Gefährlich gute Grooves. John Taylor
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Roxy Music war die Band, die meine besondere Aufmerksamkeit auf sich zog, weil alle darin Stars waren, ungewöhnlich aussahen und musikalischen Charakter hatten. Ihr Debüt in Top of the Pops im August 1972 veränderte alles für mich.
Es ist schwer zu sagen, was innovativer war, der Sound oder die Optik.
Beginnen wir mit dem Sound: Sci-Fi-Trash und Vaudeville, treibende Backbeats und schmachtender Gesang im Stil von Sinatra. Und das Aussehen: Lipgloss, Pelz und ein kalbslederne Handschuhe tragender Keyboarder, der im Grunde nicht spielte, sondern stattdessen fleißig Knöpfe betätigte.
Ich klebte förmlich am Fernseher.
Das war meine Mondlandung.
Ich träumte nie davon, ein Frontmann zu sein, aber ich fing an, mich irgendwo in einer Truppe zu sehen, vielleicht ein Stück links vom Scheinwerferlicht.
9: Nebendarsteller
Die Welt der Konzerte und der Live-Musik kam mir aufregend vor, und ich wollte mit dabei sein, aber das setzte schwierige Verhandlungen mit den Altvorderen voraus. Eddie und seine Freunde reihten sich oft in die langen Schlangen ein, die sich Samstagabend vor dem Odeon im Zentrum von Birmingham bildeten. Sie warteten die Nacht hindurch, um Tickets zu bekommen, wenn am nächsten Morgen um elf die Konzertkasse öffnete.
„Ich sag dir was, Junge“, schlug Ed vor, nachdem für Weihnachten ein Konzert von Rod Stewart angekündigt worden war. „Wir übernehmen die Nachtschicht mit unseren Schlafsäcken. Du und dein Kumpel, ihr kommt dann morgens mit dem ersten Bus und löst uns in der Schlange ab – ihr holt die vier Tickets, wenn sie aufmachen.“
Das hörte sich gut an. Und ich musste es noch nicht einmal zu Hause erwähnen.
Alles lief nach Plan, bis um elf Uhr Bewegung in die Schlange kam. Was für ungehobelte Leute! Stewart hatte in den frühen Siebzigern recht trinkfreudige Anhänger, und sie hatten die ganze Nacht gebechert. Ich kleines Würstchen und mein Kumpel wurden hin- und hergestoßen, geschoben und abgedrängt; mehrfach verloren wir unseren Platz, aber wir ließen uns nicht unterkriegen. Ich konnte meinen Cousin nicht im Stich lassen, der so viel Vertrauen in mich gesetzt hatte, und ich hatte diesen heißen, klebrigen Zehner (die besten Tickets kosteten damals zwei Pfund). Aber als noch zehn oder zwanzig Leute in der Schlange zwischen mir und dem Odeon standen, ging ein Schild hoch: ALLE TICKETS AUSVERKAUFT. Verlor ich bei Eddie und seinen Freunden jetzt meine Glaubwürdigkeit? Nun, er war sehr verständnisvoll. Er musste jetzt nur etwas mehr Cash für zwei Tickets vom Schwarzmarkt zusammenkratzen –
diesen Auftritt wollte er sich einfach nicht entgehen lassen.
Im nächsten Jahr, als Rod Stewart und die Faces zwei Weihnachtskonzerte in Birmingham ankündigten, zuckelte ich mit meinem neuen Freund Nick Bates mit dem ersten Bus am Morgen in die Stadt. Kaum zu glauben, aber wir standen plötzlich ohne große Anstrengung vorne in der Schlange und konnten Karten für zwei Plätze in der ersten Reihe erstehen.
Dass es so leicht war, wertete ich als ein Zeichen von Magie. Nick – der Mann, der später Rhodes hieß – ruhte schon immer im Zentrum seines eigenen Universums. Er ist ein außerordentlich kreatives Individuum, mit dem es das Schicksal gut gemeint hat. Seine Mutter hatte sogar einen Spielzeugladen! Wie viel Glück kann man eigentlich haben? Von Beginn unserer Beziehung an wusste ich, das Leben würde aufregend sein, wenn ich nur in seiner Nähe blieb.
