Die Schatzinsel. Robert Louis Stevenson

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Schatzinsel - Robert Louis Stevenson страница 10

Die Schatzinsel - Robert Louis Stevenson Reclam Taschenbuch

Скачать книгу

Und offen gestanden, mir wäre lieb, wenn man es irgendwo sicher verwahren könnte.«

      »Natürlich, mein Junge, ganz richtig«, erwiderte er. »Wenn du willst, kannst du’s mir geben.«

      »Ich dachte, vielleicht würde Doktor Livesey –«, begann ich.

      »Sehr gute Idee«, unterbrach er mich hoch erfreut, »sehr gute Idee. Ein Gentleman und eine Amtsperson. Ach, da fällt mir ein, ich reit wohl am besten selber bei ihm vorbei oder beim Squire, denn ich muss ja Meldung erstatten. Meister Pew ist tot; hat sich halt so ergeben; nicht, dass ich traurig drum wär, aber er ist nun mal tot, verstehst du, und jetzt muss ich zusehen, dass man mir das nicht anhängt; einem Zollbeamten Seiner Majestät hängen die Leute ja gern was an, bei jeder Gelegenheit. Übrigens, wenn du willst, nehm ich dich mit.«

      Ich dankte ihm herzlich für das Angebot, und wir gingen zurück ins Dorf, wo die Pferde warteten. Während ich meiner Mutter kurz erklärte, was ich vorhatte, stiegen die anderen schon in die Sättel.

      »Dogger«, sagte Mr. Dance, »Ihr habt ein gutes Pferd. Nehmt den Burschen hinter Euch.«

      Kaum saß ich droben, gab der Inspektor sein Kommando, und die Schar machte sich in munterem Trab – ich hielt mich an Doggers Koppel fest – auf den Weg zu Doktor Livesey.

      Kapitel 6

      Die Papiere des Käpt’ns

      Wir ritten den ganzen Weg in scharfem Tempo, bis wir bei Doktor Livesey ankamen. Die Vorderfront des Hauses war völlig dunkel.

      Mr. Dance hieß mich abspringen und klopfen. Dogger machte einen Steigbügel frei, damit ich hinunter konnte. Kaum hatte ich gepocht, öffnete das Dienstmädchen auch schon die Tür.

      »Ist Doktor Livesey da?«, fragte ich.

      Nein, antwortete sie; er sei am Nachmittag heimgekommen, dann aber bald wieder fortgegangen. Der Squire habe ihn auf sein Gutshaus zum Essen eingeladen; dort wollte er den Abend verbringen.

      »Dann nichts wie hin, Männer«, sagte Mr. Dance.

      Diesmal hatten wir es nicht weit, daher stieg ich gar nicht erst wieder auf, sondern trat nur in den Steigbügel und ließ mich so, den Riemen fest umklammernd, von Doggers Pferd tragen. Wir passierten das Pförtnertor, dann ging es durch die lange, kahle, mondhelle Allee, die dort mündete, wo links und rechts die breite weiße Reihe der Gutsgebäude auf ausgedehnte alte Parkanlagen blickten. Hier stieg Mr. Dance ab und wies mich an, ihn zu begleiten. Wir gingen zur Tür und wurden sofort eingelassen.

      Der Diener führte uns durch einen teppichbelegten Flur. An dessen Ende lag ein großes Bibliothekszimmer, in das er uns hineinwies. Der Raum war geradezu eingefasst mit hohen Bücherregalen, auf denen Büsten standen. Der Squire und Doktor Livesey saßen, jeder eine Pfeife in der Hand, zu beiden Seiten eines hellen Kaminfeuers.

      Ich kannte den Squire, hatte ihn aber noch nie aus solcher Nähe gesehen. Er war ein hochgewachsener Mann, über sechs Fuß groß und entsprechend breit von Statur; seine Züge verrieten einen rauhen, aber herzlichen Charakter; die Abenteuer vieler Reisen hatten der Haut des Gesichts ihre Glätte genommen, sie gerötet und gefurcht. Seine Augenbrauen waren tiefschwarz und zuckten beständig, was ihn als einen Menschen mit etwas heftigem Temperament erscheinen ließ: nicht bösartig zwar, aber doch, nun ja, reizbar und rasch aufbrausend.

      »Tretet näher, Mr. Dance«, sagte er äußerst würdevoll und jovial.

