ICH. Ricky Martin

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ICH - Ricky  Martin

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lange Weg meiner Selbstfindung war gewiss nicht einfach. Obwohl ich an meinen Erfahrungen gewachsen bin und viel gelernt habe, setze ich diesen Weg nach wie vor jeden Tag meines Lebens fort. Ich brauchte viele Jahre der Stille und der Reflexion, um zu erkennen, was ich wirklich in meinem Herzen trage. Bevor ich der Welt meine Wahrheit präsentieren konnte, musste ich mich erst einmal selbst annehmen und meine innere Ruhe finden.

      Das Leben verläuft in verschlungenen Bahnen. Heute bin ich mir jedoch ganz sicher, dass alles aus einem bestimmten Grund geschieht. Manchmal ist dieser schwer zu erkennen, doch aufgrund meiner eigenen Lebenserfahrung kann ich sagen, dass alles deshalb geschieht, weil es genau so sein soll. Die Lektionen des Lebens sind wie eine Reihe geschlossener Türen: Nachdem du die entsprechende Lektion gelernt hast, schließt sich eine Tür, und eine andere geht auf, sodass du deine Reise fortsetzen kannst. Jede Phase meines Lebens brachte wertvolle und wichtige Erfahrungen mit sich, ganz gleich, was es mich kostete oder wie schwierig es auch war. Meinen Erfahrungen bei Menudo verdanke ich beispielsweise mein Arbeitsethos und meine Disziplin. Damals ahnte ich vielleicht noch gar nicht, wie wichtig diese in der Zukunft für mich sein würden. Später, nachdem der Rummel um »Livin’ La Vida Loca« nachgelassen hatte, verstand ich schließlich, wie wichtig es ist, nein sagen zu können. Auf meiner Indienreise wiederum lernte ich, den Blick nach innen zu wenden und mich selbst kennenzulernen. Als frischgebackener Vater (ebenso wie alle Väter vor mir) erfuhr ich erst vor Kurzem, was bedingungslose Liebe bedeutet. Und als ich endlich den Mut fand, mit meiner Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen, begriff ich nicht nur, was es hieß, ohne Angst zu leben, sondern auch, dass die Angst nur in unseren Köpfen existiert.

      Beim Schreiben dieses Buches gab es viele Momente, in denen ich mich äußerst verletzlich fühlte. Aber zugleich gab es auch Augenblicke, in denen ich mich wunderbar befreit und glücklich fühlte, weil ich die Vergangenheit endlich hinter mir lassen konnte. Es war ein intensiver Läuterungsprozess, der viele Wunden heilen ließ und mir half, Dinge zu verstehen, die einst für mich keinen Sinn ergaben. Heute sehe ich alles viel klarer, und dafür bin ich sehr dankbar.

      Nun befinde ich mich ganz im Einklang mit mir selbst.

      Ich bin bereit, mich so zu geben, wie ich bin – gegenüber der Öffentlichkeit, meiner Familie, meinen Freunden und in Beziehungen. Ich möchte, dass meine Kinder dieses Buch eines Tages lesen. So werden sie meine spirituelle Reise nachvollziehen können, die in der Freude gipfelte, ihr Vater zu sein. Ich möchte ihnen mein Herz vollkommen öffnen, sodass sie in Zukunft keine Angst davor haben müssen, das Gleiche zu tun.

      Ich habe in diesem Buch mein Innerstes nach außen gekehrt. Zunächst einmal möchte ich jedoch eine Sache klarstellen: Dass ich mich entschieden habe, über mein Leben zu sprechen, heißt nicht, dass ich über das Leben anderer Menschen sprechen werde. Jeder Mensch hat ein Recht auf Privatsphäre und Diskretion. Aus diesem Grund habe ich beschlossen, Namen und Identität bestimmter Personen für mich zu behalten. Auch wenn es einige Menschen gibt, die in meinem öffentlichen Leben eine wichtige Rolle spielten und wahrscheinlich leicht zu identifizieren sind, werde ich sie in meiner Geschichte doch nicht erwähnen. Ebenso wie ich selbst bei etlichen Gelegenheiten auf mein Recht auf Privatsphäre gepocht habe, muss ich auch das Recht der anderen darauf respektieren. Das ist mein Leben, mein persönlicher Weg, und ich bin heute bereit, meine Geschichte zu erzählen. Aber das Leben anderer Menschen soll durch meine Entscheidung nicht beeinträchtigt werden.

      Von dem Augenblick an, in dem ich auf ABSENDEN klickte, um der Welt meine wahre Geschichte zu präsentieren, brandete mir eine solche Welle an Zuneigung entgegen, dass es geradezu überwältigend war. Das hat mir klar gezeigt, dass die Angst, die ich zuvor empfunden hatte, nur in meinem Kopf existierte – so wie jede Angst. Das Leben ist viel schöner, wenn man sich der Welt öffnet und sich so gibt, wie man ist, ohne irgendwelche Hemmungen oder Geheimnisse zu haben. Heute spüre ich deutlicher denn je, dass dies ein großer Moment für mich ist und dass ich, wie Meister Gandhi es ausdrückt, die Kraft besitze, ein mit Liebe, Frieden und Wahrheit erfülltes Leben zu leben.

