Judengold. Erich Schütz
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Titel
Erich Schütz
Judengold
Kriminalroman
Impressum
Personen und Handlung sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen
sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
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© 2009 – Gmeiner-Verlag GmbH
Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch
Telefon 0 7575/2095-0
Alle Rechte vorbehalten
1. Auflage 2009
Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt
Herstellung / Korrekturen: Susanne Tachlinski /
Doreen Fröhlich, Katja Ernst
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung eines Fotos von: aboutpixel.de / Blick in die Ferne © Gernot Weiser
ISBN 978-3-8392-3398-6
Widmung
Für Martina, die, während dieser Krimi geschrieben wurde,
zuversichtlich ihre Chemotherapie durchstand.
Kapitel 1
»Grüezi«, murmelte Joseph Stehle kurz angebunden vor sich hin, ohne seinen Gesprächspartner anzuschauen. Dabei öffnete er eine abgegriffene, dunkelbraune Ledertasche und legte einige dicke, mit einem dünnen Gummi zusammengeschnürte Reichsmarkbündel, auf die Theke des schweizerischen Bankhauses Wohl & Brüder in Schaffhausen.
»Grüezi«, antwortete der rundliche Bankangestellte hinter den dicken Panzerglasscheiben, ebenfalls ohne besondere Freundlichkeit. Es war offensichtlich, die beiden kannten sich, es schien jedenfalls nicht das erste Mal zu sein, dass der Mann dem Kassierer lose Geldbündel auf den schmucklosen Tresen blätterte.
Der Schalterraum war nicht größer als ein ganz normales Wohnzimmer. Ein quadratisches, kleines Fenster zur Straße sowie eine alte Schreibtischlampe, direkt über der Kasse, dienten als einzige Lichtquelle. Außer der Ladentür führte nur noch eine weitere Tür direkt neben der Kasse in einen anderen Raum.
»Vier neue Nummernkonten«, befahl Joseph Stehle mit grobem schweizerischen Tonfall. Er sprach auffallend ungehobelt und ohne Höflichkeitsschnörkel. Er war groß gewachsen, hatte eine stattliche Figur, graue, kurze Haare mit angedeutetem Linksscheitel, ein schmales, strenges Gesicht mit tiefen Furchen und eine Nase, die ebenfalls schlank, aber etwas zu lang geraten war. Unter einem offenen, schwarzen Mantel trug er sichtbar eine dunkelblaue Uniform.
»Selbstverständlich, mein Herr«, nassauerte der Bankangestellte und kramte mit seinen wurstigen Fingern die für eine Nummernkontoeröffnung notwendigen Formulare aus einem Fach unter seiner Theke hervor. Der Angestellte wirkte hinter seinem Schalter klein und gedrungen. Er hatte eine Nickelbrille auf seiner Nase und im Verhältnis zu seinem Zwergenwuchs einen zu großen, quadratischen Kopf mit glatt gescheitelten, fettigen Haaren.
Während des gesamten bürokratischen Vorgangs fiel kein persönliches Wort. Vor allem aber war auffallend, dass beide weder einen Namen noch eine Adresse nannten.
Als Joseph Stehle die Bank verließ, knöpfte er trotz milden Sonnenscheins seinen Mantel fest zu. Er hielt dabei in seiner rechten Hand einen kleinen Zettel, auf dem vier Nummern geschrieben standen. Energisch marschierte er durch das Herrenackerviertel, einem der schönsten Winkel in der Schaffhauser Altstadt. Er ging hinunter, an dem kleinen, frühklassizistischen Kastenerker mit einfacher Namenkartusche vorbei, und blinzelte vergnügt der kleinen Friedenstaube zu, die seit der Französischen Revolution 1789 über der Rundbogenpforte verharrte.
