Die Schatzinsel. Robert Louis Stevenson

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Die Schatzinsel - Robert Louis Stevenson Reclam Taschenbuch

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wo ihn sein Frühstück erwartete.

      »Bill!«, rief der Fremde mit einer Stimme, die sich, wie mir schien, alle Mühe gab, fest und unerschrocken zu klingen.

      In einem Ruck drehte sich der Kapitän zu uns um. Alles Braun war aus seinem Gesicht gewichen, das nun bläulich anlief bis in die Nase. Man hätte meinen können, er habe eben einen Geist gesehen, oder den Leibhaftigen, oder etwas noch Schlimmeres, falls es das gibt. Auf mein Wort, er tat mir leid, denn er bot ein Bild des Jammers; von einem Augenblick zum nächsten war er nur noch ein alter, kranker Mann.

      »Komm, Bill, du kennst mich schon. Wirst doch ’nen alten Schiffskameraden wieder erkennen, aber ganz bestimmt!«, sagte der Fremde.

      Der Kapitän schien nach Luft zu ringen.

      »Der Schwarze Hund!«, keuchte er.

      »Klar, wer sonst?«, gab der andere zurück, nun etwas sicherer. »Der Schwarze Hund, wie er leibt und lebt, besucht seinen alten Schiffskameraden Billy, hier im Gasthaus Zum Admiral Benbow. Ach Bill, Bill, was haben wir nicht alles erlebt, wir zwei, seit mir die beiden Klauen verloren gegangen sind.« Und er hielt seine verstümmelte Hand hoch.

      »Schön«, sagte der Kapitän, »du hast mich aufgestöbert. Da bin ich. Also, leg los: was willst du?«

      »Ganz der alte Bill«, erwiderte der Schwarze Hund; »immer gleich zum Punkt. Und recht hast du. Der fabelhafte Knabe hier, den ich so ins Herz geschlossen habe, wird mir ein Glas Rum bringen, und dann setzen wir uns hin, nicht wahr, und reden mal offen miteinander, wie’s sich für alte Schiffskameraden gehört.«

      Als ich den Rum hereintrug, saßen die beiden schon einander gegenüber am Frühstückstisch des Kapitäns. Der Schwarze Hund hatte sich mit dem Rücken zur Tür gesetzt und seinen Stuhl ein Stück vom Tisch weggedreht, was ich mir dahingehend erklärte, dass er so einerseits seinen alten Schiffskameraden, andererseits aber auch seinen möglichen Fluchtweg besser im Blick behalten konnte.

      Er schickte mich hinaus; die Tür aber sollte weit offen bleiben. »Hat sich was mit Schlüsselloch, Jungchen«, sagte er. Ich ließ sie allein und zog mich ins Tresenzimmer zurück.

      Obwohl ich nach besten Kräften lauschte, hörte ich eine ganze Weile nur leises, undeutliches Gemurmel. Schließlich aber wurden die Stimmen lauter, und ich konnte ein paar Worte des Kapitäns aufschnappen – überwiegend Flüche.

      »Nein, nein, nein, nein, und fertig!«, schrie er einmal, und etwas später: »Wenn’s ans Baumeln geht, dann baumeln alle, merk dir das!«

      Dann plötzlich ein entsetzliches Getöse, eine wahre Explosion aus Flüchen und anderem Lärm: Tisch und Stühle polterten gegeneinander und fielen krachend zu Boden, Stahl klirrte, ein Schmerzensschrei gellte; im nächsten Augenblick sah ich den Schwarzen Hund in wilder Flucht, dicht verfolgt vom Kapitän. Beide hatten die Entermesser gezogen; dem Schwarzen Hund lief das Blut von der linken Schulter. Jetzt erreichten sie die Tür. Kaum im Freien, holte der Kapitän noch einmal zu einem letzten fürchterlichen Hieb aus, der den Flüchtenden sicher bis zum Rückgrat gespalten hätte, wäre die Wucht nicht vom großen Wirtshausschild des Admiral Benbow aufgefangen worden. Die Kerbe ist heute noch an der Unterseite des Schildes zu sehen.

      Der Schlag beendete das Gefecht. Einmal auf der Straße, gab der Schwarze Hund trotz seiner Verwundung mit erstaunlicher Behendigkeit Fersengeld: kaum eine halbe Minute, und er war hinter dem Kamm des Hügels verschwunden. Der Kapitän seinerseits stand unbeweglich vor dem Eingang und starrte das Schild an, verwirrt, als begriffe er nicht, wie das hatte passieren können. Dann fuhr er sich mehrmals mit der Hand über die Augen und kehrte schließlich ins Haus zurück.

      »Jim«, sagte er, »Rum.« Dabei taumelte er leicht und musste sich an der Wand abstützen.

