ICH. Ricky Martin
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Sie war ein hübsches Mädchen, und ich mochte sie. Doch es bestand zwischen uns keinerlei Intimität, keine Nähe, nichts. Aus diesem Grund fand ich die Erfahrung nicht besonders spektakulär. Ich weiß noch, dass ich hinterher dachte: »Das war’s?« Und: »Ist es das, wovon alle gesprochen haben? O wie furchtbar!« Natürlich hatte es nichts mit dem Mädchen zu tun, sondern mit den damaligen Umständen. Ich empfand die ganze Situation als unangenehm und sogar ein wenig komisch. Ich bin sicher, es gibt eine ganze Menge Leute, egal ob homo oder hetero, die sich mit mir identifizieren können und ihr erstes Mal auch nicht gerade prickelnd fanden. Wie hätte das auch sein sollen? Schließlich hatten wir keine Ahnung von dem, was wir da taten. Später lernte ich dann natürlich Frauen kennen, für die ich wirklich etwas empfand und mit denen ich eine fantastische Beziehung hatte. Und als ich entdeckte, was für intensive Gefühle beim Sex zwischen Mann und Frau entstehen können, konnte ich das Zusammensein mit Frauen eher genießen.
Das Ende einer Ära
Menudo brachte in der Zwischenzeit weitere Alben heraus und ging weiterhin auf Tournee. Doch obwohl es nach außen hin so schien, als würde es für mich und die Band hervorragend laufen, machten sich im Inneren für beide Seiten Probleme bemerkbar. 1987 gingen unsere Albumverkäufe zurück, und wir mussten die Plattenfirma wechseln. Deshalb sahen wir uns gezwungen, uns ein komplett neues Image zuzulegen. In punkto Klamotten und Frisuren orientierten wir uns nun eher an der Rockmusik, und auch unser Musikstil veränderte sich. Wir ließen den Pop hinter uns und wandten uns einem härteren Genre zu. Wir veröffentlichten das spanischsprachige Album Somos los Hijos del Rock. Für unsere Fans auf den Philippinen nahmen wir eine Version mit dem Titel In Action auf, das Songs in Englisch sowie Tagalog, der am meisten verbreiteten Sprache auf den Philippinen, enthielt. Kurz darauf erschien das englischsprachige Album Sons of Rock, mit dem wir einen weiteren Hit landeten (»You Got Potential«). Diesem Erfolg verdankten wir eine Tour durch die Vereinigten Staaten, bei der wir in vierzig Städten auftraten. Es war eine total spannende Phase, da wir uns selbst neu erfinden und unseren Fans einen neuen Musikstil präsentieren konnten.
Was sich in diesen Jahren nicht änderte, war unsere Arbeitsweise. Von all den Dingen, die ich bei Menudo gelernt habe, hatte die Disziplin den größten Einfluss auf meine Karriere und meinen Charakter. Wir sagten niemals nein, ganz gleich, worum man uns bat. »Klar, machen wir!«, lautete unsere Antwort stets. Wir gingen überall hin, jeder Anlass war uns recht – Promo-Gigs, Radio-Interviews, Autogrammstunden im Plattenladen für die Fans, Bandproben. Wir nutzten jede Gelegenheit, uns der Öffentlichkeit zu präsentieren. Oft machten wir all diese Dinge an ein und demselben Tag: Morgens in aller Frühe starteten wir beispielsweise mit einem Radio-Interview. Anschließend hetzten wir zum Fotoshooting bei der Presse. Von dort aus ging es zum Plattenladen und später in ein Krankenhaus wegen einer Benefizveranstaltung. Danach standen Probe und Soundcheck für die abendliche Show auf dem Programm. Es war total anstrengend. Oft arbeiteten wir vierzehn Stunden am Stück, und das fünf oder sechs Tage hintereinander. Am siebten Tag stiegen wir dann ins Flugzeug oder in den Bus, um die nächste Stadt anzusteuern.
Ich hatte mich bei Menudo derart verausgabt, dass ich in meinem letzten Jahr dann die Schnauze voll hatte. Nach wie vor liebte ich die Auftritte, die Musik, das Gefühl, auf der Bühne zu stehen. Doch ich fühlte mich völlig ausgepowert. Ich konnte einfach nicht mehr. Der Bandmanager bat mich, noch ein Jahr dabeizubleiben, weil einige der anderen Jungs die Band gerade zu diesem Zeitpunkt verließen. Ich verspürte zwar nicht die geringste Lust dazu, aber ich willigte ein. Mein ursprünglicher Vertrag mit der Band lief über drei Jahre, doch ich war damals bereits vier Jahre dabei gewesen. Mit diesem letzten Jahr waren es also insgesamt fünf Jahre.
