Lorettoberg. Volkmar Braunbehrens

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Lorettoberg - Volkmar Braunbehrens

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sah er, schon nahe vor sich, wie der große schwarze Wagen sich aus der Einbuchtung herausbewegte, quer über die Straße zu setzen begann, sehr langsam, aber stetig, ohne auch nur das geringste Ausweichmanöver anzudeuten. Reaktionsschnell erwog er eine Vollbremsung und sah im gleichen Augenblick ein, dass er bei dem abschüssigen Gelände nur in den anderen Wagen hineingeschlittert wäre. In Gefahr und Not bewährt sich der Pilot. Er gab deshalb seinem Gaspedal einen Kick, um durch Beschleunigung und einen ausweichenden Schlenker noch rechtzeitig vorbeizukommen. Fast auf gleicher Augenhöhe sah er in dem fremden Auto zwei Gestalten so unaufgeregt und teilnahmslos, als schliefen sie. Die Gesichter konnte er natürlich nicht erkennen, es waren nur dunkle Schatten. Sein Wagen spurtete nun tatsächlich nach vorn und schon glaubte er, dem geradezu wahnwitzig unachtsamen schwarzen Ungetüm entkommen zu sein, als er einen leichten Schlag hinten links spürte, nicht besonders heftig, aber er genügte, dass seine Hinterachse etwas aus der Spur gedrückt wurde und sein Wagen sich ein wenig neigte, als mache er eine leichte Verbeugung, dann war es schon vorbei.

      Er hielt einige Meter weiter unten auf dem Gehweg an und sah in den Rückspiegel. Der schwarze Wagen hinter ihm stand nun schräg mitten auf der Straße, ein drohender Koloss. Niemand rührte sich. Er zog sich seine Handschuhe aus, legte sie auf das Armaturenbrett und stieg aus, ärgerlich, aber beherrscht. Er gehörte nicht zu den Autonarren, die ihr ›heiligs Blechle‹ als das Wichtigste in ihrem Leben ansahen und über der Katastrophe einer geringen Beschädigung schier verzweifelten. Ein Auto war für ihn ein Fortbewegungsmittel, mehr nicht. Sein schon historisches Mercedes-Modell war zwar gut gepflegt, aber nicht als prunkende Antiquität, sondern um ihn möglichst lange benutzen zu können. Er hatte keinerlei Sehnsucht nach einem neuen Wagen, solange es dieser noch anstandslos tat. An einem Sammlerwert hatte er kein Interesse und wenn er darauf angesprochen wurde, ob er dieses Schmuckstück nicht zu einem erheblichen Preis zu veräußern bereit wäre, lachte er nur.

      In dem anderen Auto rührte sich niemand. Die beiden Gestalten saßen unbewegt auf ihren Vordersitzen, aus den Augenwinkeln beobachteten sie ihn teilnahmslos. Er warf einen kurzen Blick auf den Schaden, der ihm entstanden war: Das Blech des Radkastens war erheblich eingedrückt, sah aus wie eine zerknüllte Zeitung und berührte fast den Reifen. Dann ging er auf den schwarzen Geländewagen zu, einen mit glitzerndem Frontgitter verzierten kantigen Kasten von martialischem Zuschnitt, fast wie ein Panzerwagen, der offenbar unbeschädigt geblieben war, jedenfalls war nichts anderes zu erkennen. Die beiden Insassen schien dies auch nicht zu interessieren. Sie ließen nicht einmal die Seitenfenster herunter, schauten ihn nur ungerührt an.

      »Würden die Herren bitte kurz aussteigen!«

      Er war sich nicht einmal sicher, dass sie ihn in ihrem festungsartig verschlossenen Gehäuse gehört hatten, jedenfalls reagierten sie nicht. Er begann nun umständlich und etwas hilflos zu gestikulieren, deutete immer wieder auf sein Fahrzeug, schließlich auch auf das eingedrückte Hinterteil. Sie sahen es wohl und blieben doch steif in ihrer hochbeinigen Panzerkiste sitzen. Er sah sich etwas verlegen um, da aber niemand sonst zu sehen war, beschloss er mit sarkastischer Gelassenheit zu warten. Irgendwann würden die beiden Finsterlinge, denn um solche musste es sich handeln, davon war er inzwischen überzeugt, sich rühren müssen, er hatte Zeit.

      Einige Zeit geschah tatsächlich nichts, eine Pattsituation, bei der er sich dennoch sicher war, am Ende der Überlegene zu bleiben. Es dauerte auch gar nicht lange, dass von unten ein kleiner älterer Lieferwagen heraufschnaufte und die Straße von dem noch immer quer stehenden Geländewagen versperrt fand. Er musste anhalten und da sich nichts tat, hupte der Fahrer kurz. Nun schienen es die beiden sich doch anders zu überlegen, jedenfalls stieß der Fahrer des schwarzen Ungetüms energisch zurück, fuhr dann einen heftigen Bogen auf den Gehweg und kam immer noch in einigem Abstand mit scharfem Bremsen hinter dem beschädigten Mercedes zu stehen. Während der Lieferwagen befriedigt weiter den Berg hinauffuhr, stieg der Fahrer des Geländewagens energiegeladen aus, ein schwarz gekleideter Brocken von einem Mann, kraftstrotzend und gefährlich aussehend. Er hatte ein bulliges Gesicht mit Schweinsäuglein, sehr kurz geschorene Haare und trug am Handgelenk eine grobgliedrige schwere Silberkette.

