Kochwut. Ella Danz

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Kochwut - Ella Danz

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Wie gewohnt trug sie eines ihrer skurril geschnittenen, weiten Kleider, natürlich schwarz, heute mit einer kiloschweren Sammlung von Ketten aus dicken, dunkelroten Holzkugeln um den Hals. Lässig lehnte sie in ihrem Stuhl und hob ihr Glas. Ihr ebenfalls dunkelrot bemalter Mund deutete ein mildes Lächeln an, und sie blickte zufrieden um sich.

      »Auf unseren Gastgeber! Dein Rahmbraten war wunderbar zart, die Soße gut gewürzt und der Semmelkuchen dazu wirklich lecker – ich verleihe dir zweieinhalb goldene Kochlöffel, Georg«, sie machte eine bedeutungsvolle Pause und sagte dann spitz: »Den halben muss ich leider abziehen, weil mein Teller nicht gewärmt war.«

      »Irgendwann bring ich sie um, ich schwör’s«, murmelte Steffen noch einmal leise, hob ebenfalls sein Glas und stieß mit Georg zu seiner Rechten an.

      »Ich verstehe nicht halb so viel davon wie unsere Freundin Carola«, sagte er dann laut in die Runde. »Ich fand es köstlich! Und in meinen Augen war es perfekt, Schorsch. Prost!«

      Beifälliges Gemurmel erhob sich, und auch die anderen an der Tafel schlossen sich dem Toast auf Georg an.

      »Danke, Steffen! Dieses Lob aus deinem berufenen Munde freut mich sehr.«

      »Sag, was für ein Fleisch hast du genommen? Das war ja butterzart! Ein Stück aus der Blume?«

      »Nein, das war ein Tafelspitz vom Biorind, gut abgehangen. Den hab ich schön mit Speckfäden gespickt und zusammen mit ein paar Knochen und Wurzelwerk angebraten …«

      »Ah, ein Tafelspitz! Das ist mein Stichwort. Ich werde dir demnächst mal zeigen, was ich für die ideale Art der Zubereitung dieses edlen Stück Fleisches halte, wenn du erlaubst.«

      »Gern. Da bin ich gespannt!«

      Georg erhob sich, um die Teller abzuräumen, und Steffen half ihm dabei. Der elegante Steffen von Schmidt-Elm war der erste Mensch, mit dem sich Georg Angermüller anfreundete, nachdem es ihn vor ungefähr 15 Jahren aus Oberfranken nach Lübeck verschlagen hatte. Sie waren sich hin und wieder dienstlich begegnet, und ihrer beider Vorliebe für Italienisches, ob Musik, Kunstschätze oder Küche, und überhaupt alles, was mit Kochen und Essen zusammenhing, hatte sie ziemlich schnell zusammengeführt.

      »Diese Carola und ihr Geschwätz ertrage ich einfach nicht. Tut mir leid, Schorsch!«, brach es aus Steffen heraus, als sie in der Küche allein waren.

      »Da rennst du bei mir offene Türen ein. Astrid möchte halt immer, dass ich sie einlade. Carola wäre so viel allein, meint sie, und da sie ihre älteste Freundin ist, fühlt sie sich ihr irgendwie verpflichtet.«

      »Aber ich denke, Carola ist ständig unterwegs als ›Foodjournalistin‹!«, Steffens Häme war nicht zu überhören. »Sie muss doch ihre unsäglichen Gourmet-Tipps recherchieren, die tatsächlich in einigen Blättchen hier veröffentlicht werden. Obwohl ich kaum jemanden kenne, der so wenig Ahnung von der Materie hat wie sie.«

      Seit einiger Zeit schon betätigte sich Carola neben ihrem recht geruhsamen Job in der Stadtverwaltung in ihrer Freizeit als ›Gastrokritikerin‹, wie sie es selbst bezeichnete.

      »Tja, ich weiß nicht, wie Astrid darauf kommt, dass Carola Gesellschaft braucht. Vielleicht hat sie etwas in die Richtung erzählt.«

      »Muss ja nicht unbedingt unsere Gesellschaft sein, oder?«

      Georg erkannte seinen sonst so zurückhaltenden Freund kaum wieder.

