Wacken Roll. Andreas Schöwe

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Wacken Roll - Andreas Schöwe

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selbst wenn sich in den ersten beiden Jahren die „Gartenpartys“ insofern rentieren, als dass die Veranstalter nach dem Event „plus/minus Null“ bilanzieren: In dem Moment, in dem sich das Festival etabliert und als feste Größe auf der Open-Air-Landkarte erscheint, wird aus dem Spaß schnell Ernst und sind die Wacken-Jungs – wohl gemerkt: allesamt als Autodidakten in das Business geraten – kommerziellen Gesetzmäßigkeiten unterworfen. Zum Beispiel dieser, dass mehr Gäste – zur zweiten Auflage besuchten mit etwa 1.300 Fans um die 500 Gäste mehr als im Vorjahr die Sause – auch mehr Kosten verursachen, und sei es nur hinsichtlich der Müllbeseitigung beziehungsweise der Abwasserentsorgung, für die anfangs noch das örtliche Klärbecken herhalten musste (das aufgrund des plötzlich großen Zulaufs schon mal zu kippen droht). Oder dass sich der Aufbau professioneller Strukturen für nur eine einzige Veranstaltung im Jahr nicht lohnt, weil das ökonomische Potenzial dieser Strukturen die restliche Zeit der zwölf Monate nicht brachliegen sollte, also genutzt werden müsste, – zum Beispiel für die Organisation von Tourneen oder anderen Veranstaltungen.

      Genau das nehmen Hübner, Jensen & Co. in Angriff: Zwischen den Festivals verdingen sich Stone Castle Rock Promotion verstärkt als lokaler Konzertveranstalter, sammeln dabei weitere Erfahrungen im Bereich des Bookings, der Event-Werbung und der Organisation von Veranstaltungen, knüpfen dabei wertvolle Kontakte. Wohlgemerkt: Alles nebenberuflich. Noch …

      1992

      Ab jetzt wird geklotzt und nicht gekleckert: Um dem Image einer Wald-und-Wiesen-Party zu begegnen, installieren die Organisatoren erstmals eine Bühne plus PA und Lichtanlage mit professionellen Dimensionen in der Kuhle. Im Bestreben, die dadurch entstehenden höheren Kosten aufzufangen, werden Agenturen kontaktiert, die Werbepartner und Sponsoren vermitteln (bisher trat als solcher lediglich Holgers und Thomas Kumpel Hinnerk Husmann mit seiner Firma Aquafant in Erscheinung). Allerdings nur mit mäßigem Erfolg. Letztlich zappelt lediglich der Zigarettenkonzern Prince Denmark an der Angel und ist bereit, etwas Geld aus seiner Portokasse locker zu machen: „Als sie unseren Plakat-Entwurf mit unserem Logo, dem Wacken-Totenschädel, sahen, kriegten sie die Krise“, erinnert sich Holger. „Sie bestanden auf normierte Plakate, die sie neben dem W:O:A für die in diesem Sommer stattfindenden Open Airs in Jübeck, Wallsbül und Rendsburg verwenden könnten. Wir ließen uns darauf ein – aber nur dieses eine Mal, und in Zukunft nie wieder.“

      So entsteht der Slogan „Sponsored by Nobody“ – von niemandem gesponsort …

      Das W:O:A 1992 geht schon alleine deshalb als erstes „richtiges“ Open Air in die Wacken-Annalen ein, weil jetzt mit Blind Guardian und Saxon zwei renommierte Acts auftrumpfen, die als „amtliche“ Headliner gelten: Die Krefelder zählen zu den Shoting Stars der deutschen Metal-Szene, feiern sogar im fernen Japan riesige Erfolge, werden dort fast schon gottgleich verehrt – und über die New-Wave-of-British-Heavy Metal-Legende Saxon in Metaller-Kreisen noch Worte zu verlieren, hieße Krabbencocktails nach Sylt tragen. Aber auch die in Insider-Kreisen hoch gehandelten irischen Hard-Rocker Mama’s Boys tragen ihr Scherflein zum Image-Gewinn des Festivals mit bei.

      Hinzu kommt: Erstmals wird im Party-Zelt eine zweite Bühne installiert – die „Party Stage“, die in erster Linie Cover- und Spaß-Combos vorbehalten bleibt, die während des Umbaus auf der Hauptbühne die Wartezeit durch ihre Fun-Gigs überbrücken helfen sollen. Durch diese zweite Bühne – und durch den zu erwartenden größeren Andrang – wird der Platz in der Kuhle zu klein, um gleichzeitig dort zu Zelten. Also fragen Hübner, Jensen & Co. den Besitzer der Koppel auf der anderen Straßenseite (etwa an der Stelle, an der sich heute die Hauptbühnen befinden), ob er etwas dagegen hätte, wenn sein Acker am 21./22. August einer veränderten Nutzung zugeführt wird: der des Park- und Campingplatzes. Der Name des Besitzers jener Scholle, der später generell die Akquirierung von Ackerflächen übernehmen und seinerseits zur Wacken-Kult-Figure avancieren sollte: Uwe Trede.

