Die Jugend des Königs Henri Quatre. Heinrich Mann
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Jeanne sagte weiter: »Mein Sohn ist ein Junge vom Lande, und doch ein Königssohn. Er ist Soldat, daher hat er sowohl das Ehrgefühl als auch den unscheinbaren Edelmut, die beide dem echten Soldaten gehören.«
»Güte und Ehre sind ein und dasselbe. Ich habe im Plutarch gelesen -«
»Auch mein Sohn hat von mir den Plutarch zu lesen bekommen; er weiß sehr wohl seine Vorbilder aufzufinden unter den großen Männern. Er ist nicht geistlos, wenn ich auch sagte, daß er einfach ist. Sein Witz kommt aus einem lebendigen Herzen, nicht aus eitler Klügelei und getünchtem Grab!«
Margot setzte das Charakterbild unmittelbar fort: »Er hat königliches Blut, das aber ganz gesund ist, und sein Geist ist sich seiner Verfeinerung wenig bewußt.« Dies war das grade Gegenteil ihrer eigenen Lage, daher konnte sie es sich denken. Jeanne glaubte statt dessen irrtümlich, ihr inständig angepriesener Sohn habe jetzt an das Gefühl gerührt. Unachtsam setzte sie ihre Eröffnungen fort.
»Oh! Wie sehr wünschte ich, liebe Tochter, daß ihr beide euch nach eurer Verheiratung zurückzöget von diesem Hof. Denn hier ist nur Verderbnis. Sie geht so weit, daß hier die Frauen die Männer auffordern.«
»Haben Sie es auch bemerkt?« seufzte Margot. »Ja, es ist schlimm.«
»Lebt beide in Frieden und Einigkeit fern von hier! Ich habe Güter in Vendôme, dort wäret ihr die Herren, anstatt daß ihr am Hof von Frankreich einen leeren, nutzlosen Prunk entfalten müßt - wie heute bei der Prozession. Habe ich doch Herren gesehen: hunderttausend Taler reichen nicht für das Geschmeide, das einer an sich trug! Gott will aber anders geehrt werden, und er befiehlt, daß wir für ihn nicht prahlen, sondern kämpfen. Liebe Tochter! Wir alle sind fehlbar, aber die Protestanten hängen nicht allein an dem Reich von dieser Welt: das rechtfertigt uns, wir verstehen es, arm zu sein, bedroht zu leben und lange zu warten - um der Freiheit willen, und die ist in Gott.«
Die Königin Jeanne machte endlich eine Pause, sie hielt ihren drängenden Blick auf dem weißen Gesicht der Prinzessin Margot, worin die Augen sich ganz geschlossen hatten. Margot dachte: ›Gefährlich! Meine Mutter hat nur zu recht, die sind eine große Gefahr. Man wird gegen sie etwas Entscheidendes unternehmen müssen - was Mama auch vorhat, wenigstens vermute ich es stark. Sie schiebt es nur noch auf, bis sie auch meinen Henri in sicherer Obhut hat, den Jungen vom Lande, ehrlichen Soldaten, mit seinem lebendigen Herzen und noch einem anderen Gegenstand, an dem mir persönlich mehr gelegen ist.‹ Dies sann Margot, indessen Jeanne das eine ihrer Knie mit der Hand umspannte. Es war wie eine Besitzergreifung, hatte aber zugleich etwas Flehendes.
»Komm zu uns!« Das war ihre seltene Glockenstimme. »Nimm den wahren Glauben an! Du wirst glücklicher werden, als du je gedacht hättest. Dies Land wird die Einigkeit und den Frieden kennenlernen.«
»Auf wessen Kosten?« fragte die Schwester Karls des Neunten hinter ihren noch immer nicht geöffneten Augen. - ›Das geht natürlich nicht‹, entschied sie für sich. Gleichzeitig bemerkte sie allerdings, daß diese merkwürdige Frau im Begriff stand, sich unmöglich zu benehmen. ›Ihre Hand, die um mein Knie liegt, macht eine Anstrengung: kein Zweifel, sie stützt sich, und ihr eigenes Bein fängt an zu gleiten. Wenn ich nicht sogar eingreife, wird sie mir zu Füßen fallen.‹ Schnell erfaßte sie Jeanne beim Handgelenk.
»Madame, Sie denken von mir zu hoch. Ich bin vielleicht nur, was Sie ein getünchtes Grab nennen. Jedenfalls aber ist mein Bruder der König von Frankreich. Mein Vater war dasselbe - beide katholisch, und dies ist auch mein Glaube. Wir können es nicht ändern, selbst wenn ich möchte. Ich, die Tochter all der katholischen Könige, sehe mich nicht bei eurer Predigt. Deshalb aber muß Ihr Sohn noch nicht zur Messe gehen: ich werde duldsam sein.«
»Du willst mit ihm an diesem sittenlosen Hof bleiben?« Jeanne sprach ernüchtert, kalt, und bei dem Du ließ sie es diesmal aus bloßer Geringschätzung. Den aufsteigenden Haß unterdrückte sie um ihrer höheren, unveräußerlichen Zwecke willen. Wer war dies Mädchen, das so aufdringlich nach Moschus roch? Was konnte ihr böser Wille aufhalten oder ändern?