      »Guten Abend, Dance«, grüßte ihn der Doktor mit einem Nicken, »und guten Abend auch dir, Freund Jim. Welcher gute Wind weht euch denn her?«

      Der Inspektor nahm stramme, ja steife Haltung an und spulte seinen Rapport herunter wie einen auswendig gelernten Lehrbuchtext. Die Reaktion der beiden Gentlemen war nun geradezu ein Bild für die Götter: bald beugten sie sich dem Erzähler entgegen, bald blickten sie einander an, und vor lauter Erstaunen und Neugierde vergaßen sie sogar zu rauchen. Als sie vernahmen, wie meine Mutter sich ins Gasthaus zurückgewagt hatte, schlug sich Doktor Livesey glatt auf die Schenkel, und der Squire rief: »Bravo!« und zerbrach vor lauter Überschwang seine Pfeife am Kamingitter. Bei dem, was Dance weiter berichtete, konnte Mr. Trelawney (so lautet, ich erwähnte es wohl schon, der Name unseres Squire) nicht länger still sitzen; er sprang auf und lief im Raum hin und her. Der Doktor nahm, wie um besser zu hören, seine gepuderte Perücke ab; da saß er nun und sah mit seinem eigenen, kurz geschorenen schwarzen Haar doch recht sonderbar aus.

      Endlich war Mr. Dance mit seiner Darstellung der Ereignisse fertig.

      »Mr. Dance«, sagte der Squire, »Ihr seid ein vortrefflicher Bursche. Dass Ihr diesen gemeinen, abscheulichen Hundsfott niedergeritten habt, ist für mich eine gute Tat, so als hättet Ihr eine Küchenschabe zertreten. Und der junge Hawkins scheint mir auch ein Prachtkerl zu sein. Läutest du vielleicht mal eben, Hawkins? So. Ein Ale für Mr. Dance.«

      »Verstehe ich recht, Jim«, fragte der Doktor, »du hast bei dir, was die Kerle so besessen suchten?«

      »Ja, Sir. Hier ist es«, antwortete ich und gab ihm das Wachstuchpaket.

      Der Doktor besah es von allen Seiten, und bestimmt juckte ihm die Versuchung in den Fingern, es sogleich zu öffnen; dies tat er jedoch nicht, sondern schob es seelenruhig in seine Manteltasche.

      »Squire«, sagte er, »wenn Dance sein Ale getrunken hat, muss er natürlich wieder zurück in den Dienst Seiner Majestät. Aber Hawkins soll bitte noch etwas hier bleiben; er kann dann bei mir übernachten. Vielleicht gebt Ihr ihm etwas von der kalten Pastete; er hat ja sicher noch nicht zu Abend gegessen.«

      »Gewiss doch, warum nicht«, erwiderte der Squire. »Kalte Pastete ist ja wohl das mindeste, was Hawkins verdient.«

      Und prompt wurde eine große Taubenpastete hereingebracht und auf einen Seitentisch gestellt. Ich langte tüchtig zu, denn ich war hungrig wie ein Wolf. Währenddessen erntete Mr. Dance noch ein paar Lobsprüche, dann wurde er entlassen.

      »So, und jetzt …«, sagte der Doktor.

      »So, und jetzt …« sagte der Squire im selben Augenblick.

      »Immer einer nach dem anderen«, lachte Doktor Livesey, »immer einer nach dem anderen. Dieser Flint, von dem habt Ihr schon mal gehört, vermute ich?«

      »Von ihm gehört?«, rief der Squire. »Von ihm gehört, sagt Ihr? Das war der blutrünstigste Freibeuter, der je die Meere befahren hat. Gegen Flint wirkte selbst Blackbeard wie ein Waisenknabe. Die Spanier hatten eine Heidenangst vor ihm, die lässt sich gar nicht beschreiben; ich muss gestehen, manchmal machte es mich regelrecht stolz, dass der Bursche Engländer war. Einmal habe ich mit eigenen Augen seine Toppsegel gesehen, bei Trinidad, und dieser feige Sohn einer Rumtonne, der unser Schiff kommandierte, ließ umkehren – umkehren, Sir! – und in den nächsten Hafen einlaufen, nach Port of Spain, zu den Spaniern!«

      »Nun ja, gehört habe ich ja auch von ihm, selbst hier in England«, sagte der Doktor. »Aber der springende Punkt ist: hatte er Geld?«

      »Geld?«, rief der Squire. »Ja, habt Ihr denn eben gar nichts mitgekriegt? Worauf waren diese Lumpen denn wohl aus, wenn nicht auf Geld? Was treibt sie um, wenn nicht Geld? Wofür riskieren sie ihren schäbigen Kadaver, wenn nicht für Geld?«

      »Das werden wir ja gleich erfahren«, antwortete der Doktor. »Aber Ihr seid so elend hitzköpfig und dröhnt immer gleich dermaßen los, dass man gar nicht zu Worte kommt.

Скачать книгу