber er glaubte, die Orientierung an Familienbeziehungen würde zu Vetternwirtschaft führen. Und militärisch geprägte Denker wie Sunzi hatten wenig Zeit für Moralphilosophie – sie näherten sich der Frage des Regierens von der praktischen Seite und zogen ein autoritäres System vor, um die Verteidigung des Staates sicherzustellen. Dennoch wurden in den beiden Jahrhunderten nach Konfuzius’ Tod immer mehr Elemente seiner Lehre in die chinesische Gesellschaft aufgenommen. Unter Mengzi (372–289 v. Chr.) gewannen sie im 4. Jahrhundert v. Chr. sogar eine gewisse Popularität.
»Was man weiß, als Wissen gelten lassen, was man nicht weiß, als Nichtwissen gelten lassen: das ist Wissen.«
Konfuzius
Die Staatsphilosophie
Der Konfuzianismus mochte zum Regieren in Friedenszeiten geeignet sein. Aber in der Zeit der »streitenden Reiche«, als es darum ging, China zu vereinen, verdrängte ein autoritäres Regierungssystem, bekannt als Legalismus, die konfuzianischen Ideen. Auch der Kaiser, der seine Autorität über das neue Reich behaupten musste, setzte diesen Regierungsstil fort. Als im 2. Jahrhundert v. Chr. der Friede nach China zurückkehrte, wurde unter der Han-Dynastie der Konfuzianismus zur offiziellen Staatsphilosophie. Fortan prägte er die Strukturen in der chinesischen Gesellschaft, vor allem was die Rekrutierung der Beamten anging. Die Prüfungen für den Staatsdienst, die 605 n. Chr. eingeführt wurden, beruhten auf klassischen konfuzianischen Texten – daraus entwickelte sich eine Praxis, die bis ins 20. Jahrhundert hinein bestand.
Auch unter dem kommunistischen Regime verschwand der Konfuzianismus in China nie vollständig. Bis zur Kulturrevolution hatte er unterschwellig Einfluss auf die Strukturen in der Gesellschaft. Heute sind Elemente des konfuzianischen Denkens (etwa im Verhältnis Vater–Sohn) tief in der chinesischen Lebensart verwurzelt. Das Land entwickelt sich vom maoistischen Kommunismus zu einer chinesischen Version der gemischten Wirtschaftsform – und wendet sich dabei mit neuem Ernst konfuzianischen Ideen zu.
Konfuzius
Obwohl er in der chinesischen Geschichte eine große Rolle spielt, ist über das Leben des Konfuzius wenig bekannt. Es heißt, er sei 551 v. Chr. in Qufu im Staat Lu (China) geboren worden. Ursprünglich hieß er Kong Qiu (den Ehrentitel Kong Fu Zi erhielt er erst später). Seine Familie war angesehen und wohlhabend. Trotzdem arbeitete er in jungen Jahren als Diener, um die Familie zu ernähren, nachdem sein Vater gestorben war. In seiner Freizeit studierte er und wurde schließlich Verwaltungsbeamter am Hof von Zhou, wo er seine Ideen zur Staatsführung entwickelte. Sein Rat wurde aber ignoriert und er gab seine Position auf.
Den Rest seines Lebens verbrachte Konfuzius mit Reisen durch das chinesische Reich. Dabei lehrte er Philosophie und Staatstheorie. Schließlich kehrte er nach Qufu zurück, wo