ICH. Ricky Martin
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Ich hatte nicht die geringste Vorstellung davon, wie lange ich brauchen würde, um mein Ziel, Künstler zu werden, zu erreichen. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nur, dass ich mir nichts sehnlicher wünschte. Ich hatte hart gearbeitet und war voller Ehrgeiz und Entschlossenheit. Auf der Bühne zu stehen, war mein Traum, und ich war bereit, alles zu tun, um ihn zu verwirklichen. Deshalb war ich geradezu besessen von Menudo und konnte an nichts anderes mehr denken. Im Alter von zehn bis zwölf Jahren konnte ich nachts vor Sehnsucht und Erregung kaum schlafen.
Mit meinem Einstieg bei Menudo wurde mein Traum Realität. Dieser Moment bestimmte den weiteren Verlauf meines Lebens.
Ich habe Menudo unglaublich viel zu verdanken: Erfahrungen und Emotionen, die mich zutiefst geprägt und einen besseren Menschen aus mir gemacht haben. Was ich dafür opfern musste, war meine Kindheit. Aber nicht nur durch die positiven Erlebnisse, sondern auch angesichts dessen, was ich verlor, gewann ich Erkenntnisse von unschätzbarem Wert. Ebenso wenig, wie ich auch nur eine einzige der schönen Erinnerungen an diese Jahre missen will, möchte ich die schwierigen Zeiten, die ich durchgemacht habe, vergessen. Denn diese haben mich abgehärtet. Und erst durch sie erlangte ich die Fähigkeit, die guten Zeiten bewusst zu genießen. So ist es doch im Leben: Ohne das Schlechte wüssten wir das Gute gar nicht zu schätzen.
Als ich klein war, sagte meine Mutter immer zu mir: »Mein Sohn, in diesem Leben ist alles möglich. Du musst nur wissen, wie du es anstellst.« Meine Mutter kennt mich sehr gut und wusste, dass ich schon damals das Maximum wollte. Und das Größte – das war zu dieser Zeit Menudo.
Ich trieb meinen Vater schier in den Wahnsinn, als ich ihn ständig bat, mich zum Vorsingen zu fahren. Ich flehte ihn an: »Fahr mich hin! Fahr mich hin! Bitte fahr mich hin!« Ich versuchte mit allen Mitteln, ihn dazu zu bringen, und nervte ihn so sehr, dass es mich nicht gewundert hätte, wenn er mich schließlich die Klippen hinabgestürzt hätte. Irgendwann sagte er dann: »Na gut, gehen wir.«
Ich war überglücklich.
Das war im Jahr 1983. Heute ist es schwer zu verstehen, welche Rolle Menudo damals spielte. Fest steht jedoch, dass die Band völlig anders war als alles, was es in der Musikszene sonst so gab. Ich würde sogar behaupten, dass Menudo bis zum heutigen Tag ein einzigartiges Kapitel in der Musikgeschichte darstellt. Bevor Bands wie New Edition, The Backstreet Boys, New Kids on the Block, ’N Sync oder Boyz II Men auftauchten, gab es Menudo – die erste lateinamerikanische Boygroup, die internationalen Ruhm erlangte. Die Band war so erfolgreich, dass man von »Menudomania« und »Menuditis« sprach. Es gab sogar Vergleiche mit den Beatles und der Beatlemania.
Menudo erblickte das Licht der Welt, als der Produzent Edgardo Díaz eine Gruppe aus fünf Jungs, alle Puerto Ricaner, zusammenstellte. Das Besondere an Menudo, das die Band unverwechselbar machte und meiner Meinung nach deren lang anhaltenden Ruhm begründete, war der Umstand, dass die Bandbesetzung ständig wechselte. Die Idee bestand darin, dass jedes Mitglied nur bis zum sechzehnten Lebensjahr in der Band bleiben und seinen Platz dann einem Newcomer überlassen sollte. Auf diese Weise blieb die Band stets jung und bewahrte sich die Frische und Unschuld der Jugend. Ursprünglich bestand Menudo aus den drei Meléndez-Brüdern (Carlos, Ricky und Oscar) und den zwei Sallaberry-Brüdern (Fernando und Nefty). Im Jahr 1977 veröffentlichte die Band ihr Debütalbum, und von da an ging es mit ihrer Karriere steil bergauf. Innerhalb weniger Jahren füllten die Jungs Stadien in ganz Lateinamerika, und ihre Fotos zierten die Zeitungen in aller Welt, selbst in Asien. Menudo wurde zu einem internationalen Phänomen. Als die Plattenfirma RCA Wind davon bekam, bot sie ihnen einen Vertrag über mehrere Millionen Dollar an. Dadurch wurden sie noch berühmter und gewannen Millionen junger Fans überall in den USA sowie dem Rest der Welt. Einer der wichtigsten englischsprachigen US-Fernsehsender nutzte die Musik der Band sogar dazu, den Zuschauern Spanisch beizubringen.