»Oh!« hauchte Margot, voll Nachsicht und sogar Mitleid für diese unglückliche Frau. »Ihr Sohn wird es gewiß bald lernen, sich am Hof zu bewegen. Ich bin ganz bereit, ihn zu beschützen. Zwar kann ich keine Protestantin werden, aber mit einem einfachen, rauhen Protestanten werde ich mich gut vertragen, das fühle ich.« Sie sprach noch weiter, denn die Prinzessin von Valoi beherrschte die Rede. Jedes ihrer Worte war unglücklich und erbitterte die Mutter Henris gegen sie; das konnte sie nicht wissen. Dagegen fiel ihr, einmal im Zuge, sogar die kleine Schwester ihres Verlobten ein, das unbedeutende Kind, an das sie sonst niemals dachte. Allerdings entsann sie sich seiner auch deshalb, weil die Tür nach dem Nachbarzimmer, oder vielmehr der gewirkte Vorhang über der Tür, sich leise ein wenig bewegte. Mit erhobener Stimme sagte Margot:
»Wenn ich nicht Ihren Sohn für einen Freund und Herrn ansähe, Madame, dann würde doch sicher Ihre reizende Tochter mich für ihn einnehmen. Wir haben kein solches Mädchen hier, zum erstenmal begegne ich einem Wesen ihresgleichen, und verzeihen Sie mir die gelehrte Erinnerung, eine der königlichen Hirtinnen des Altertums erscheint vor meinen Augen in der zarten Gestalt Ihrer Catherine.«
Worauf Catherine denn pünktlich und in Wirklichkeit eintrat. Ihre Mutter Jeanne, die den Florentiner Teppich und sein Schwanken nicht beachtet hatte, erschrak, ja, einen Augenblick glaubte sie an wunderbare Fähigkeiten ihrer Schwiegertochter, besonders, weil Catherine barfüßig ging und ihre aufgelösten Haare über ein weißes Nachtgewand fielen. Blond wie sie war und unschuldig von Gesicht, konnten die durch Margot berufenen Hirtinnen nicht anders aussehen. Margot ihrerseits stellte sich überrascht, wenn auch mit Geschmack und ohne Übertreibung. Sie stand nur auf und öffnete zum Empfang ein wenig die Arme, weil dieses Kind so lieblich war.
Die Königin Jeanne erkannte ein getünchtes Grab und sah entrüstet fort, weil sie es fast hätte bis zur Täuschung kommen lassen - indes ihre Tochter sich der bewunderten Margot vertrauensvoll mitteilte. »Ich huste etwas, heute muß ich im Bett liegen und Eselinnenmilch trinken. Madame, wenn Sie meinen Milchbruder, den kleinen Esel sähen, wie lieb er ist!«
»Und erst du, meine Kleine!« rief Madame, umarmte ihre Schwägerin und gab ihr viele harmlose, für sie passende Worte. Vielleicht, daß Catherine sich freute. Jeanne jedenfalls hörte nicht mehr hin, sondern durchmaß mit ihren Blicken dies fremde gleichgültige Zimmer. Genau dies war überall! Dieselben bilderreichen Wandbekleidungen, geschnitzte Truhen, schwer herabdrückende Decken, und das mit Himmel und Vorhang verdunkelte Bett und die Fenster am Rande tiefer Nischen: alles geheim, voll von Verstecken, unter Prunk und Zierrat unheildrohend, wenn man es ein einziges Mal recht ansah - und so die Menschen! So die Menschen, fühlte Jeanne, schaudernd, sie wußte nicht, warum.
Der Prinzessin Margot war mehr bekannt als ihr. Sie hatte manches erlauscht bei Hof und damit die Gesichter ihrer Mutter und ihres königlichen Bruders verglichen, wenn die beiden miteinander flüsterten. Während sie jetzt die unschuldige Catherine umarmt hielt, fühlte sie wunderbarerweise etwas sich regen, es konnte ihr Gewissen sein. Vielleicht war es im Gegenteil ein Stolz und Hochsinn, der nichts Tückisches kennen will. Catherine sang mit ihrem schwankenden Stimmchen, den hohen erschreckten Endsilben: »Sie sind so schön, Madame, heute müßte mein Bruder Sie sehen. Werden Sie ihm auch wohlgesinnt sein?«
»Ja, ja«,