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      Ich finde es faszinierend, rückblickend den Weg zu betrachten, den ich gegangen bin – nicht nur in punkto Karriere, sondern auch im Privatleben. Was mir bisweilen unbegreiflich oder äußerst schwierig zu verstehen schien, sehe ich heute als etwas, das zwangsläufig geschehen musste. Alle meine Erfahrungen haben mich auf das vorbereitet, was kommen sollte – und noch kommen wird. Zunächst tat ich mich etwas schwer mit dieser Erkenntnis. Doch als ich sie erst einmal verinnerlicht hatte, konnte ich schließlich ein erfüllteres und befriedigenderes Leben führen. Denn ich habe akzeptiert, dass das Gute wie das Schlechte Teile eines Ganzen sind. Diese Vorstellung war für mich in vielerlei Hinsicht wie eine Befreiung. Sie gab mir die Kraft, sämtliche Schwierigkeiten zu meistern. Der Gedanke, dass ich, ohne es zu wissen, schon früh an meiner Identität, meiner ureigenen Geschichte gearbeitet habe, fasziniert mich.

      Wie alles begann

      Es begann mit einem Löffel.

      Jeder in meiner Familie wird bestätigen, dass ich schon sehr früh mit Musik in Berührung kam. Meine Familie hatte mütterlicherseits schon immer ein Faible für Musik. An Sonntagnachmittagen versammelten wir uns im Haus meiner Großeltern, und früher oder später packte jemand eine Gitarre aus und begann zu singen. Mein Großvater zum Beispiel war ein begnadeter Dichter. Seine improvisierten Reime waren romantisch und sehr stilisiert, so wie ich es seitdem nie wieder gehört habe. Mein Großvater war ein strenger, sehr konservativer Mann, der sein Leben ganz der Familie widmete. Wie die meisten Männer seiner Generation war er ein ziemlicher Macho. Aber immerhin lehrte er uns Männer, die seinen Namen tragen, wie wichtig es ist, einer Frau Respekt zu erweisen, ihre Schönheit zu bewundern, für sie zu sorgen und sie zu beschützen. Er sagte immer zu uns: »Eine Frau muss man so behutsam und feinfühlig behandeln wie ein Rosenblatt.« Er war anscheinend ein hoffnungsloser Romantiker, eine Eigenschaft, die ich zweifellos von ihm geerbt habe.

      Von meinem sechsten Lebensjahr an schnappte ich mir oft einen Holzlöffel und benutzte ihn als Gesangsmikrofon. Stundenlang sang ich mit dem Löffel in der Hand meine Lieblingssongs: Menudo-Songs oder Stücke amerikanischer Rockbands wie REO Speedwagon, Journey und Led Zeppelin. Diese Art von Musik hörten damals meine älteren Geschwister. Ich erinnere mich, wie wir oft alle zusammen bei meinen Großeltern waren. Während wir auf dem Balkon saßen, um frische Luft zu schnappen und Geschichten zu erzählen, legte ich irgendwelche Musik ein, nahm mein »Mikrofon« und begann zu singen.

      Zu dieser Zeit hätte sicherlich keiner gedacht, dass ich einmal ein professioneller Künstler werden würde. Ich hatte jedoch einen Onkel, der immer zu mir sagte: »Wenn du berühmt bist, ruf mich an, dann komme ich und trage dir dein Gepäck.« Worauf ich mit vollem Ernst antwortete: »Klar doch!« (Es erübrigt sich zu erwähnen, dass er seinen Teil des Deals dann übrigens nicht erfüllte.) Jedenfalls bin ich sicher, dass sie es genossen, mir beim Singen und Tanzen zuzuschauen. Aber bestimmt hat damals keiner damit gerechnet, dass ich eines Tages genau dasselbe vor Hunderttausenden von Menschen tun würde.

      So verwunderlich es auch scheinen mag, ich wusste schon von klein auf, dass ich für die Bühne bestimmt war. Es war keine bewusste Entscheidung. Ich bin auch nicht eines Tages aufgewacht und habe gesagt: »Ich will Künstler werden.« Doch ich kann sagen, dass ich mit der Zeit herausgefunden habe, was mir wirklich Spaß macht, und ich versuchte dann einfach, mein Hobby so oft wie möglich auszuüben. Ich weiß, dass einige Menschen viele Jahre brauchen, um zu entscheiden, was sie aus ihrem Leben machen wollen, um etwas zu finden, das sie antreibt. Dies kann zweifellos ein schwieriger Prozess sein. Ich hatte jedoch Glück. Bei mir war das Ganze eine sehr instinktive Angelegenheit. Auch wenn ich damals mit vorgehaltenem Löffel nur für meine Großeltern, Tanten und Onkel sang, so hat es mir doch großen Spaß gemacht. Deshalb war es meiner Meinung nach mehr als nur eine vorübergehende Phase. Es war viel stärker. Was als Spiel begann, wurde zu einer Leidenschaft. Es berauschte mich regelrecht,

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