100 Prozent Anders. Tanja Mai
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Ich bin zwar bis heute kein Michael Phelps, aber im Pool unseres Hauses auf Ibiza schwimme ich jeden Morgen meine 25 Bahnen. Bei einer Maximaltiefe von 1,60 Metern fühle ich mich sicher. Nur mein Kopf darf nicht unter Wasser, da bekomme ich sofort Panik. Auch ins Meer oder in einen See traue ich mich nicht. Mir macht die Strömung zu schaffen, außerdem kann ich nicht sehen, wie tief es da ist und wohin ich trete. Das finde ich eklig. Fazit: Schwimmen wird garantiert nie meine Lieblingsbeschäftigung werden. Dafür ist mein Kindheitstrauma einfach zu groß.
***
Mein Talent als Kinderstar hatte sich in Mörz und Umgebung schnell herumgesprochen. Plötzlich bekamen meine Eltern immer mehr Anfragen, ob ich Lust hätte, bei einem Firmenjubiläum oder einem runden Geburtstag zu singen. Ein Weinfest hier und eine Kirmes dort. Ob ich Lust hatte? Und wie, das stand wohl außer Frage! So wurde quasi über Nacht aus mir eine Art Kinderstar. Zwar auf niedrigem Niveau, aber immerhin durfte ich vor Publikum singen. Meine Eltern waren stolz darauf, einen Sohn zu haben, der sich freiwillig auf eine Bühne stellte und losschmetterte. Allerdings haben sie mich nie zu etwas gezwungen. Im Gegenteil. Meine Mutter sagte immer: „Wenn du das möchtest, darfst du auftreten. Wenn du keine Lust hast, lässt du es bleiben.“
Und mittlerweile gab es dafür auch keine Süßigkeiten mehr, sondern 50 oder 60 Mark, also so um die 25, 30 Euro.
Mit meinen acht bis zehn Auftritten pro Jahr peppte ich mir mein Taschengeld auf. Ich war damals wohl das glücklichste arbeitende Kind in ganz Deutschland! Noch ahnte ich nicht, dass mein nächster Karrieresprung bereits vor der Tür stand.
Anfang der Siebzigerjahre baute unser Schützenverein eine neue Halle. Da mein Vater ja Vereinsvorsitzender war, kam ein Journalist von der Lokalzeitung zu uns nach Hause. Er hieß Hans Stein und wollte mit meinem Vater ein Interview führen. Während dieses Gesprächs kam die Rede auch auf mich. Herr Stein hatte gehört, dass ich singen könne, und erzählte meinen Eltern, dass seine Frau einen Kinderchor leite. Mein Vater wurde sofort hellhörig und sagte zu ihm: „Hören Sie sich unseren Bernd doch einfach mal an. Vielleicht kann Ihre Frau ja noch Verstärkung im Chor gebrauchen.“ Mein Vater wollte nie einen Star aus mir machen. Er hat mein Singen auch nie zu stark glorifiziert. Vielmehr hoffte er, dass ich im Kinderchor Gleichgesinnte treffen würde, mit denen ich auch mal was anderes außer Musik machen könnte.
Ich wurde also ins Wohnzimmer zu den Erwachsenen gerufen und sollte ihnen etwas vorsingen. Herr Stein saß im Sessel und lauschte. Ich kann mich noch gut erinnern, wie sein Gesichtsausdruck immer ernster wurde. Als ich fertig war, starrte er mich einfach nur an. Irgendwann fragte meine Mutter in die Stille hinein: „Und, hat Ihnen unser Bernd gefallen?“ Herr Stein schüttelte den Kopf: „Der Junge kann unmöglich in den Kinderchor. Das passt nicht.“ Ich sah meinen Eltern an, wie enttäuscht sie waren. Da erklärte Herr Stein: „Ihr Sohn muss alleine singen. Seine Stimme ist zu gut für einen Chor. Auch seine Ausstrahlung und seine Bewegungen sind viel zu professionell. Man kann ihn nicht in eine Gruppe integrieren. Da würde er stets herausstechen.“ Herr Stein war so begeistert von mir, dass er mir versprach, einen professionellen Bühnenauftritt zu vermitteln. Ich war damals acht Jahre alt.
