Live dabei - Mein Leben mit den Rolling Stones, Grateful Dead und anderen verrückten Gestalten. Sam Cutler

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Live dabei - Mein Leben mit den Rolling Stones, Grateful Dead und anderen verrückten Gestalten - Sam Cutler

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anzusehen – sie hielten zusammen und waren gemeinsam stark. Im ruhigen Ton erklärte sie mir, dass alle Angst verspürten – natürlich! Doch mit einem Kameraden an seiner Seite könne jeder dieses negative Gefühl zugunsten eines größeren Ziels unterdrücken und nicht an sich selbst denken, sondern für die anderen handeln. Sie sagte: „Denke daran, Sam – Geschlossenheit und Einigkeit bedeutet Stärke!“

      Ich war zu dem Zeitpunkt zwölf.

      Joan war die erste Frau, die ich liebte, und in meinen frühpubertären Phantasien träumte ich davon, dass dieses Gefühl auf Gegenseitigkeit beruhe. Ich lebte für die Momente, in denen sie mich mit einem frohen und heiteren Lachen ganz fest an ihre Brüste presste und mich herzlich drückte. Ich verehrte Joan und auch Ken, denn die beiden waren das wunderbarste Paar, das ich kannte. Durch ihre liebenswerte Güte gelang mir der schwierige Übergang von einem Jungen zu einem Mann, noch bevor ich die körperliche Reife erlangt hatte.

      Man kann mich als einsames Kind beschreiben, und im Rückblick wird mir klar, dass die Erfahrungen vor der Adoption mich zutiefst verstört und traumatisiert hatten. Ich erinnere mich an nichts mehr, trage aber die Narben des früheren Lebens tief in meinem Herzen. Als einziges Kind, fast immer nur von Erwachsenen umgeben, sehnte ich mich nach einem Bruder, einfach jemanden, mit dem ich spielen konnte. Ich erlebte niemals die ganz normale Kindheit, in der die Freizeit und das Spielen im Vordergrund stehen. In vielerlei Hinsicht war ich schon vor der Teenager-Zeit erwachsen geworden, wollte jedoch mit der Welt der Erwachsenen nichts zu tun haben.

      Gegenüber von Ken und Joans Haus auf der King’s Avenue stand eine elisabethanische Jagdhütte, die so aussah, als wäre sie seit ihrer Errichtung vor Hunderten von Jahren – als die ganze Gegend noch ein riesiges Waldstück war – noch nie repariert worden. Elisabeth I. hielt sich in Hatfield House auf, dem Ort, an dem ich geboren wurde, als sie die Nachricht erhielt, dass sie den Thron besteigen werde. Sie hatten in den Wäldern gejagt, in denen ich spielte, und sogar in dieser Jagdhütte übernachtet, auf die ich direkt blickte. Dass das Adoptivkind einer ultralinken Familie eine solche Gleichzeitigkeit erlebt, verunsicherte mich in meinen jungen Jahren und gab mir zu denken.

      Ich zog mich genau in diese Jagdhütte zurück, wenn ich der Welt entfliehen wollte. Ich kannte jeden Raum bis ins Kleinste, sogar das Gemach, in dem Königin Elisabeth I. geschlafen haben musste. Mich beschlich das Gefühl, dass ich noch vor meiner Geburt in der Hütte gewesen war, was ich nicht verstehen konnte und was mich beängstigte. Ich hielt immer ein Auge auf, um meinen eigenen Geist zu erspähen. Viele Jahre später enträtselte sich das Mysterium, als Königin Elisabeth I. unter eher merkwürdigen Umständen wieder in mein Leben trat! Bei einem erinnerungswürdigen LSD-Trip während eines Grateful-Dead-Konzerts träumte ich von einer früheren Inkarnation. Ich stand hinter Jerry Garcias Verstärker, die Gage der Band sicher in meiner Brieftasche verstaut, entspannte mich und wurde high. Das LSD waberte durch die Gehirnwindungen in mein Bewusstsein, und ich sah mich als im Geiste als einen ins britische Königreich zurückkehrenden Piraten, der einen kostbaren Schatz mit sich führte; er stammte von den spanischen Galeonen, die ich geentert und versenkt hatte. Ich übergab Königin Elisabeth die Hälfte der Beute; sie schlug mich zum Ritter und verlieh mir ein 40 km² großes Anwesen in Buckinghamshire. Oh ja, so war das damals, in jenen glorreichen Tagen. Ein anständiger Kerl konnte es im Elisabethanischen Zeitalter zu etwas bringen. Aber auch genauso schnell seinen Kopf verlieren!

      Ken und Joan wussten nicht, dass ich als Kind durch die Jagdhütte streunte, da ich jeden Abend wieder zu ihnen zurückkehrte. Ich wieder­um hatte nichts davon erfahren, dass meine verwitwete Mutter einen Mann namens Mel, ein Waliser aus Merthyr im Rhonda Valley, immer häufiger traf.

      Mel hatte die Universität in Southampton besucht und war bei Ausbruch des Krieges zur Armee gegangen. Er verbrachte die Kriegsjahre damit, während der Gefechtsausbildung Maschinengewehrsalven über die Köpfe verängstigter Soldaten zu feuern, die verzweifelt versuchten, die Cliffs in Ilfracombe zu erklimmen. In dieser Zeit brachte er es bis zum Sergeant.