      »Seid Ihr verletzt?«, rief ich.

      »Rum!«, wiederholte er. »Ich muss hier weg. Rum! Rum!«

      Ich rannte, welchen zu holen. Aber die Aufregung machte mich fahrig, so dass ich ein Glas zerbrach und den Zapfhahn überdrehte. Und während ich noch dergestalt mit meiner eigenen Ungeschicklichkeit kämpfte, hörte ich in der Gaststube einen lauten Fall. Rasch lief ich hinüber und sah, was geschehen war: der Kapitän lag der Länge nach am Boden. Im selben Augenblick kam meine Mutter die Treppe hinuntergestürzt; alarmiert durch das Geschrei und das Kampfgetöse, wollte sie schauen, ob ich Hilfe bräuchte. Wir knieten neben dem Kapitän nieder und hoben ihm den Kopf an. Er atmete sehr laut und schwer, aber die Augen waren geschlossen, und sein Gesicht hatte sich grässlich verfärbt.

      »O Gott, o Gott«, rief meine Mutter, »so eine Schande für unser Haus! Und dein armer Vater liegt oben krank!«

      Wir hatten keine Ahnung, wie wir dem Kapitän helfen sollten. In unseren Gedanken kamen wir nicht weiter als bis zu der Annahme, dass er sich bei dem Handgemenge mit dem Fremden wohl einen tödlichen Stich zugezogen hatte. Nun stand ja der Rum neben mir, den ich natürlich einzusetzen versuchte. Ich mühte mich, ihm etwas davon in den Hals zu gießen. Aber seine Zähne waren dicht geschlossen und die Kinnbacken hart wie Eisen. Erleichtert und froh atmeten wir auf, als sich die Tür öffnete und Doktor Livesey hereintrat, der meinen Vater besuchen wollte.

      »O Doktor«, riefen wir, »was machen wir nur? Wo sitzt denn die Wunde?«

      »Wunde? Von wegen«, versetzte der Doktor. »Der Mann ist nicht mehr verwundet als Ihr oder ich. Einen Schlaganfall hat er, wie ich es ihm ja vorhergesagt hatte. So, Mrs. Hawkins, Ihr geht jetzt hoch zu Eurem Gatten und erzählt ihm möglichst nichts von alldem hier. Ich muss nun wohl mein Bestes tun, dem Kerl sein dreifach wertloses Leben zu retten. Und du, Jim, bist so nett und holst mir eine Schüssel.«

      Als ich mit dem Verlangten zurückkam, hatte der Doktor dem Kapitän bereits den Ärmel aufgeschlitzt und ihm den starken, sehnigen Arm entblößt. Er trug an mehreren Stellen Tätowierungen, darunter Schriftzüge wie »Auf glückliche Zeiten«, »Guten Wind« oder »Billy Bones sein Schätzchen«, alles sehr sauber und leserlich eingeritzt; oben an der Schulter eine bildliche Darstellung: ein Galgen, von dem ein Mann herunterhing – nicht ohne Talent ausgeführt, wie ich fand.

      »Welch treffende Vorahnung«, meinte der Doktor, mit dem Finger auf die Zeichnung tippend. »Und nun, Meister Billy Bones, falls Ihr so heißt, wollen wir uns mal die Farbe Eures Blutes betrachten. Oder wird dir schlecht, wenn du Blut siehst, Jim?«

      »Nein, Sir«, antwortete ich.

      »Schön«, sagte der Doktor, »dann halt mal die Schüssel.« Er nahm eine Lanzette und öffnete eine Ader.

      Er musste ziemlich viel Blut ablassen, ehe der Kapitän endlich die Augen aufschlug und benebelt um sich schaute. Zuerst erkannte er den Arzt, und seine Miene verfinsterte sich unmissverständlich; dann erblickte er mich, und er schien erleichtert. Plötzlich aber schlug seine Gesichtsfarbe wieder um; er versuchte sich aufzurichten und schrie:

      »Wo ist der Schwarze Hund?«

      »Hier gibt’s keinen Schwarzen Hund«, erwiderte der Doktor. »Hier gibt’s nur den Hund, auf den Ihr gekommen seid; der allerdings kann einen schon schwarz sehen lassen. Ihr habt Rum getrunken, und dann hattet Ihr einen Schlaganfall, wie Euch von mir prophezeit. Und dann habe ich Euch gerade – sehr gegen meinen Willen – noch mal eben bei den Haaren aus der Grube gezerrt. Tja, Mr. Bones …«

      »So heiß ich nicht«, unterbrach ihn der Kapitän.

      »Hochinteressant. Spielt aber keine Rolle«, entgegnete der Doktor. »So heißt einer meiner Bekannten,

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