Live dabei - Mein Leben mit den Rolling Stones, Grateful Dead und anderen verrückten Gestalten. Sam Cutler

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Live dabei - Mein Leben mit den Rolling Stones, Grateful Dead und anderen verrückten Gestalten - Sam Cutler

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Dead nicht mit diesen Zeilen. Vielleicht hätte das einen Unterschied gemacht!

      Dora erzog mich ganz im Sinne der sozialistischen Sonntagsschule. Allerdings muss ich zugeben, dass ich nicht nach ihren Lehren lebte, obwohl ich es versucht habe. Trotzdem spielten diese Ansätze eine tragende Rolle in meiner Lebensführung. Die sozialistischen Prinzipien sind eine wichtige Orientierungshilfe in einer Welt der ungezügelten Gier, des Profitstrebens, das über allem anderen steht, und der Zerstörung unseres wunderbaren Planeten.

       Schätze deinen Schulkameraden, der dein Arbeitskollege im Leben sein wird.

       Liebe das Lernen, die Nahrung des Bewusstseins, und danke deinen Eltern und Lehrern.

       Mache durch nützliche Beschäftigungen und sanftmütige Taten aus jedem Tag einen heiligen Tag.

       Ehre das Gute, sei zu allen höflich und beuge dich niemandem.

       Hasse keinen anderen und sprich nicht schlecht über sie. Sinne nicht auf Rache, aber stehe für deine Rechte auf und stelle dich gegen die Unterdrückung.

       Sei nicht feige. Sei den Schwachen ein Freund und liebe die Gerechtigkeit.

       Denke immer daran, dass das Gute auf der Welt durch die Arbeit ermöglicht wird. Wer ohne Arbeit die Freuden des Lebens genießt, stiehlt den Arbeitern das Brot.

       Beobachte und denke mit Bedacht, um die Wahrheit zu erkennen. Glaube nicht an das, was gegen alle Vernunft steht, und täusche niemals dich selbst oder die anderen.

       Glaube nicht daran, dass die Menschen, die ihr Land lieben, andere Länder hassen und verachten müssen oder den Krieg wollen, der ein Überbleibsel der Barbarei ist.

       Arbeite auf den Tag hin, an dem alle Männer und Frauen freie Bürger eines Vaterlands sind, und lebe in Frieden zusammen mit deinen Schwestern und Brüdern.

      Ernest George Cutler, mein Adoptivvater, litt an Osteomyelitis, einer schreckliche Krankheit, bei der sich die Knochen zersetzen. Vor der Entdeckung der Antibiotika verursachte das Leiden große Schmerzen und führte zu einem qualvollen und schmerzhaften Tod. Seine Beine und der Brustkorb waren von hässlichen Narben übersät, da die Chirurgen verzweifelt versucht hatten, das Fortschreiten der furchtbaren Krankheit einzudämmen. Vater zeigte mir seinen malträtierten Körper, um zu erklären, dass ich aufgrund dieser Verletzungen nicht mehr in sein Bett kommen durfte, um mit ihm zu kuscheln. Er starb 1951, als ich gerade acht Jahre alt war.

      Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg konnten sich nur die Reichen Antibiotika leisten. Menschen aus der Arbeiterklasse war es versagt, am „Luxus“ der fortgeschrittenen Medizin teilzuhaben. Mein Vater starb, da die Behandlung nur den wenigen Privilegierten vorbehalten war. Diese grausame Ungerechtigkeit zerriss Mutter das Herz, denn sie hatte ihren Mann innig geliebt und während aller Qualen und Prüfungen des Lebens begleitet und unterstützt. Durch solche Erlebnisse entwickelte sich meine Mutter zu einer Revolutionärin, doch damals war ich noch viel zu jung, um das zu verstehen.

      Noch viele Jahre nach seinem Tod bewahrte ich eine alte Tabaksdose zum Gedenken an meinen Vater auf. Er rauchte Balkan Sobranie in einer langen Holzpfeife, hatte jedoch infolge der Krankheit zunehmend Schwierigkeiten, den Deckel abzuschrauben. Die Dose wurde eins meiner wichtigsten, fast schon geheiligten Erinnerungsstücke aus der Kindheit, die ich sorgsam behütete.

      Meine Großmutter mütterlicherseits war die einzige Person in unserem Haushalt, die auf Erfahrungen mit der Kindererziehung zurückblicken konnte, denn sie hatte drei Töchter und einen Sohn. Jeder nannte sie Tillie, eine Kurzform für Matilda. Sie rauchte Capstan Full Strength, die damals stärkste Zigarettenmarke. Ständig steckte eine Kippe zwischen ihren Lippen, und die Asche fiel auf den Boden. Ihre Oberlippe hatte sich leicht bräunlich verfärbt, und auch in dem silbrig grauen Haar zeigte sich genau an der Stelle ein dunkler Streifen, wo der Zigarettenqualm herzog. Ich habe niemals wieder einen Menschen getroffen, der so viel rauchte!

