Das Geheimnis von Karlsruhe. Bernd Hettlage

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Das Geheimnis von Karlsruhe - Bernd Hettlage Lindemanns

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früher als Klopapierhüllen auf der Ablage im Fond deutscher Mittelklasseautos lagen.

      Arnold restaurierte weiter antike Möbel. Die meisten verkaufte er über eBay, immer sorgsam bedacht, unter der Umsatzgrenze für Kleinunternehmer zu bleiben, um die Umsatzsteuer zu umgehen.

      Im Frühjahr hatte sich seine Freundin Christine nach fünfjähriger Beziehung von ihm getrennt. Christine hatte er auf einer Party kennengelernt. Sie war Soziologin, arbeitete in einem Wissenschaftsbüro, das sie nach ihrem Studio aus Mangel an Jobalternativen mitbegründet hatte und das sich auf Migrantinnen spezialisiert hatte und mittlerweile recht erfolgreich Forschungsaufträge einwarb. Sie war zwei Jahre jünger als er. Während sie eine Art prekäre Karriere machte, hatte Arnold sich in seinem Dasein eingerichtet. Die Tage vergingen ruhig und gleichmäßig. Christine warf ihm eine gewisse Antriebslosigkeit vor, bedingt durch seine materielle Sicherheit, die, wie sie fand, gar nicht gut für ihn war. Er brauche dadurch nämlich nicht erwachsen zu werden.

      Arnold gab zu, dass sie teilweise recht hatte. Aber nur teilweise. Was war schlimm daran, dem Zwang, Geld verdienen zu müssen, nicht ausgesetzt zu sein? Es brachte eine gewisse Gemütsruhe mit sich, von der auch sie, Christine, profitierte. Wann war er denn schon mal schlecht gelaunt? Wann schimpfte er auf einen Chef, den Job, die Verhältnisse und alles andere? Auch krank war er so gut wie nie.

      Sie hatten nie zusammengewohnt. Im letzten Herbst hatte Christine ihm ein Ultimatum gestellt: Sie wollte mit ihm zusammenziehen und sie wollte ein Kind. Bis zum Frühjahr sollte eine Entscheidung fallen.

      Jetzt war sie gefallen.

      „Diese Erbschaft ist dein Fluch“, sagte sie zum Abschied.

      Lukas Arnold war intelligent. Er wusste schon, dass er einige seiner Chancen nicht genutzt hatte – Chancen beruflicher, gesellschaftlicher Art. Aber er fühlte sich wohl mit seinem Leben, so wie er es sich eingerichtet hatte. Was war daran falsch? War er wirklich nicht erwachsen? Was verstand „man“ überhaupt darunter? Die Verantwortung für ein Kind übernehmen? Solche Diskussionen hatten sie zunehmend verbissen miteinander geführt.

      Wenn er ehrlich zu sich war, war er gar nicht mal unfroh, dass er das hinter sich hatte.

      Vielleicht würde er im Winter mal wieder ein paar Monate nach Asien fliegen und sich alles in Ruhe durch den Kopf gehen lassen. Im Himalaja wandern, ein Retreat besuchen, solche Dinge. Oder in Goa am Strand abhängen und sich keinen Kopf machen.

      War das Leben nicht viel zu schade für solch endloses Gründeln nach Gründen? Um sich dann selbst zu optimieren, so scientologymäßig, oder was?

      Christine hatte seit dem Sommer einen neuen Lover, so hörte er. Die nächste Nachricht von ihr, dachte er, würde sein, dass sie schwanger war.

      Auch gut. So war es eben. Er wünschte ihr wirklich Glück und ein erfülltes, zufriedenes Leben.

      Mit dem Haus in der Karlsruher Südstadt hatte zweifelsohne er Glück gehabt. Von wegen „die Erbschaft ist dein Fluch“. Sein Segen war sie!

      Er hatte das Haus behalten. Die kleine Zweizimmerwohnung im dritten Stock, in der seine Großmutter zuletzt gelebt hatte, war jetzt seine Ferienwohnung, die er während seiner Karlsruhe-Aufenthalte benutzen konnte. Er strich die Wände neu, entfernte die Hälfte der Einrichtung und behielt, nachdem er sie aufgearbeitet hatte, die andere Hälfte. Er kaufte einen Sessel von Ikea dazu und ein paar Küchenutensilien und war manchmal fast glücklich, wenn er sich in diesen Räumen aufhielt.

      Als hätte er diese Wohnung den Grauen Herren gestohlen oder Besser noch, abgeluchst. Und jetzt gehörte sie ihm, ganz für sich allein.

      Sein Refugium.

      Die einzige Anweisung an ihn im Testament seiner Großmutter lautete, in jedem Fall ihre gesamte Bibliothek aufzubewahren und nicht ein einziges Teil davon wegzuwerfen, ganz gleich, in welchem Zustand es sich befand. Nicht ein Stück Papier, nicht einen einzigen Notizzettel.

      Arnold respektierte das und hielt sich daran.

      Er hatte damals alles grob durchgesehen und sich ein paar interessante Bücher mit nach Berlin genommen. Der Rest kam auf den Speicher des Hauses und wurde hinter einer dicken Metalltür verschlossen. Seitdem hatte er nur ein- oder zweimal nach oben geschaut, vor allem um die Bücher, die er entnommen hatte, zurückzulegen. Er hatte keine Ahnung, warum er all dies aufheben sollte, aber die Anweisung im Testament war äußerst eindringlich formuliert.

      Vielleicht sollte er Klaus Peter Händler die Tagebuchblätter seines Ahnen zeigen.

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