ICH. Ricky Martin
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу ICH - Ricky Martin страница 7
Gerade einmal einen Monat nach meinem Einstieg bei der Band gab ich mein Debüt im Luis A. Ferré Center for Fine Arts in San Juan, Puerto Rico. Ricky Meléndez (das letzte Mitglied der ursprünglichen Besetzung) verließ zu diesem Zeitpunkt die Band. Deshalb kam ihm auch die Aufgabe zu, mich an diesem Abend vorzustellen. Das war etwas ganz Besonderes für mich. Nach der Vorstellung durfte ich allein mitten auf der Bühne singen, während die anderen Bandmitglieder hinter mir auf einer Treppe saßen. Es war ein großartiger Moment. Ich war kein bisschen nervös. Im Gegenteil! Ich nahm das Mikrofon und begann zu singen. Dabei lief ich von einer Seite der Bühne zur anderen und bewegte mich im Rhythmus der Musik. Ich war sehr zufrieden mit meiner Performance, vor allem als das Publikum danach stürmisch applaudierte. Es war ein fantastisches Gefühl, und ich spürte, dass ich von nun an definitiv nichts anderes mehr machen wollte als singen und tanzen.
Doch an jenem Abend bekam ich auch zu spüren, was für eine Disziplin bei Menudo herrschte. Als ich nach meiner Performance von der Bühne ging, erwartete mich der Bandmanager im Backstage-Bereich. Ich war noch ganz berauscht von dem tosenden Applaus, da kam er mir entgegen und fuhr mich an: »Habe ich dir nicht gesagt, du sollst in der Mitte der Bühne bleiben?!«
Er hatte Recht. Ich hatte diese Anweisung wegen der Beleuchtung erhalten, doch im Eifer des Gefechts gar nicht mehr daran gedacht. Ich hätte an einer bestimmten Stelle performen sollen, damit die Jungs vom Beleuchtungsteam ihre Scheinwerfer ständig auf mich richten konnten. Wahrscheinlich verzweifelten sie schier bei dem Versuch, mir mit den Scheinwerfern über die Bühne zu folgen!
Um diesen Fehler wurde so viel Aufhebens gemacht, dass ich mich von da an auf der Bühne nur noch bewegte, wenn es ausdrücklich von mir verlangt wurde. Ich hatte meine Lektion gelernt und würde in den folgenden Jahren noch viele weitere lernen. Bei Menudo galt die Regel: Entweder du fügst dich den Anweisungen, oder du bist draußen. So einfach war das.
Das schöne Leben
Ich hatte sehr hart gearbeitet, um in die Band zu kommen. Aus diesem Grund war ich fest entschlossen, nichts zu tun – oder zu unterlassen –, was mich meinen Platz in der Gruppe kosten konnte. Menudo war nicht nur eine völlig neue Welt für mich, es war eine neue Galaxie! Für unsere Reisen hatten wir einen Privatjet – einen Jumbo 737! Und in den Städten, wo wir auftraten, hatten wir nicht nur eine Hotelsuite oder auch ein ganzes Stockwerk zu unserer Verfügung, sondern das ganze Hotel war für uns reserviert! Manchmal war eine komplette, mit Flipperautomaten und Videospielen äußerst großzügig ausgestattete Etage nur für unsere Unterhaltung bestimmt. Wir lebten in unserem eigenen Disney World – der größte Traum eines jeden Kindes. Wir hatten so viel Spaß! Jeder Tag war ein neues Abenteuer, und ich liebte jede einzelne Sekunde. Wir arbeiteten unheimlich hart, doch wenn dann einmal Entspannung angesagt war, wurden wir wie Könige behandelt.
Ein anderer Grund, warum ich Menudo so liebte, war der, dass die Band wie eine große Familie war. In unserer Freizeit alberten wir herum, quatschten – und zofften uns auch gelegentlich, wie fünf Brüder. Für mich als Jüngster und Kleinster waren die anderen Bandmitglieder wie ältere Brüder. Wenn wir uns in einer Menschenmenge befanden und die Fans uns vor lauter Euphorie schier niedertrampelten, hatten die anderen Jungs inmitten des wahnsinnigen Getümmels ein Auge auf mich. Dadurch fühlte ich mich als jemand ganz Besonderes.
Wir tourten durch die ganze Welt, hatten Gigs in Japan, auf den Philippinen, in Europa und Südamerika. Und zum ersten Mal in der Geschichte der Band machten wir auch eine Tour durch die USA. Im Rahmen dieser Tournee hatten wir auch vierundzwanzig Shows in der Radio City Music Hall in New York. Es war der absolute Hammer zu sehen, wie Abertausende von Menschen den gesamten Verkehr auf der 6th Avenue vor der Halle sowie um den ganzen Block herum zum Erliegen brachten. Von der Garderobe aus blickten wir auf ein riesiges Meer von Menschen hinab. Hunderte von Polizisten mussten an der 63rd Street und an der Ecke Lexington Avenue, wo sich unser Hotel befand, eine menschliche Absperrung bilden.
