Bunsenstraße Nr. 3. Dietmar Schmeiser
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Entstanden war eine Felsenhöhle, in deren Verlängerung sich ein Vordach anschloss. Das war aus Zweigen geschnitten, die unsere zahlreichen Fliederbüsche und Bäume hatten opfern müssen. Die Muttergottes sollte nicht einsam mit ihrem Kinde unter dem Dach sitzen, da gehörte der heilige Joseph, Hirten und möglichst eine Vertretung der Heiligen Drei Könige dazu, vom Viehzeug ganz abgesehen. In der Schule konnte ich mir weiteren Ton besorgen, und so machte ich mich ans Werk, diese Figuren zu schaffen. Das geschah natürlich wieder in aller Heimlichkeit, wieder in der oben geschilderten Methode. So richtig zufrieden war ich mit meiner Arbeit nicht. Das schnelle und heimliche Treiben hat man meinen Figuren angemerkt. Mein Versuch, mit zwei kleinen Glühbirnchen aus einer Taschenlampe dem Ganzen etwas Glanz zu geben, verhielt sich auch in Grenzen. Dennoch, unsere Krippe war ein besinnlicher Ort.
Anders verhielt es sich zu jener Zeit in unserer Heimatkirche. Ein Leuchten wie die Sonne matris in gremio fand sich in regis curia; sprich in unserem vom Bombenhagel sich wieder schrittweise erholenden „Bonifaz“. Zur Weihnachtszeit hatte der Messner dort eine große Krippe aufgebaut. Das heilige Geschehen war eindrucksvoll und wurde von sehr vielen bestaunt. Überhaupt waren die Kirchen nach dem Kriege brechend voll. Drei Kapläne unter der Leitung des Geistlichen Rates Dr. Dold hielten an den Sonntagen sechs Messen. In den Weihnachtsmessen standen die Menschen dicht gedrängt bis zur Kommunionbank. Was war geschehen, dass sich unsere Kirche so füllte? Es lag sicher nicht allein an den vielen Flüchtlingen, mit denen wir unsere Wohnungen teilen mussten. Auch die in ihre Stadtwohnung zurückgekehrten konnten das Bild nicht erklären. War es die Dankbarkeit derjenigen, die der Krieg verschont hatte? Oder wollten plötzlich sich alle wieder als gute Christen zeigen, die niemals etwas mit den Nazis oder der Wehrmacht zu tun hatten? Da war es vielleicht schon einmal gut, sich beim Stadtpfarrer Dold sehen zu lassen, der von den Nazis eingesperrt und von Reinhold Frank verteidigt worden war. Oder war es die Furcht, die unter der Bevölkerung grassierte, in amerikanische Internierungslager gesperrt zu werden, wo man gedemütigt und gefoltert wurde, wie im damaligen Bestseller von Salomon zu lesen war? Ich konnte in meinem Alter das alles nicht beurteilen. Die Ansichten der Erwachsenen flogen mir so um den Kopf. Ich sah nur die vielen Menschen in der Kirche, die mich hingegen gar nicht bedrängen konnten. Ich hatte meinen Platz – als Ministrant am Altar. Und als Sankt Bonifatius wieder aufgebaut war, war an Weihnachten Platz für sechzig Altardiener in dulci jubilo.
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