      Nach 1945 engagierte sich Mel in der Kommunistischen Partei und der Gewerkschaft, wo er meiner Mutter begegnete. Kurz darauf gaben sie ihre Heiratsabsichten bekannt, was Mum als Gelegenheit sah, die Familie wieder zu vereinen. Ich sollte Ken und Joan verlassen und nach Hause zurückkehren. Sie und Mel planten, in einen der Vororte Londons zu ziehen. Ich sträubte mich gegen Mums Umzugspläne, die eine Trennung von Buckhurst Hill und den Menschen, die ich so innig liebte, bedeuteten. Ich entwickelte mich zu einem verdrießlichen Typen, einem jungen Mann, der nur wenig sprach – halt ein typischer Teenager.

      Teenager zählten damals zu einer gerade neu entdeckten „Spezies“. Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es sie noch nicht als soziologisch definierte Gruppe. Wir waren ein neuer „Stamm“, dessen Balzverhalten und dessen zwischenmenschliche Beziehungen das uneingeschränkte Interesse der Gelehrten auf sich zogen. Man studierte uns ausgiebig und aufmerksam, und unsere „soziopathologischen Auffälligkeiten“, wie zum Beispiel die Partys, sorgten im Parlament für viel Gesprächsstoff. Wir hatten unseren eigenen, verschrobenen Dialekt, den wir aus den Mundwinkeln herauspressten, so dass nur Eingeweihte sich untereinander verständigen konnten. Wir entdeckten sogar unsere eigene Musik, die unter Garantie die Erwachsenen anwiderte. Aus uns wurden Philosophen, die über die Zeitgeschehnisse diskutierten, aber nie zu einer gemeinsamen Haltung fanden, und wenn uns jemand nicht glich, war er für uns tot – oder sollte vor die Hunde gehen. Eigentlich hatte sich nicht viel geändert, doch wir „erfanden“ den Teenager.

      Dora und Mel versuchten ihr Bestes, um den gegen jegliche Vernunft argumentierenden Marsmenschen in ihren Haushalt zu integrieren, doch ich verachtete meinen neuen Vater, der mir nichts recht machen konnte. Er war eigentlich ein ganz anständiger Kerl und hatte meinen Widerstand nicht verdient – bis auf die Tatsache, dass er morgens beim Teekochen ständig das alte Varieté-Lied „Martha, Rambling Rose Of The Wildwood“ singen musste. So was war doch nicht zum Aushalten!

      Jeden Morgen um genau sieben Uhr hörte ich ihn in seinen Hausschuhen die Treppe hinunterschlurfen, wonach er Wasser in den Teekessel füllte und dabei dieses höllische Lied sang. Wutschnaubend zog ich mir die Bettdecke über den Kopf – immer dasselbe Liedchen zur genau gleichen Zeit. Monströs! Ich muss wohl nicht erwähnen, dass ich so lange wie möglich im Bett blieb, um weder Mum noch Mel zu begegnen, die glücklicherweise schon bald zur Arbeit gingen.

      Meist zog ich mich in mein Zimmer zurück, um nicht die Farce, die Mum eine Ehe nannte, mitzuerleben und das ach so idyllische Familienleben, das sie mir bieten wollten. Wie alle Frischvermählten verhielten sie sich übermäßig aufmerksam, was die Zipperlein oder Wünsche des anderen anbelangte. Sie bei dem spießigen Rollenspiel zu beobachten kotzte mich nur an.

      Ich sehnte mich danach, endlich erwachsen zu werden, und versank zwischenzeitlich in tiefem Selbstmitleid. Als besonders abscheulich empfand ich das neue Haus, in das ich gegen meinen Willen eingezogen war. Den Traum meiner Eltern von einem Eigenheim teilte ich sicherlich nicht – damals wie heute. Obwohl in all den Jahren so viel Geld durch meine Hände geflossen war, dass mir einige dieser Buden hätte anschaffen können, bin ich nie stolzer Hausbesitzer geworden.

      Wir hatten uns in einer kleinen Kiste mit einem erstickend kleinen Grundstück niedergelassen. Das Gebäude verfügte über drei Zimmer und lag in einer Sackgasse im vorstädtischen Croydon, im Süden Londons. Die anliegenden Häuser standen nur einen Meter weit entfernt. An der kurzen, ansteigenden Straße lagen beidseitig fünf dieser Miniaturpaläste mit kleinen Auffahrten, die mich an die Zitzen einer säugenden Sau erinnerten. Ich hasste den Ort mit all meinem ungebändigten Zorn. Ich hasste das Zuhause, die Schule, Großbritannien und konnte es nicht erwarteten, alle drei hinter mir zu lassen.

      Jedes Buch bestärkte mich in der Absicht, dorthin zu flüchten, wo Menschen im Genuss und mit Leidenschaft lebten, wo sie Ideen aus dem geschmolzenen Stahl ihrer Überzeugung schmiedeten. Bücher wie Roter Stern über China: Mao Tse-tung und die chinesische Revolution [Edgar Snow], Die Menschenfreunde in zerlumpten Hosen [Robert

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