Zertrumpelt. Corey Taylor

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Zertrumpelt - Corey Taylor

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euch ein bisschen was erzählen, was ihr vielleicht schon vergessen habt oder vielleicht auch noch nie wusstet, euch an Leute und Orte erinnern, die die Phantasie anregen, ein bisschen nostalgisch und – Achtung, jetzt kommt’s – echt patriotisch werden, wobei ich allerdings nicht den Scheiß meine, den die Regierung im Spätabendprogramm raushaut. Es geht mehr darum, unterm Bett mal nach den alten Lieblingsspielzeugen zu gucken, die wir gar nicht mehr so richtig auf dem Zettel haben, und uns über die Wiederentdeckung zu freuen, bevor uns dann wieder der Zynismus in die Klauen bekommt und uns daran erinnert, dass die harte Realität leider eher darin besteht, Rechnungen zu bezahlen und Wäsche zu waschen. So wie es im richtigen Leben nun mal ist.

      Wisst ihr, was mich an vielen Politikern so stört? Dass wir sie nur im Fernsehen sehen. Oder in den Zeitungen. Wir kennen die doch gar nicht. „Alter, das ist doch mit dir auch nicht anders.“ Hey, du Drecksack, halt mal die Luft an. Wann hast du denn das letzte Mal eine Rechnung nicht bezahlen können und dir ein oder zwei Wochen lang deswegen Sorgen gemacht? Wann hast du die letzte Nacht durchwacht, weil du kleine Kinder hast und kein Auge zubekommst, solange sie nicht einschlafen? Wann musstest du das letzte Mal entscheiden, ob du für die Kinder was zu essen kaufst oder lieber erst die Stromrechnung bezahlst? Hast du solche Scheißzeiten überhaupt schon mal erlebt? Wenn ja, zeig mal die Fotos. Oder ein Video. Erzähl mal, wie du ein Sandwich machst, wenn du nichts hast, was aufs Brot drauf könnte. Ich? Ich kann mich an all sowas erinnern. Ein gutes Gedächtnis ist ein Fluch und ein Segen zugleich. Und ich kann dir sagen, wenn du mir ein paar Scheiben Brot gibst und mich in eine Küche steckst, in der sich nichts finden lässt, was auch nur annähernd wie „Sandwich-Belag“ aussieht, dann komm ich trotzdem mit einem Sandwich da wieder raus. Und ich würd’s auch essen, weil ich nämlich weiß, wie sich das anfühlt, pleite und verzweifelt zu sein. Ich kenne dieses Gefühl zu wissen, dass man zwar die Miete nicht zusammenbekommen wird, aber dafür in der nächsten Woche zumindest was zum Abendessen hat. Und ich würde gern mal einen Beweis dafür sehen, dass ein Politiker wie Paul Ryan sowas von der Art auch mal erlebt hat, bevor er mit seinen ganzen Scheiß-Haushaltskürzungen ankommt und sowas wie die finanziellen Unterstützungen für kranke Rentner, die Sozialhilfe, die bezahlbare Krankenversicherung oder andere Sozialleistungen zusammenstreicht.

      Man kann doch Leuten nicht vorwerfen, finanziell gut dazustehen oder eine ordentliche Bildung genossen zu haben. Wenn man sich den Arsch abarbeitet, soll man auch die Früchte der Arbeit genießen dürfen. Aber man darf eben nicht vergessen, woher man kommt, und man sollte es anderen gegenüber auch nicht zu weit raushängen lassen. Das ist nämlich genau das Problem, und damit kommen wir zu der Erkenntnis, die dieses Buch komplett verändert hat. Jetzt geht es nämlich viel weniger um Politik, als vielmehr … um uns. Denn so, wie wir dastehen, wie kleine Würstchen beim Grillabend, sind wir der Grund für unseren eigenen Niedergang. Das Land ist in diesem Scheiß-Zustand, weil wir alle in einem Scheiß-Zustand sind. Unsere Politiker sind so am Arsch, weil wir alle so am Arsch sind, und damit meine ich, so richtig, ohne Spucke und ohne Gleitcreme. Wir reden nicht mehr miteinander, jedenfalls nicht mehr im direkten Gespräch, wie zivilisierte Menschen. Stattdessen brüllen wir uns ständig, brutal und anonym an, verborgen hinter Computerbildschirmen und Smartphones, und versuchen alle nur noch, in einer Tour Recht zu haben. Wisst ihr, warum sich dieses Land allmählich selbst auffrisst? Ganz einfach: Weil wir ihm Messer und Gabel gegeben und „Hau rein“ gesagt haben.