      »Dein Auto hat wohl ein kleines Wehwehchen, da musst du Pflaster nehmen.« Das war eine gänzlich unerwartete Bemerkung und dazu in einem Ton, den er nicht einfach hinzunehmen bereit war.

      »Oho! Ich habe nicht die Ehre, mit Ihnen bekannt zu sein. Im Übrigen ist dies kein Wehwehchen, sondern etwas mehr als nur eine schmerzhafte Beule. Sie werden mir für den Schaden aufkommen. Ich werde den Wagen abschleppen lassen müssen.«

      »Ach, wirklich?«

      Während der Schwarze nun tatsächlich unwillig mit ihm mitkam, sah er, wie dessen Beifahrer ausstieg und sich hinten am Heck zu schaffen machte, aber er achtete nicht weiter auf ihn. Stattdessen nestelte er aus dem Brillenfach seines Jacketts eine Visitenkarte, um sie mit seinem Kontrahenten auszutauschen, wobei er auch die Versicherungsdaten notieren wollte. Er streckte ihm die Karte hin, doch der andere ignorierte sie absichtsvoll. Die schwarze Bulldogge stand nun vor dem Hinterrad und lachte breit und zynisch. »Mach dir doch nicht ins Hemd.«

      Solche Unverschämtheit konnte er nicht gänzlich überhören, aber allzu sehr mochte er sich mit einem solchen Muskelpaket auch nicht anlegen. So begnügte er sich mit einem zwar marklosen, aber warnend gemeinten überlauten »Na! Na!«, um dann etwas leiser, aber entschieden hinzuzufügen:

      »Ihren hilfreichen Ratschlag werde ich natürlich beherzigen. Sie scheinen die hohe Schule der verbalen Entgleisungen mit großem Erfolg absolviert zu haben.«

      So viel konternde Eloquenz überstieg nun offenbar doch das Verständnis des Kraftprotzes. Er stieß ein schneidend drohendes »Hei!« aus, um dann eine Probe seiner gänzlich anderen Fähigkeiten abzugeben. Einen Fuß stemmte er gegen den Reifen, mit der rechten, silberbewehrten Hand griff er das eingedrückte Teil, zog heftig daran, um schließlich mit einem scharfen Ruck das Schutzblech nach außen zu biegen, bis es wie ein scharfkantiger Flügel vom Wagen abstand und weit in die Straße ragte. Zunächst hatte es so ausgesehen, als wolle er das Metall nur hilfreich zurechtbiegen, damit der Wagen weiterfahren könne, jetzt allerdings hatte er in gröbster Weise alles verschlimmert und blickte geradezu befriedigt auf sein böses Werk. Das war ein Akt roher Gewalt. Und zudem war in der engen Straße jeder Vorbeifahrende durch das herauskragende Metallteil aufs Äußerste gefährdet, am meisten die Radfahrer. »Das ist wirklich nicht sehr dienlich, was Sie da machen.« Doch der Brutalero lachte nur, rieb sich den Staub von den Händen und zuckte mit den Schultern.

      Jetzt war es wirklich an der Zeit, nach der Versicherung zu fragen und die Daten auszutauschen. Wieder streckte er ihm seine Karte entgegen und zog zugleich unmissverständlich einen Schreibstift aus der Tasche. Der Schwarze ging nun ohne besondere Eile und ohne sich weiter umzusehen zu seinem Ungetüm von einem Auto, scheinbar, um die Unterlagen zu holen, der Beifahrer saß bereits wieder an seinem Platz. Doch dann stieg der Muskelprotz ein, ließ sich in den Sitz fallen, rief dabei laut: »Carte blanche!« und knallte die Tür zu. Sofort wurde gestartet und mit einem kurzen Schlenker bog der Roadster auf die Straße und fuhr eilig davon.

      Instinktiv hatte er nach dem rabiaten Gebaren bereits damit gerechnet, dass die beiden sich aus dem Staub machen könnten, und war gewappnet, sich das Fabrikat und die Nummer des Autos zu merken, um gleich eine Anzeige zu erstatten. Am besten noch telefonisch, denn er war überzeugt, dass ein so auffälliges Gefährt ziemlich schnell im Stadtgebiet ausfindig zu machen wäre. Doch jetzt, als die beiden scharf an ihm vorbeifuhren, – er glaubte, ein hämisches Grinsen auf dem Gesicht des Beifahrers erkennen zu können –, sah er plötzlich, dass das hintere Nummernschild mit einem geknickten, lose darübergestülpten Pappkarton abgedeckt war, nicht einmal das Stadtkennzeichen war zu erkennen. Auch die Automarke war ihm unbekannt, immerhin erinnerte ihn das Signet an irgendetwas: ein Kreis mit einem horizontalen Querbalken durch die Mitte. Außerdem glaubte er, den Beginn eines Typenschildes gelesen zu haben: ›Pat…‹

      Sofort hatte er die Situation erfasst. Die

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