Um ehrlich zu sein, ich bin nur deshalb geblieben, weil ich die Band wie auch die Crew sehr mochte und großen Respekt vor allen Beteiligten hatte. Nach den vielen gemeinsamen Jahren auf Tour waren wir schließlich zu einer richtigen Familie zusammengewachsen. Auch abgesehen von der rein geschäftlichen Beziehung empfanden wir große Sympathien füreinander. Deshalb wollte ich die anderen zu einem Zeitpunkt, wo sie mich brauchten, nicht hängen lassen. Ich blieb also ein weiteres Jahr in der Band, allerdings zu meinen eigenen Bedingungen. Darauf hatte ich bestanden, und sie hatten es bereitwillig akzeptiert. In meiner ersten Zeit bei Menudo konnten beispielsweise nur zwei von uns, darunter ich, Englisch sprechen. Deshalb wurden mein Bandkollege und ich jedes Mal eingespannt, wenn wir ein Interview auf Englisch geben mussten. Die anderen Bandmitglieder durften währenddessen im Hotelzimmer entspannen und fernsehen. Das fand ich ziemlich unfair – auch ich hätte mich lieber ausgeruht! Deshalb bat ich den Manager, den Job in meinem letzten Jahr von jemand anderem machen zu lassen. Ich wollte nur noch bei den Auftritten dabei sein und sonst nichts. Zum Glück akzeptierten sie meine Bedingungen, und so haben wir es dann auch gehandhabt.
Dies war weder Arroganz meinerseits, noch wollte ich den anderen irgendwelche Schwierigkeiten machen. Ich wollte einfach nur raus aus der Band. Abgesehen davon, dass ich die Plackerei satt hatte, während die anderen Jungs sich mit Sportwagen, Motorrädern und dem ganzen Schnickschnack ein schönes Leben machten. Ich erhielt ein mageres Gehalt von 400 Dollar im Monat. Denn als ich der Gruppe beitrat, beschlossen meine Eltern und ihre Anwälte, mein Geld treuhänderisch zu verwalten, um jegliche Missverständnisse zu vermeiden. Von diesem Konto durfte ich monatlich 400 Dollar abheben. Das restliche Geld würde bis zu meinem achtzehnten Lebensjahr dort eingefroren bleiben. Ich war sauer, dass ich für meine harte Arbeit so schlecht bezahlt wurde. Sicherlich gibt es eine Menge Leute, die sehr viel härter arbeiten, als ich es damals tat, und noch weniger verdienen. Doch ich war ein Teenager, und mein Vergleichsmaßstab waren nun einmal die anderen Menudo-Mitglieder. Deshalb kam es mir vor, als bekäme ich überhaupt nichts.
In meinen Augen gab es viele Gründe, eine Veränderung in meinem Leben zu suchen: Ich wollte mir den ganzen Stress nicht mehr antun, war sauer, weil ich so kurzgehalten wurde, doch vor allem suchte ich einfach eine neue Herausforderung. Die jahrelange Zusammenarbeit mit Menudo hatte mich in vielerlei Hinsicht verändert. Ich wurde allmählich erwachsen und wünschte mir nichts sehnlicher, als in mich gehen und intensiv darüber nachdenken zu können, was ich aus meinem Leben machen wollte.
Ich verließ Menudo also im Juli 1989. Mein Abschiedskonzert mit der Band fand im Luis A. Ferré Center for Fine Arts in San Juan statt. Dies war für mich der perfekte Ort, um meine Karriere bei Menudo zu beenden. Schließlich hatte ich dort auch mein Debüt mit der Band gegeben. Es war nun Zeit, dieses Kapitel abzuschließen und mich neuen Dingen zuzuwenden.
Nach der Show kehrte ich nach Hause zurück, ohne die geringste Ahnung zu haben, was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Klar, ich musste die High School beenden, doch was meine Karriere betraf, war meine Zukunft völlig ungewiss. Nun hatte ich mich erst einmal wieder an das Zusammenleben mit meiner Familie zu gewöhnen. Das ist zweifellos für jeden Teenager eine schwierige Sache. Doch in meinem Fall, denke ich, machten es mir die Umstände noch schwerer, mich anzupassen. Schließlich war es mittlerweile fünf Jahre her, dass ich das letzte Mal mit ihnen zusammengelebt hatte. Und die Erfahrungen, die ich bei Menudo machte, hatten mit meinem Leben zu Hause, im Schoß der Familie, nicht das Geringste zu tun. Ich fühlte mich ausgeschlossen, einsam, verloren.
Viele Leute glauben, dass mich der Song »Livin’ La Vida Loca« am besten charakterisiert. Das ist allerdings ein Irrtum. Der Song, der mein Leben am treffendsten beschreibt, stammt aus der Feder des großartigen Künstlers und Komponisten Ricardo Arjona. Das eigens für mich geschriebene Stück hat den Titel »Asignatura Pendiente« (»Anstehende Aufgabe«). Der Songtext schildert auf brillante Weise jenen Tag im Jahr 1984, an dem ich Puerto Rico zum ersten Mal verließ: Deine winzige Hand winkt zum Abschied / An jenem verregneten Nachmittag in San Juan / Mit den Küssen, die ich mitnehme. Ohne mir dessen bewusst zu sein, ließ ich am Tag meiner Abreise aus Puerto Rico diejenigen zurück, die mich liebten. Ich ließ meine Kindheit