      Es gibt kein Verantwortungsbewusstsein mehr, weil wir inzwischen auch nicht mehr für uns selbst verantwortlich sein wollen. Für richtig und falsch, für abgefahren oder vernünftig gibt es keine Grenzen mehr. Wer hört denn noch zu, wenn man dauernd mit den Köpfen aneinanderkracht? Wen kümmert es denn noch, ob jemand verletzt ist oder Hilfe braucht, wenn man immer nur denkt: „Na, die haben sich das bestimmt selbst zuzuschreiben“ oder „mir hat ja auch keiner geholfen, als ich jemanden brauchte“. Damit versucht man sich nur vor der Realität wegzuducken, die besagt, dass man eben verdammt viel Energie braucht, um heutzutage ein guter Mensch zu sein. Zumindest versuchen die, die sich für ihre Leistungen dauernd selbst auf die Schulter klopfen, es so aussehen zu lassen. Eine Frage dazu: Wann hat es sich eigentlich durchgesetzt, dass sich die Konzepte „allgemeines Wohlergehen“ und „Verantwortung als Steuerzahler“ völlig ausschließen? Kann mir das mal jemand beantworten? Ich sag euch mal, was genau dahintersteckt, und das ist der Grund, weshalb es überhaupt nichts bringt, den berühmten Sumpf trockenzulegen, irgendwelche abgefahrenen Mauern zu ziehen oder politische Gegner einzuknasten, auch wenn das die Drecksärsche, die für den Cheeto gestimmt haben, nicht hören wollen werden: Sie sind genauso verabscheuungswürdig wie die Typen auf der anderen Seite, die sie angeblich so sehr hassen. Sie sind die Spiegel auf der Brücke nach Guantanamo, die Wachtposten an der Grenze zwischen Nord- und Südkorea – genau das, was ihr am meisten fürchtet, Trump eingeschlossen.

      Davon abgesehen sind wir inzwischen ein einziger Haufen von Heuchlern. Dauernd reden wir über die Fehler anderer Leute, dabei haben unsere eigenen Lebensläufe Löcher, durch die man mit einem Sattelschlepper durchfahren könnte, und zwar nonstop, 24 Stunden lang. Die Rechten sagen den Linken, „findet euch endlich damit ab“, und „wir haben ja auch nicht dauernd demonstriert, als Obama Präsident geworden ist“ – dabei gibt es genug Beweise, Fotos, Videos, Tonaufnahmen, dass sie genau das nach Obamas Sieg gemacht haben, und zwar fast die ganzen folgenden acht Jahre lang. Die Linken hingegen reiten immer wieder auf den beleidigenden Ausdrücken herum, haben aber keine Probleme damit, jemanden einen Nazi, einen bigotten Heuchler oder einen Rassisten zu nennen, sobald sie fürchten, bei einem Disput nicht die Oberhand zu behalten („so, wie es in einer gerechten Welt schließlich sein sollte!“). Das ist ein Verhalten, das in den jahrelang gehegten Ressentiments wurzelt und von den technologischen Entwicklungen und den sozialen Medien unglaublich begünstigt worden ist.

      Jetzt würde ich hier zu gern sitzen und etwas über die Helden schreiben, die auf der anderen Seite des Zauns für uns kämpfen, aber das kann ich nicht, denn genau wie ihr alle da draußen habe ich auch nicht mehr viel Vertrauen in unseren „Anführer“. Unsere Regierungsinstitutionen haben allmählich aufgehört, verbindungsstiftend zu wirken. Jede neue Politikergeneration ist extremer als die vorhergehende und neigt dazu, die Sorgen der Bevölkerung über kleinere, persönlichere Ziele zu vergessen. Man will die ACA, die eine bezahlbare Krankenversicherung anbietet, nicht deswegen zerschlagen, weil sie für das amerikanische Volk eine Belastung darstellt. Die ACA soll weg, weil diese Leute rachsüchtige Kleingeister sind, die es nicht verwinden können, dass diese Einrichtung nicht nach ihren Vorstellungen gestaltet wurde. Hier geht es nicht mehr um wir hier unten, sondern um die da oben, und allmählich ist zu erkennen, dass das auch nicht erst seit gestern so ist. Diese Wichser in Washington wissen ganz genau, dass wir alle unsere eigenen Sorgen und Nöte haben, und das nutzen sie aus: Was meint ihr wohl, wieso die niemand zur Rechenschaft zieht? Was meint ihr, wieso jemand Präsident werden konnte, der gar nicht die Mehrheit aller Stimmen bekommen hat? Das liegt nur daran, dass wir so zerstritten sind.

      Und das muss aufhören, und zwar VERDAMMT NOCH MAL SOFORT.

      Ich werde jedenfalls nicht dabei zusehen, wie irgendwelche Fanatiker unsere Schweinenation komplett ficken, während sie uns dabei noch angrinsen und uns ins Gesicht lügen. Ich werde nicht hinnehmen, dass das alles nur deswegen möglich ist, weil wir vergessen haben, dass es zwischen uns mehr Gemeinsames als Trennendes gibt. Ich werde keine Sekunde aufhören dafür zu kämpfen, dass uns endlich wieder klar wird: Die Leute, die wir auf unseren kleinen Bildschirmen gerade fertigmachen, sind echte Menschen wie du und ich, und es mag zwar kurzfristig ein geiles Gefühl sein, sie total kaputtzumachen, aber es ist nicht von Dauer – sobald man sich seine eigene Situation dann wieder vor Augen hält, ist man genauso deprimiert wie vorher. Das ist ein Fakt. Wir müssen das Kriegsbeil begraben, und das geht am besten, indem man die Arschlöcher findet, die man am besten gleich mit begräbt. Wir müssen die echten Feinde erkennen – diejenigen, die uns immer wieder gegeneinander ausspielen wie Schachfiguren. Allerdings geht das nicht, solange wir nicht endlich miteinander reden.

      Es ist ein Leichtes, herauszuarbeiten, was uns alle voneinander unterscheidet. Zu erkennen, was uns verbindet und worin wir uns gleichen, ist ein bisschen anstrengender, und das vor allem deswegen, weil wir, wie ich schon sagte,

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