      Allerdings entstehen auch verstärkt unverhoffte Mehrkosten, die dem ganzen Spaß ein riesiges Loch bescheren, wie Holger Hübner illustriert: „In der Kuhle tummelten sich etwa 2.500 zahlende Gäste, die in erster Linie wegen der gebuchten Bands in Wacken anreisten. Auf dem Zeltplatz aber feierten noch einmal recht viele Leute ordentlich Party, ließen sich gratis von der Musik, die von der anderen Straßenseite rüber schallte, berieseln. Dementsprechend stiegen dann auch die Kosten für die Müllbeseitigung – was uns allerdings erst Wochen später einen Strich durch die Endabrechnung machte!“

      Trotzdem hätte auch unter der Bilanz der 92er Ausgabe des Wacken:Open:Airs eine „schwarze Null“ stehen können. Dennoch bilanzieren die Organisatoren „ein Minus von etwa 25.000 Mark“. „Aus Dusseligkeit“, wie Thomas Jensen rückblickend zugibt, „wir saßen einem falschen Ratschlag auf.“ Denn als die erstmals angeheuerte professionelle Security am ersten Abend während der Show des Headliners Blind Guardian über 2.500 Zuschauer zählte, erwarteten sie für den zweiten Tag für den Auftritt des Top-Acts Saxon etwa 5.000, wenn nicht gar 10.000 Besucher. Um diesem vermeintlichen Andrang im Falle des Falles Herr werden zu können, stockte die für die Sicherheit auf dem Gelände zuständige Firma ihre Mannschaft um 50 mit allem Drum und Dran ausgerüsteten Ordnern auf. Die wiederum haben ihren Preis – auch wenn diese Aktion letztlich nicht notwendig gewesen wäre …

      Unabhängig davon forcieren die Wackener den Aufbau eigener Strukturen: Konzerte, Partys, Rock-Nächte und ähnliche Veranstaltungen werden auch in anderen Städten organisiert – darüber hinaus zum Beispiel eigene Absperrgitter angefertigt und diese vermietet. Allerdings gibt es auch Rückschläge – und das Jahr 1993, eines der schwärzesten in der Wacken-Geschichte.

      1993

      Noch ahnt niemand, dass das Jahr 1993 als „Seuchenjahr“ in die W:O:A-Annalen eingehen wird: Thomas Mutter stirbt, Holger erleidet am 13. Dezember 1993 einen schweren Unfall, der ihn für lange Zeit ans Krankenbett fesselt – und kurz vor Weihnachten stehen die Festival-Organisatoren vor dem Ruin.

      Unabhängig davon rücken seit diesem Jahr mehr denn je bewusst initiierte Reunionen als „Special Events“ in den Fokus des Billings, sozusagen als eine der maßgeblichen Hauptattraktionen des Festival-Programms. „Aufgrund unseres Standortnachteils bestand die Notwendigkeit, Programmpunkte zu entwickeln, die einen zusätzlichen Reiz auf unsere potenzielle Kundschaft ausüben, sozusagen als Besuchermagnet wirken“, erzählt Thomas Jensen. „Denn Festivals gab es schon zu jener Zeit wie Sand am Meer, und alleine das Dynamo Open Air im holländischen Eindhoven stellte zu der Zeit zunehmend eine Macht dar. Wir wollten uns aber von der Konkurrenz abheben, unseren Besuchern Bands bieten, die sie eben nicht jeden Tag auf den anderen Festivals sehen, sondern ihnen etwas nicht Alltägliches vorsetzen, in dessen Genuss sie ausschließlich in Wacken – und sonst nirgendwo – kommen!“

      Im Jahre 1993 sind es die US-Progressive-Metaller Fates Warning, deren Ankündigung für ein Raunen unter den Kennern der Materie sorgen, gilt das Quintett doch in Fachkreisen als „Kult“. Und momentan als „unsigned“, denn der Plattenvertrag mit dem alten Label war ausgelaufen, ein neuer Vertrag nicht in Sicht, da der Fünfer nicht in die immer noch herrschende Doktrin des Grunge-Booms passt. Mit anderen Worten: Fates Warning sind faktisch tot. „Deren Chef-Gitarrist Jim Matheos nahm gerade in einem Studio nahe Hamburg sein Solo-Album auf. So entstand die Idee, die ehemaligen Bundesgenossen doch noch einmal zusammenzutrommeln, sie nach Deutschland einzufliegen, dort eine Woche lang proben zu lassen und das alles als Fates-Warning-Reunion für das Open Air anzukündigen.“ Diese Ganze Aktion kostet die Veranstalter (O-Ton Jensen) „irre Summen“. Weniger hinsichtlich der Gagen, die nur einen Bruchteil der Spesen ausmacht. Vielmehr schlagen die Kosten für Flugtickets, Hotels und PA- sowie den Proberaum in Wilster exorbitant zu Buche. Allerdings stellt sich ein nicht zu unterschätzender Promotion-Effekt ein: „Auf der kurz zuvor in Köln veranstalteten Musikmesse traute niemand seinen Ohren, als wir erzählten, Fates Warning würden bei uns auftreten – alle dachten, die Band hätte sich ob ihrer aussichtslosen geschäftlichen Situation desillusioniert aufgelöst!“, schwärmt Jensen noch

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