In Koblenz gab es zu dem Zeitpunkt ein großes Tanzhaus mit integrierter Gaststätte, den „Mosel-Tanzpalast Hommen“. Heute würde man so etwas „Event-Gastronomie“ nennen. In diesem „Tanzpalast“ gab es einen großen Tanzsaal für 1 000 Personen, eine Speisegaststätte, eine Kellerbar, eine Kegelbahn und eine einfache Kneipe.
Herr Hommen buchte mich auf Empfehlung von Herrn Stein für eine Weihnachtsfeier an einem Dezembernachmittag. Ich fuhr mit meinem Vater und einer „UHER“-Bandmaschine (UHER war eine professionelle Firma für Tonequipment) nach Koblenz, wir machten einen Soundcheck, und ich stand zwei Stunden später, Weihnachtslieder singend, auf der Bühne. Und die Bandmaschine lieferte die Musik dazu.
Kaum war ich fertig, kam auch schon Herr Hommen auf meinen Vater zu und sagte: „Herr Weidung, Ihr Sohn hat aber eine tolle Stimme. Auch sein Auftreten ist für das Alter erstaunlich. Hätte er vielleicht Lust, bei unserer diesjährigen Silvestergala aufzutreten?“ Mein Vater fühlte sich geschmeichelt und fragte mich, wie ich das sehe. Mir war nicht bewusst, was Silvestergala bedeutete. Aber auf einer Bühne zu singen, war für mich immer ein Muss. „Mmmmhhh“, sagte ich und nickte mit dem Kopf. „Welche Lieder soll ich denn singen?“, fragte ich.
„Oh“, sagte Herr Hommen, „ich habe eine elfköpfige Band. Du suchst dir ein paar Titel aus, und ich lasse die Arrangements schreiben. Einen Tag vorher findet die Probe statt, und an Silvester singst du dann gegen 21 Uhr, damit du wieder früh ins Bett kannst.“
Elfköpfige Band, Silvester und großes Publikum fand ich klasse. Aber früh ins Bett, was war das denn? Dies war ein Meilenstein in meiner Karriere, und ich sollte dann ins Bett? Na ja, es gab Wichtigeres zu entscheiden, welche Songs und welche Tonlage etwa.
Mein Repertoire bestand an diesem Abend dann aus:
Wenn wir alle Sonntagskinder wär’n (Heintje)
Après toi (Vicky Leandros) (Ich sang tatsächlich auf Französisch.)
Ein Indiojunge aus Peru (Katja Ebstein)
Wir lassen uns das Singen nicht verbieten (Tina York).
Ich gebe zu, als ich kurz vor meinem Auftritt stand, war mir schon etwas mulmig. Mal 50, mal 200 Leute, ok, aber 1 000 in festliche Garderobe gewandete Zuhörer, das war eine andere Hausnummer.
Meine Mutter hatte mir speziell für diesen Abend einen Smoking gekauft, was gar nicht so einfach war. In meiner Größe, 140, gab es keinen Smoking. Zumindest nicht in Koblenz! Also wurde er eine Nummer größer gekauft und von meiner Mutter auf meine Maße verkleinert.
Eine „Kinderfliege“ gab es erst recht nicht. Höchstens die aus der Karnevalsabteilung. Aber bitte, das ging ja gar nicht. Es existieren heute noch Bilder meines damaligen Outfits. „Bernie“ mit Smoking und einer Fliege, die so breit war wie mein Kopf. Ich sah jedoch schnell ein: Wer im Musikgeschäft nach oben will, muss modische Opfer bringen.
Der Auftritt war ein Knaller. Das Publikum tobte und wollte mich gar nicht von der Bühne lassen. Herr Hommen strahlte, und meine Eltern waren stolz. Wer wäre das nicht gewesen!?
Nach der Show sprach Herr Hommen mit meinen Eltern über weitere Engagements in seinem Tanzpalast. Es fanden dort, über das Jahr verteilt, sehr viele Firmenfestlichkeiten statt. Herr Hommen suchte für sein Nachmittagsprogramm immer wieder Künstler, die bei ihm auftreten sollten. Vielleicht hätte ich ja Lust, nachmittags aufzutreten, schlug er vor.
Lust? Natürlich! Ich wollte unbedingt und am liebsten sofort!
In der ersten Januarwoche rief mein Vater Herrn Hommen an, um die Dinge mit ihm noch einmal in aller Ruhe zu besprechen. Natürlich kam auch das Thema Gage auf den Tisch. „Was wollen Sie denn für einen Auftritt Ihres Sohnes haben?“, fragte