Von Frieden war zu jener Zeit in ganz Europa keine Rede, auch nicht in Schaffhausen. Die gesamte Schweiz befand sich in einem Ausnahmezustand. Nachdem Hitler in Österreich einmarschiert war, die deutschen Truppen fast ganz Frankreich überrannt hatten und in Italien Mussolini mit faschistischer Skrupellosigkeit herrschte, war die Schweiz zur eingeigelten Trutzburg für viele Flüchtlinge geworden. Hauptsächlich Juden, aus allen besetzten Ländern, suchten Zuflucht – für sich und ihre Ersparnisse.
Joseph Stehle war über diese Situation nicht unglücklich. Im Gegenteil: Seine Geschäfte liefen glänzend. Er fühlte sich bestens, vertrieb mit einem angedeuteten Fußtritt eine Taube von einer Parkbank am Rhein und setzte sich selbst darauf. Er blinzelte kurz in die Sonne, dann stierte er auf den Zettel in seiner Hand. Seine Lippen bewegten sich leicht, er prägte sich die Nummern ein: Nummer 1017 Josef Weiß: 200.000 Reichsmark; Nummer 1020 Jakob Kaufmann: 130.000 Reichsmark; Nummer 1045 Samuel Rosenberg: 100.000 Reichsmark und 1048 Nathan Wolf: 250.000 Reichsmark.
Er hatte sich ein System erdacht, mit dem er sich die Nummern und vor allem die Höhe der Summen leicht merken konnte. Dabei fuhr er einfach gedanklich mit dem Zug seine Lieblingsstrecke, die Gäubahn, von Stuttgart nach Zürich ab. An jeder Bahnhofsstation – er kannte alle – hatte er vor seinem geistigen Auge Schließfächer eingerichtet. Schon vor Jahren hatte er damit begonnen. Im Hauptbahnhof Stuttgart hatte er in seinem Kopf das erste Depot angelegt. Dort fuhr der Zug nach Zürich schon seit Jahren um 7.58 Uhr ab. Sein erstes Nummernkonto in dem Schaffhauser Bankhaus Wohl & Brüder hatte so die Nummer 758. Das war leicht zu merken. Das zweite Konto, am ersten Halt Böblingen, hatte die Ankunftszeit als Nummer und damit 823, die Nummer des dritten Kontos war mit der Abfahrtszeit 825 identisch usw.
Die jeweiligen Kontonummern in der Bank erbat er sich nach dem Fahrplan der Reichsbahn, der in seinem Kopf fest verankert war. Er konnte alle Ankunfts- und Abfahrtszeiten im Schlaf herunterleiern. Als Schaffner fuhr er die Strecke schon seit Jahren. Die Summe der Beträge merkte er sich ebenso leicht. Dafür brauchte er kein weiteres System, dabei halfen ihm seine Gier und ein kleiner Trick. In seinem Kursbuch unterstrich er mit Bleistift jene Ziffern, die an seinen Haltestellen zu weiteren Anschlusszügen führten. So waren zum Beispiel unter Böblingen bei der Ankunftszeit 8.23 Uhr die Ziffern der Zugnummer für die Anschlusszeit nach Sindelfingen unterschiedlich gestrichelt. Der Vorteil des Systems: Zugnummern änderten sich so wenig wie die Fahrpläne. Und es gab immer eine große Auswahl an Anschlusszügen und Nummern. Die glatten Tausenderbeträge konnte er so leicht verschiedenen Zügen zurechnen.
Die Namen der Eigentümer selbst, da war er sich sicher, konnte er vergessen. Nach allem, was er gehört hatte, war die Angst unbegründet, dass Juden nach 1940 es noch schafften, Deutschland zu verlassen. Und wenn schon: Wo wollten sie klagen? In Deutschland sicher nicht, lachte er selbstsicher in sich hinein, und in die Schweiz müssten sie erst einmal hereinkommen. Ein Beschluss des Bundesrates in Bern von 1939 machte eine Einreise für deutsche Juden fast unmöglich. Ohne gültige Ausreisepapiere, und zwar von deutscher Seite, ging nichts mehr. Die Schweizer Behörden wiesen