Live dabei - Mein Leben mit den Rolling Stones, Grateful Dead und anderen verrückten Gestalten. Sam Cutler

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Live dabei - Mein Leben mit den Rolling Stones, Grateful Dead und anderen verrückten Gestalten - Sam Cutler страница 6

Live dabei - Mein Leben mit den Rolling Stones, Grateful Dead und anderen verrückten Gestalten - Sam Cutler

Скачать книгу

politisches Bewusstsein ansprach.

      Ich verschlang immer mehr Bücher, wurde immer deprimierter und äußerte mich nur noch zynisch über Großbritannien. Amerikanische Musik und amerikanische Literatur standen bei mir an oberster Stelle, und ich wollte so dringend in dieses Land meiner Träume, dass ich beinahe körperliche Schmerzen verspürte.

      Auch Mutter liebte die Werke amerikanischer Autoren. Obwohl wir kaum mehr miteinander redeten, verband uns wenigstens der Trost, dass wir über diese Bücher diskutieren konnten.

      „Lies das doch mal“, riet mir Mum und gab mir Bücher wie zum Beispiel Straße zur Freiheit [Peekskill USA] von Howard Fast. Ich ging auf mein Zimmer, wo ich mich für verdammt clever hielt, Zigaretten bei geöffnetem Fenster zu paffen, im Irrglauben, dass Mutter den Tabakqualm nicht riechen werde. Ich wollte endlich den Dschungel, die Schlachthöfe Chicagos, sehen, dorthin gehen, wo Upton Sinclair gewesen war, die Weißen treffen, die sich in Peekskill selbstlos vor dem Sänger und Aktivisten Paul Robeson aufgestellt hatten, damit ihm die Faschisten keinen Schaden zufügen und er für die Menschen singen konnte. Ich wollte endlich lautstark „Hallelujah, ich bin ein Penner“ singen und meine Freiheit auskosten. Ich wollte „Auf welcher Seite steht du?“ schreien und für mich herausfinden, zu wem ich eigentlich gehörte, denn in Großbritannien gab es rein gar nichts, das mich anzog.

      Doch vor allem wollte ich nach Kalifornien reisen und mir all die Schauplätze ansehen, die Woody Guthrie in seinen Songs besang – das unermesslich große Land der Träume erleben, diese „Pastures Of Plenty“. Doch erst mal steckte ich im miefigen Croydon fest.

      2. Hinter dem Beat

      Als meine Schamhaare zu sprießen begannen und die Hormone ihren wilden Tanz in meinen Blutkreislauf veranstalteten, begann ich von Mädchen zu träumen. Wenn ich nicht las, masturbierte ich, und wenn ich mal nicht masturbierte, hörte ich Musik und spielte Gitarre. Bücher, Musik und Sex waren ein ständiger Freizeitspaß, und das Zimmer wurde zu meinem Refugium. Ich sehnte mich vom ganzen Herzen danach, endlich auszuziehen, doch zuerst – ob ich es mochte oder nicht – musste nach dem Gesetz die Schule beendet werden.

      Alkohol und Jazz retteten mir den Verstand. An Samstagabenden traf ich mich mit meinem älteren Kumpel Kelly in einem Pub in West Croyden, wo wir uns Interpreten wie zum Beispiel die beiden bekannten britischen Jazz-Musiker Humphrey Lyttelton und Ken Colyer anhörten. Als Spezialität des Hauses servierte man uns das „tödliche“ Mixgetränk aus Guinness und Cidre, auch bekannt als „Black Velvet“, und nachdem ich einige gehoben hatte, ging es auf die Tanzfläche, um mit Mädchen eine flotte Sohle aufs Parkett zu legen. Kelly hatte mit dem Tanzen nichts am Hut, und wenn er mit Mädchen reden sollte, wurde er total nervös. So hing er an der Bar und „holte alles ran“, wie er es nannte. Das passte mir natürlich gut in den Kram, da ich wegen meines Alters noch keine alkoholischen Getränke bestellen durfte, obwohl mich das nicht davon abhielt, an diesen Abenden einige Bier zu kippen. In dem Pub in West Croydon, an dessen Namen ich mich um alles in dieser Welt nicht erinnern kann (The Croydon Arms?), sah ich zum erstem Mal die britische Blues-Größe Alexis Korner. Er spielte Banjo in Ken Colyers Band.

      In dem Pub wurde ich zum ersten Mal high, wofür ich einigen Musikern danken möchte! In einem eingezäunten Hinterhof des Ladens standen die ganzen Bierfässer und die Tische, die der Besitzer raus­gestellt hatte, um Platz für die Tanzfläche zu schaffen. Schnell merkte ich, dass sich die Band in den Pausen dorthin zurückzog. Nachdem sie ihre In­strumente abgelegt hatten und draußen Luft schnappten, ging ich in den Hof, um mich mit ihnen zu unterhalten. Sie behandelten mich mit einer gewissen Distanz, die alle Musiker wahren, wenn sie mit ihren Fans reden. Da ich noch viel zu jung war, um in ihr Revier einzudringen, störte sich niemand an mir. Sie qualmten ihre Joints, als wäre es die natürlichste Sache auf der Welt.