Als kleiner Junge (Ende der Siebziger-, Anfang der Achtzigerjahre) war ich ein riesiger Fan von Menudo. Menudo war ein weltweites Phänomen. Eine absolute Sensation! War es daher verwunderlich, dass ich ein Mitglied der Band werden wollte – vor allem auch, da diese in meiner Heimat Puerto Rico ihre Wurzeln hatte? Ich kannte sämtliche Menudo-Songs auswendig, schließlich hatte ich sie schon gesungen, solange ich denken kann. Ich liebte das Singen so sehr, dass ich voller Zuversicht war und spürte, dass es gar nicht so unrealistisch war, Mitglied von Menudo zu werden. Also tat ich alles, um meinen Traum zu verwirklichen.
Aber wie alles im Leben, so war auch mein Einstieg bei Menudo von mancherlei Widersprüchen geprägt. Die Jungs von Menudo waren meine Idole, und ich wünschte mir sehnlichst, Mitglied der Band zu werden. Doch für die meisten Kids in meinem Alter war Menudo reine Mädchensache. Wir waren kulturell und gesellschaftlich darauf gepolt, dass es als unmännlich galt, gerne zu singen und zu tanzen. Folglich machte sich ein Junge wie ich, der es mit Leidenschaft tat, lächerlich. Wenn mich meine Schulkameraden fragten, warum ich bei Menudo einsteigen wolle, lautete meine Antwort deshalb stets: »Wegen den Mädchen, dem Geld und den Reisen.« Ich hätte ihnen die Wahrheit sagen sollen, nämlich dass ich es liebte, auf der Bühne zu singen und zu tanzen. Doch zweifellos hätten sie sich dann über mich lustig gemacht. Für Jungs schickte es sich nicht, Menudo zu »mögen«. Deshalb sagte ich auch weiterhin das, was man von mir erwartete, und wählte somit den Weg des geringsten Widerstandes. Diese Erfahrung hat mich ganz gewiss nicht traumatisiert, doch ich bedaure es heute sehr, dass ich damals nicht den Mut hatte, zu der Sache zu stehen.
Nachdem ich meinem Vater monatelang in den Ohren gelegen hatte, bekam ich also endlich meine Chance. Er fuhr mich zum Casting. Ich erinnere mich noch genau daran, dass ich auf der Fahrt dorthin völlig ruhig und gelassen war. Eine leichte Nervosität wäre sicherlich normal gewesen. Doch ich war total entspannt, weil ich wusste, dass ich überzeugen würde und die Jury keine andere Wahl hätte, als mich zu nehmen.
Und so geschah es dann auch – das heißt fast. Ich kam bei der Jury sehr gut an. Es gefiel ihnen, wie ich sang und tanzte. Allerdings gab es ein Problem: Ich war zu klein. Die anderen Jungs waren anderthalb Köpfe größer als ich, und die Produzenten wollten, dass alle Bandmitglieder ungefähr gleich groß waren. Doch statt mich von dieser Niederlage entmutigen zu lassen, war ich nun noch entschlossener als zuvor. Neun Monate später erschien ich erneut zum Casting. Wieder ohne Erfolg – ich war immer noch zu klein. Einmal schlugen sie vor, ich solle Basketball spielen, vielleicht würde ich dadurch größer! Irgendwie zynisch, oder?
Aber natürlich gab ich nicht auf. Ich probierte es weiter, und beim dritten Anlauf klappte es dann schließlich. Zwar war ich zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich viel größer als bei den ersten beiden Versuchen, doch aus welchem Grund auch immer, diesmal schienen sie sich an meiner Statur nicht zu stören. Vermutlich deshalb, weil sie merkten, wie wahnsinnig wichtig es mir war, in die Band zu kommen. »Sieht so aus, als würdest du nicht mehr weiter wachsen!«, meinten sie.
Noch am selben Tag erhielt ich einen Anruf und wurde zu einer weiteren Audition bei einer Assistentin des Bandmanagers bestellt. Ich ging also zu ihr nach Hause und sang ein paar Songs. Dann sagte sie zu mir: »Also, gehen wir ins Büro.« Ich wusste nicht so recht, was ich davon halten sollte, doch ich folgte ihr.
Im Büro der Band erlebte ich dann die erste große Überraschung, denn meine Eltern waren dort. Zuerst wunderte ich mich, warum sie gekommen waren, bis schließlich jemand die freudige Nachricht verkündete: »Du hast es geschafft! Du bist ein Mitglied von Menudo!« Ich war sprachlos. Natürlich freute ich mich riesig, doch zugleich konnte ich es gar nicht fassen. Sie gratulierten mir, und wir feierten meinen Erfolg. Aber was absolut unglaublich war: Sie teilten mir die frohe Botschaft um sieben Uhr abends mit, und um acht Uhr am nächsten Morgen saß ich bereits im Flugzeug nach Orlando, wo die Band ihren Sitz hatte. Gleich nach meiner Ankunft dort gab ich Interviews, traf mich mit Stylisten und wurde neu eingekleidet. In weniger als vierundzwanzig Stunden hatte sich mein Leben komplett geändert.
Ich ließ meine Familie zurück, meine Freunde, meine vertraute Umgebung. Diese schlagartige Veränderung hätte