      »Ist es denn so schlimm? Ich habe dich doch recht weit entfernt von ihr platziert, und sie hat sich bisher auch ziemlich zurückgehalten mit ihren Kommentaren, finde ich.«

      »Du hast ja recht. Ich bin heute ohnehin etwas gereizt, fürchte ich. Ich hatte mich so gefreut, das Wochenende mit David zu verbringen, und nun hängt mein Liebster in London fest«, seufzte Steffen. »Außerdem haben wir unseren Hochzeitstermin schon zweimal verschoben, und ich glaube, ich bin so nervös, weil ich denke, es kommt auch beim nächsten bestimmt wieder irgendwas dazwischen!«

      Georg lachte.

      »Mensch, Steffen! Seit wann bist du so pessimistisch? Das wird schon klappen diesmal!«

      »Ich wollte, ich hätte deine unerschütterliche Ruhe.«

      »So unerschütterlich ist die auch wieder nicht. Aber jetzt: hinaus aus der Küche! Ich muss das Dessert fertig machen.«

      Angermüller summte vor sich hin, holte die Schüssel mit dem vorbereiteten Teig aus dem Kühlschrank und begann, dünne Palatschinken in duftender Butter zu backen. Endlich hatte er es wieder einmal geschafft, sich für die Runde der Freunde an den Herd zu stellen. Seine Betätigung als Hobbykoch sah der Kriminalhauptkommissar als idealen Ausgleich zum Polizeialltag. Ganz allein in der Küche, ohne Zuschauer, das empfand Georg Angermüller als Entspannung pur, und Kochen, der kreative Umgang mit Lebensmitteln, war für ihn fast so etwas wie eine Meditation, der Gegenpol zur Beschäftigung mit Mord und Totschlag. Außerdem wusste er, dass Hedi und John, die langjährigen Freunde und Nachbarn, wie auch Margret und Lars, die in einem alten Kontor in der Beckergrube feinste Weine, Spirituosen und Schokoladen vertrieben, seine Mühe in der Küche genau wie Steffen zu schätzen wussten. Dann lohnte sich auch der Aufwand, und die Arbeit machte doppelt Spaß. Bei Carola war er sich nicht ganz sicher, ebenso wenig bei Martin. Und bei Astrid? Bei seiner Frau war ihm seit einiger Zeit sowieso seine Orientierung abhanden gekommen, egal worum es ging. Nach einem Blick auf seine Einkaufsliste für das heutige Essen hatte Astrid die Stirn gerunzelt und hatte etwas gallig gefragt, ob er seinen Wunsch, ein paar Kilos zu verlieren, schon wieder aufgegeben habe. Er hatte nicht darauf geantwortet, und Astrid hatte wohl auch keine Antwort erwartet. Aber die Frage hatte ihm, zumindest für eine Weile, die Vorfreude auf den heutigen Abend verdorben.

      »Georg, kann ich dich kurz sprechen?«

      »So ganz ideal ist das im Moment nicht. Hat das nicht Zeit, bis das Dessert fertig ist?«

      »Ich wollte dich allein sprechen, und es dauert auch nicht lange.«

      »Was gibt’s?«

      Besonders interessiert war Georg Angermüller nicht an einem Vieraugengespräch mit Carola.

      »Ich brauche deine Hilfe als Polizist. Hier.«

      Carola legte drei Briefumschläge auf den Küchentisch.

      »Was ist das?«

      »Schau dir bitte an, was da drin ist!«

      Angermüller wischte sich die Hände an einem Küchentuch ab und nahm die Pfanne vom Feuer. Dann öffnete er den ersten Umschlag und holte ein Kochrezept heraus. Es handelte sich um eine Seite aus einem edlen Hochglanzkochbuch, das man nur unter Folie in der Küche benutzen mag, um es vor Fettspritzern und sonstigen Kochspuren zu schützen, und das sich Angermüller schon deshalb niemals zugelegt hätte.

      »Das ist ein Rezept für Canard à l’Orange. Was ist damit?«

      »Da!«

      Carola wirkte ausgesprochen nervös. Ihr Zeigefinger mit dem tiefrot lackierten Nagel deutete auf die ästhetisch sehr ansprechende Fotografie der Ente mit Orangen. Auf den ersten Blick konnte Angermüller nichts Besonderes daran feststellen. Doch dann erkannte er, dass jemand mit feinen Strichen Carolas Konterfei der Ente als Kopf angefügt und die Konturen eines fülligen Körpers auf die knusprig braune Geflügelhaut gezeichnet hatte. Und dann sah er, dass im Text des Rezeptes mit einem Marker Worte

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