      Die Musiker ließen den Joint kreisen, jeder zog daran, und dabei unterhielten sie sich, ohne mich in das Gespräch einzubinden. Es war eine völlig entspannte Atmosphäre. Ich lehnte mich lässig gegen die Wand, um so richtig cool zu wirken. Wer auch immer der Mann war, der mir den Joint gab – er schaute mich dabei noch nicht einmal an und reichte mir die Wundertüte, während er angeregt mit seinen Freunden plauderte. Ich sagte kein Wort, folgte dem Ritual, das ich beobachtete hatte, ließ mir Zeit und nahm einige tiefe Züge, bevor ich den Joint weiterreichte. Doch nichts geschah, was mich ziemlich enttäuschte. Wenige Minuten später hielt ich einen neuen Joint in der Hand. Er schien stärker zu sein. Die Musiker verließen den Hof, um ein weiteres Set zu spielen, und ich verharrte wie angewurzelt auf der Stelle. Ich brauchte einige Zeit, bis mir klar wurde, dass sie schon gegangen waren. Benebelt schlich ich mich in den Pub zu Kelly. Nachdem ich mich durch die Menge gequetscht hatte, merkte ich, dass ich wegen der Geräuschkulisse kaum mit ihm sprechen konnte. Die Musik der Band dröhnte im ganzen Raum, der mir jetzt viel wärmer vorkam, und irgendwie funktionierte die Koordination zwischen meinem Gehirn und dem Mund auf einer anderen Zeitebene. Kelly und ich setzten uns an einen Tisch und beobachteten die Leute in dem brechend vollen Laden. Ich blickte auf die Tanzfläche und dachte, meine Zunge sei angeschwollen. Saß ich hier im falschen Film? Das Bier schmeckte grässlich, die Frauen waren nicht attraktiv, und Kelly wirkte wie ein Außerirdischer. Meine Nase kribbelte wie wild, ich hatte das Gefühl, jede Sekunde niesen zu müssen. Ich atmete durch den Mund und nippte teilnahmslos am Bier. Hier stank es doch wie in der Hölle! Ich murmelte einige unverständliche Worte und verzog mich aufs Klo, um einen klaren Kopf zu bekommen.

      Dort stand ich neben einem wahren Hünen und war geschockt, denn trotz des ätzenden Gestanks des Urinals konnte ich seinen Geruch noch wahrnehmen. Ich lachte in mich hinein, weil mein Zinken plötzlich so sensibel war wie der eines Hundes. Zugleich verwirrte mich diese Erfahrung. Ich drängelte mich erst mal raus aus dem Pub, um frische Luft zu schnappen. Um nach Hause zu kommen, musste ich ganze vier Meilen gehen, aber trotzdem entschuldigte ich mich bei Kelly unter irgendeinem Vorwand und machte mich auf den Weg.

      Der Nachgeschmack des Biers war echt schrecklich. Ich hätte alles in der Welt für ein Glas Wasser gegeben. Doch als ich die frische Luft gierig einsog, fühlte ich mich schon lebendiger. Auf dem Weg dachte ich über meine Lebenssituation nach. Ich musste noch fast ein Jahr in der Schule über mich ergehen lassen, da Mutter mir das unumstößliche Versprechen abgerungen hatte, dass ich von dem Laden erst mit 16 abginge. In der Zwischenzeit – bevor ich mein Zuhause, die Schule und Großbritannien verlassen konnte – brauchte ich eine sinnvolle Beschäftigung. Mir fehlte einfach die Lebensfreude. Ich ging zügiger, und plötzlich erschien mir Croyden, das ich bislang verabscheut hatte, gar nicht so schlecht zu sein. Beim Gedanken, nun ein Kiffer zu sein, bekam ich sofort gute Laune. Doch ich wusste nicht, wo man sich das neu entdeckte Lebenselixier besorgte. Aber das sollte mir vorerst egal sein. Zumindest hatte ich eine Aufgabe und musste nicht an der Theke abhängen, ein Bier nach dem anderen kippen und von der Bedienung träumen.

      Ja, in diesem zarten Alter wurde aus mir ein waschechter Kiffer. Bis zum heutige Tag bin ich davon überzeugt, dass ich nur so das letzte, quälend langweilige Jahr in der Schule überstand. Ich steckte in der Klemme und musste auf meine Zeit warten. Ich redete wenig, las so viel wie möglich und hörte die ganze Zeit über Musik. Nach dem Jazz interessierte ich mich für den Blues, der schnell von Gene Vincent und Elvis Presley abgelöst wurde. Fast mühelos fand ich den Weg zu dem, was ich liebte.

      Ich besuchte öfter einen Freund und nahm immer meine Gitarre mit. Er war ein großartiger Fingerpicking-Gitarrist; während wir uns einen Joint teilten, zeigte er mir einige Blues-Licks. Damals lebte er bei seiner Mutter Jeannie, einer wirklich scharfen Lady britisch-indischer Herkunft, die in der Vergangenheit in Londons Windmill Theatre als Tänzerin gearbeitet hatte. Wenn sie von der Arbeit kam, wurde sie von zwei kichernden Teenagern empfangen, die ihren Spaß hatten.

      Manchmal tanzte sie zu unserem Gitarrenspiel. Während mein Blick über ihren Körper glitt, wurde mein Mund immer trockener. Ich begehrte sie, doch ich hätte niemals mit meinem Freund darüber reden können. Ich wollte von ihm so viel wie möglich

Скачать книгу