Ich traf Nick im Winter 1973. Ich war dreizehn, er elf. Das Elf-Plus-Examen, das ich erfolgreich abgelegt hatte, war nach meinem Jahrgang in unserer Gegend abgeschafft worden. Man hatte es durch etwas vermeintlich Demokratischeres und weniger Selektives ersetzt, also konnte Nick sich nicht daran versuchen. Man schickte ihn auf die örtliche Mittelschule in der Wohnsiedlung oben auf dem Hügel, die Woodrush School an der Shawhurst Lane. Die Regierung hatte verfügt, dass grundsätzlich jeder in die Schule gehen sollte, die der Wohnadresse am nächsten lag. Ein negativer Effekt dieser Entscheidung war, dass meine Schule, die County High School, von ortsansässigen Prolos überschwemmt wurde. Manche von ihnen wollten einfach nur den Buben vom Gymnasium – diese Schwuchteln! – so viel Ärger machen, wie sie konnten. Ich wurde schnell zu einem geschickten Vermittler, war freundlich zu den Schwachköpfen und gleichzeitig meinem eigenen Stamm so treu wie möglich, besonders den kultivierten jungen Damen in ihren engen blauen Blusen. Mein engster Freund aus der Nachbarschaft trug den eher ungewöhnlichen Namen David Twist. Er war so alt wie ich (wir waren sozusagen Bett an Bett im selben Krankenhaus zur Welt gekommen), und seine Mutter war einige der wenigen Freundinnen meiner Mum. David war durch sein Examen gefallen. Deshalb war er auch auf der Woodrush School, wo er Nick kennen lernte. Obwohl Nick zwei Jahre jünger war, ahnte David, dass Nick und ich uns verstehen würden, also machte er uns miteinander bekannt.
1973 war David Bowie der König, und das zu Recht. Er hatte eine bemerkenswerte Serie von Erfolgen hingelegt. Die Veröffentlichung seines Meisterwerks The Rise And Fall Of Ziggy Stardust And The Spiders From Mars war nur der Anfang. Er schrieb außerdem „All The Young Dudes“ für Mott the Hoople, eine seiner Lieblingsbands, die sich aufgelöst hatte, aber wieder zusammenfand, als sie den Song hörte. Er produzierte Transformer für Lou Reed und verhalf ihm zu seinem ersten Top-30-Hit überhaupt. Und dann – das war am erstaunlichsten – verschaffte er sich Zugang zu Iggy and the Stooges, um an der Produktion von Raw Power mitzuwirken und diesen New-Metal-Koloss abzumischen. Im Juni 1973 absolvierte Bowie eine gewaltige UK-Tour, an deren Ende er von der Bühne des Londoner Hammersmith Odeon seinen Rückzug verkündete. Es war natürlich eine List, wie wir alle bald erfahren sollten (es war Ziggy, der in Rente ging, nicht David). Aber ich erinnere mich, wie ich es in den 8.30-Nachrichten hörte, als ich in der letzen Reihe des Schulbusses saß. Es war, als würde die Queen abdanken, und so war es ja irgendwie auch.
Aber Nick und ich teilten ein geheimes Wissen bei dieser ganzen Geschichte. Während „The Dame“ die Verbeugungen machte und den ganzen Applaus bekam, lauerte die eigentlich Macht hinter dem Thron links auf der Bühne: Bowies Lead-Gitarrist Mick Ronson, mit wasserstoffblonden Haaren und Plateauschuhen.
Alle Mädchen in der Schule waren in jenem Jahr Fans von Bowie, also war es für uns naheliegend, auch Bowie-Fans zu sein. Wir waren stattdessen beide vom subtilen, stillen Ronson fasziniert, was uns noch fester zusammenschweißte. Die Juwelen schuf zweifellos Bowie, aber es war Mick, der die Fassungen schmiedete und dafür sorgte, dass die Steine im bestmöglichen Licht gezeigt wurden.
In den ernsthaften Musikmagazinen hat es in den letzten Jahren viele Geschichten darüber gegeben, was Mick zum Bowie-Kanon beigesteuert hat. So als hätten die Experten nach jahrelangen Recherchen und Laser-Scans entdeckt, dass eigentlich Michelangelos Assistent Luigi die richtig geilen Sachen in der Sixtinischen Kapelle gemalt hat, während der Boss gerade beim Mittagessen war.
Nick war bereits bei zwei Konzerten gewesen – ja, dieser Bursche war weit für sein Alter. Gary Glitter und Slade, wenn die Erinnerung nicht trügt. Mir stand diese Entjungferung noch bevor. Also stellten wir zwei uns an einem Samstagmorgen im Frühling ’74 vor der Birmingham Town Hall an, um zwei Karten für Ronsons im April anstehende erste Solo-Tour zu erstehen. Wir bekamen Plätze in Reihe J, die Karten kosteten jeweils 1,35 Pfund. Es war das erste Mal, dass meine Eltern mir erlaubten, abends in die Stadt zu gehen.
Ihr Einverständnis verdankten wir Nicks Mum Sylvia, die bereit war, uns hinzufahren und auch wieder abzuholen. So mussten