Kochwut. Ella Danz
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»Hier, sieh dir auch die beiden noch an!«
Und sie schob ihm die Umschläge über den Tisch. Auch sie bargen jeweils ein Kochrezept und entstammten, der Aufmachung nach zu urteilen, offensichtlich dem gleichen Hochglanzkochbuch. An den silbrig glänzenden Leib eines Loup de Mer hatte der Zeichner einen üppigen weiblichen Oberkörper gesetzt, sodass das Ganze an eine Meerjungfrau erinnerte. Das Gesicht und die Haare waren wiederum Carola nicht unähnlich. Begriffe wie festes, weißes Fleisch, delikater Geschmack und im Ganzen zuzubereiten waren markiert und daneben stand: ›Ins Netz gegangen!‹. Im dritten Umschlag ging es um eine Lammkeule, das Foto war in gleicher Weise wie die beiden anderen zeichnerisch bearbeitet, und die handschriftliche Anmerkung umfasste hier nur ein Wort: ›Fleischeslust!‹.
Etwas ratlos sah Angermüller zu Carola.
»Ja und? Was erwartest du von mir?«
»Das fragst du noch? Findest du das etwa völlig normal, wenn einem anonym solche Briefe geschrieben werden?«
Georg schwieg betreten, als er ihre Aufgeregtheit bemerkte.
»Erst einmal möchte ich, dass du diesen Schmierfink verfolgst …«
»Carola, du weißt, ich bin bei der Mordkommission, und so ganz fällt das nicht in mein Ressort, und ehrlich gesagt«, Angermüller hüstelte, »also eine konkrete Bedrohung kann ich in diesen Machwerken noch nicht erkennen.«
»Sag mal, hast du noch nichts von Stalking gehört?«, Carolas Gesicht leuchtete plötzlich so dunkelrot wie ihre Kette, und ihre Stimme kippte fast vor Empörung. »Und außerdem, was soll das sonst sein, wenn keine Bedrohung? Fühlst du dich erst zuständig, wenn ich im Herd dieses Irren gelandet bin?«
Diese Vorstellung erschien Angermüller ziemlich surreal.
»Carola, bitte beruhige dich. Natürlich kann ich mir vorstellen, dass das ein dummes Gefühl für dich ist. Das ist eine sehr unschöne Art der Belästigung …«, versuchte er zu beschwichtigen. »Könnte es vielleicht ein enttäuschter Verehrer sein?«
»Unschöne Art der Belästigung! Enttäuschter Verehrer! Quatsch! Denkst du vielleicht, ich bin nur hysterisch?«
Angermüller schüttelte demonstrativ seinen Kopf. Offensichtlich nahm das Gespräch nicht den Verlauf, den Carola sich vorgestellt hatte. Ihre anfängliche Nervosität war verschwunden, und sie wirkte zunehmend aufgebracht.
»Dieser Verrückte ist hinter mir her! Und du sollst dem das Handwerk legen! So was ist schließlich dein Job! Und außerdem verlange ich Polizeischutz!«
Da er ahnte, dass es keinen Sinn hatte, Carola zu widersprechen oder ihr klarzumachen, dass Polizeischutz angesichts der Personalsituation der Kollegen eine äußerst seltene Maßnahme und bei einer solchen Lappalie völlig illusorisch war, fragte er sie nur ruhig:
»Also, ich sehe keine Anschrift. Wie hast du die Briefe denn erhalten?«
»Der erste steckte an der Windschutzscheibe meines Wagens, und die beiden anderen wurden in der Redaktion der Lübecker Zeitung für mich abgegeben. In den letzten drei Wochen kam jede Woche einer.«
»Dann hat es vielleicht mit deiner Tätigkeit dort zu tun? Konnte sich denn jemand an den Überbringer der Briefe erinnern?«
Carola schüttelte den Kopf.
»Und hast du irgendeinen Verdacht, wer dahinterstecken könnte?«
»Ja, schon.«
Diese knappe, klare Antwort erstaunte Angermüller. Carola deutete auf die Kochbuchseiten.
»Weißt du, von wem diese Rezepte sind?«
Er verneinte.
»Pierre Lebouton.«
Carola spuckte den Namen aus wie eine faul schmeckende Frucht und sah Georg triumphierend an.
»Ja und? Willst du damit sagen, dass du Lebouton auch für den Urheber der Briefe hältst?«
Sie nickte nur. Angermüller konnte sich das beim besten Willen nicht vorstellen: Pierre Lebouton, Verfasser unzähliger Kochbücher, Kochstar im Fernsehen mit einer eigenen Show, Namensgeber einer hochpreisigen Genussmittelmarke und diverser edler Gourmet-Tempel – warum sollte er Carola derartige Briefe schicken?
»Warum sollte Lebouton das tun?«
»Mein Lieber, du unterschätzt meine Position in der hiesigen Lokalpresse.«
Carola hatte sich wieder voll im Griff.
»Ich habe es schon des Öfteren gewagt, den großen Küchenpapst mit ein paar deutlichen Worten der Kritik in meinen Kolumnen zu bedenken. Er soll geschäumt haben vor Wut.«
»Und du glaubst, deshalb schickt er dir diese Briefe?«
»Ich bin davon überzeugt, ja. Aber ich bleibe trotzdem bei meiner Meinung über ihn. So leicht kann man mich nämlich nicht einschüchtern! Also, ich verlasse mich auf dich, Georg. Du meldest dich, wenn du was rausgefunden hast, ja?«
Georg nickte ergeben.
»Und eine Bitte noch …«
Carola wirkte jetzt wieder etwas verlegen.
»Außer deinen Kollegen brauchst du ja sonst niemandem was davon erzählen.«
Georg nickte erneut. Dann rauschte Carola aus seiner Küche. Er packte die bemalten Kochbuchseiten zurück in ihre Umschläge und legte sie in die Schublade zu seinen gesammelten handgeschriebenen oder aus Zeitschriften ausgeschnittenen Rezepten, damit sie aus dem Wege waren. Nun konnte er sich endlich wieder seinem Nachtisch widmen.
Bald darauf platzierte er je eine der Palatschinken auf den Desserttellern, gab eine Kugel Vanilleeis und einen Klecks Marillenmarmelade darauf und schlug mit geübten Handgriffen den Teig von vier Seiten zusammen. Dann besprengte er das Ganze mit ein wenig Marillengeist, streute karamellisierte Mandelblättchen darauf und staubte Puderzucker darüber – fertig.
Als er ein Tablett mit den ersten vier Portionen zu seinen Gästen trug, grübelte Angermüller noch kurz nach über Carolas Briefe und ihren Verdacht gegen Pierre Lebouton, der ihm völlig abwegig erschien. Ein paar Stunden später beim Zubettgehen fiel ihm die Geschichte noch einmal ein, und als ein paar Tage vergangen waren, hatte er sie schon völlig vergessen.
»Moin! Schön warm habt ihr das hier! Bei der Scheißkälte ist man richtig froh, endlich im Büro zu sein.«
»Hallo Claus! Das kannst du laut sagen. Wenn das so weitergeht, friert noch die ganze Bucht zu.«
»Jo. Früher ist das ja öfter mal passiert.«
»Aber mit der Erderwärmung jetzt …«
»Erderwärmung? Von wegen! Davon hab ich heute aber nix gespürt!«
Auf den Fluren im Behördenhochhaus an der Possehlstraße war das Wetter am Morgen immer ein beliebtes Thema. Claus Jansen erschien im Türrahmen von Angermüllers Büro.
»Moin