Unsere Fans waren außer Rand und Band. Sie machten vor nichts Halt. Als wir ein anderes Mal in Argentinien auftraten, tummelten sich vor unserem Hotel mindestens fünftausend Mädchen, mit Buttons, Fotos, Fahnen und all dem anderen Menudo-Zeug. Die Mädchen schrien und kreischten jedes Mal, wenn wir uns an den Fenstern zeigten. Wir brauchten nur einen Arm aus dem Fenster zu halten, und schon brachen sie in Hysterie aus. Sie sangen unsere Songs und bildeten Sprechchöre, so wie man es aus Fußballstadien kennt. Später tauchten dann ein paar Jungs auf. Vermutlich ärgerten sie sich darüber, dass Menudo so viel Aufmerksamkeit von den Mädchen bekam. Sie bildeten eigene Sprechchöre, mit denen sie uns beleidigten und beschimpften. Plötzlich ging einer der Jungs auf die Mädchenschar zu und versuchte, die puerto-ricanische Fahne herunterzureißen. Das hätte er lieber nicht tun sollen! Denn die Mädchen verprügelten ihn derart, dass er es fast nicht überlebt hätte.
Solche Dinge widerfuhren uns ständig – absolut crazy!
Die Veränderung war schon ziemlich krass. Vor meiner Zeit bei Menudo hatte ich in Puerto Rico ein einfaches Leben geführt, umgeben von meiner Familie und meinen Freunden. Ich war damals kaum je aus meinem Wohnviertel herausgekommen. Dann wurde ich quasi über Nacht in eine Welt des Ruhms, des Luxus und der Vergötterung durch die Fans katapultiert. Aus mir, dem von meinen Eltern und Großeltern innig geliebten Jungen, war ein internationaler Star geworden, der durch die ganze Welt reiste und auf einigen der wichtigsten Bühnen des Planeten auftrat. Natürlich gab es immer wieder Momente, in denen ich mich verloren fühlte und mir gewünscht hätte, dass meine Mutter oder mein Vater da wären, um mich zu trösten. Während meiner ganzen Zeit bei Menudo waren sie immer besorgt um mich. Wir telefonierten häufig, aber das reichte oft nicht aus. Ich weiß zum Beispiel noch, dass ich während einer Brasilien-Tour eines Nachts meine Mutter anrief und sagte: »Mami, ich kann nicht mehr. Ich bin fix und fertig. Ich will heim.«
Meine Mutter tröstete mich so gut sie konnte und meinte: »Mein Sohn, wenn du das wirklich willst, mach dir keine Sorgen. Wir sprechen morgen mit den Anwälten und sorgen dafür, dass du nach Hause kommen kannst.« Aber sogleich fügte sie hinzu: »Jetzt ist es zu spät dafür, aber wenn du willst, rufe ich den Anwalt gleich morgen früh an.«
Nach dem Gespräch mit ihr beruhigte ich mich und fiel in einen erholsamen Schlaf. Und am nächsten Morgen hatte ich völlig vergessen, warum ich am Vorabend so verzweifelt gewesen war. Ich rief in aller Frühe meine Mutter an und sagte: »Mami, es geht mir wieder gut! Mach dir keine Sorgen. Du brauchst die Anwälte nicht anzurufen. Es ist alles in Ordnung.«
Durch die Reaktion meiner Mutter fühlte ich mich gleich viel besser. Hätte ich mich zu diesem Zeitpunkt tatsächlich entschieden, aus der Band auszusteigen, wäre das eine ziemlich komplizierte Angelegenheit gewesen. Wahrscheinlich wäre ich wegen Vertragsbruch verklagt worden, und die Nachricht hätte sich wie ein Lauffeuer in den Medien verbreitet. Die Leute hätten mir alle möglichen Fragen gestellt, und es hätte Gerüchte darüber gegeben, warum ein Bandmitglied die Gruppe zu einem Zeitpunkt verließ, wo doch alles anscheinend perfekt lief. Heute ist mir klar, dass ich mir mit einem vorzeitigen Ausstieg aus der Band riesige Probleme eingehandelt hätte. Doch trotz der möglichen Konsequenzen war meine Mutter bereit, die Sache in die Hand zu nehmen. Ihr war nur wichtig, dass ich nicht mehr so niedergeschlagen war wie in jener Nacht am Telefon.
Ich machte also weiter. Ebenso wie alle anderen Menschen, die morgens aufstehen und zur Arbeit gehen müssen, hatte auch ich Augenblicke der Erschöpfung und der Angst. Doch die Euphorie, die mich permanent umgab, war ein ständiger Ansporn für mich. Ich spürte, dass etwas Außergewöhnliches mit mir geschah. Und deshalb wollte ich trotz gelegentlicher Krisen nichts von alldem missen.
Kontakt