      Als ich noch sehr jung war, badete sie mich, und auch während dieser Prozedur hing eine Kippe zwischen ihren Lippen. Sie wurde 96 Jahre alt!

      Meine Mutter Dora arbeitete für die Gewerkschaft, die die Angestellten der britischen Regierung vertrat, bekannt als Civil Service Clerical Association (CSCA). Die CSCA setzte als erste Gewerkschaft die gleiche Entlohnung für Männer und Frauen durch, was Mum verdammt stolz machte. Sie verdiente sich den Lebensunterhalt als Sekretärin des Herausgebers der Gewerkschaftszeitung Red Tape. Darüber hinaus organisierte sie die jährliche Versammlung, die in Prestatyn im Norden von Wales abgehalten wurde. Einmal im Jahr verschwand sie für zwei Wochen zu dem Treffen. Dora verschrieb sich mit ganzer Seele der Gewerkschaft und war wohl die radikalste Frau, die ich kannte. Allerdings hatte sie Schwierigkeiten, mir ihre Zuneigung zu zeigen. Ich kann mich nicht erinnern, dass sie mich jemals in die Arme nahm und feste drückte, obwohl ich mir sicher bin, dass sie mich auf eine bestimmte Art liebte. Nach dem Tod meines Adoptivvaters Ernie war sie gezwungen, mich in die Obhut anderer zu geben, weil sie trauerte, aber trotzdem ihrer Arbeit nachgehen musste. Ken und Joan Hoy, Kameraden von Ernie in der Kommunistischen Partei, wurden meine Ersatzeltern. Sie lebten in derselben Straße, der King’s Avenue in Buckhurst Hill, Essex, östlich von London, nur vier Häuser von uns entfernt.

      Im Krieg diente Ken als Bomberheckschütze. Er saß im „Arsch“ des Bombers, im hintersten Ausguck, stellte also die ideale Zielscheibe für die deutschen Abfangjäger dar, und bediente das schwere Maschinengewehr. Seine Crew hatte die höchste Todesrate der gesamten Royal Air Force, doch er sprach niemals über seine Erlebnisse. Später las ich mal, dass die Bodenmannschaft die sterblichen Überreste der Heckschützen nach der Rückkehr von den Einsätzen praktisch mit dem Wasserschlauch wegspritzen musste, da die Körper infolge des feindlichen Feuers nur noch – bitterböse und fatalistisch ausgedrückt – als Hackfleisch zu bezeichnen waren! Ken wusste, dass er verdammt viel Glück gehabt hatte, den permanenten Kugelhagel zu überleben. Nach dem Krieg absolvierte er eine Lehrerausbildung. Während er und Joan auf mich aufpassten, musste ich als Testperson für seine Essays herhalten, die er während des Studiums schrieb.

      Die Freizeit vertrieb er sich als Hobby-Ornithologe, er konnte mit einem beachtlichen Wissen aufwarten. Wir unternahmen tagelange Spaziergänge durch die Wälder, „bewaffnet“ mit alten Ferngläsern aus dem Zweiten Weltkrieg. Er half mir, Vögel zu erkennen, Dachsspuren zu lesen und die Pflanzen in Hecken zu bestimmen, die dem Kundigen verrieten, wann sie angelegt worden waren. Für einen kleinen Jungen stellte er eine unerschöpfliche Quelle des Wissens dar. Ken lässt sich als ein sanfter und sensibler Mann beschreiben, die Güte in Person, dessen Naturliebe sich auf mich übertrug und meinem ungeregelten Leben Stabilität gab.

      Seine Frau Joan war Mode-Designerin, die junge Leute, die in der Bekleidungsindustrie arbeiten wollten, in Musterkunde unterrichtete. Für mich war sie eine glamouröse Frau, doch auch andere schätzen ihre außergewöhnliche Klugheit und Attraktivität. Ken war schon ihr dritter Ehemann, was mich schlussfolgern ließ, dass sie schon einige Herzen gebrochen hatte. Man kann sie in der Radikalität mit meiner Mutter vergleichen, und vielleicht reagierte sie manchmal noch aufbrausender. Bei hitzigen Debatten mit Kameraden zerwühlte sie sich manchmal die Haare, wenn ein männlicher Kontrahent den Versuch unternahm, sie nur wegen ihres Geschlechts zu belehren.

      Joan kämpfte für ihre Ansichten und Ideale. Sie nahm mich mit zu Demonstrationen, bei denen sie immer in der ersten Reihe stand, Kampfparolen schrie, aber mir gleichzeitig auch die Angst nahm. Ich erinnere mich an eine Kundgebung in Whitehall, nahe dem Kenotaph. Es war der Höhepunkt der Suez-Krise, wir beide standen mitten in der Menschenmenge. Die Londoner Dockarbeiter kämpften unter der Leitung des Kommunistenführers Jack Dash mit aller Gewalt gegen die berittene Polizei, und wir liefen Gefahr, von den durchgehendenden Pferden niedergetrampelt zu werden. Joan schloss mich ganz fest in ihre Arme und zerrte mich

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