Sommer Krimi Koffer 2021 - 12 Romane. Alfred Bekker

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Sommer Krimi Koffer 2021 - 12 Romane - Alfred Bekker

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wurde beiseitegeschoben. Ein etwa dreißigjähriger Mann mit rundem Gesicht und kurzgeschorenem Haar starrte uns an. Frantzen zeigte ihm einen Zehn-Mark-Schein an der Glasscheibe. Der Mann schloss die Tür auf.

      "Ich muss aufpassen, Leute, ich habe heute die Polizeistunde überschritten", knurrte er. "Aber nur um kurze Zeit. Was kann ich für euch tun?"

      "Wir suchen Michael Krawulke", sagte ich. "Kennen Sie ihn?"

      "Krawulke ist ein gebräuchlicher Name. Michael Krawulke? Nein, in dieser Zusammensetzung habe ich ihn noch nicht gehört", sagte der Mann. Er trug die weißen Hosen eines Kochs und hatte einen blau-weiß gestreiften Pullover über sein Hemd gezogen.

      "Gehört Ihnen das Lokal?", fragte ich.

      "Ja. Es ist eine gute Ecke, aber ich habe Personalsorgen. Muss praktisch alles allein machen. Was hat dieser Krawulke denn angestellt?"

      "Das sage ich Ihnen gleich, aber vorher möchte ich Ihnen das Aussehen des Mannes schildern", sagte ich. "Hören Sie bitte genau zu."

      Ich lieferte ihm eine präzise Beschreibung des Gesuchten. Das runde Gesicht des Mannes überzog sich mit einem Ausdruck der Überraschung.

      "Der war hier", sagte er. "Kurz bevor ich dichtmachte."

      "Haben Sie mit ihm gesprochen?"

      "Nur ein paar Worte. Er hat das Essen mitgenommen, im Henkelmann. Ich habe es großzügig berechnet, denn es waren alles Reste, die sonst verdorben wären."

      "Hatte er den Henkelmann dabei? Wohin ist er damit gegangen?"

      "Nein, den hatte er von uns. Musste auch ausnahmsweise keinen Zehner dafür hinterlegen, weil das Ding alt war und etwas leckte. Deshalb habe ich ihm auch noch etwas Zinkfolie drum herum gewickelt. Keine Ahnung, ich habe ihm nicht nachgeblickt, ich war froh, dass ich die Bude schließen konnte, bevor hier noch ein Streifenpolizist das Licht bemerkte."

      "Gibt es in der Nähe leerstehende Häuser?", erkundigte sich Frantzen.

      "Nicht, dass ich wüsste, jedenfalls nicht hier vorne. Aber weiter hinten, dort, wo die Schubartstraße kreuzt. Da gibt es die alte Eisengießerei, die auch mal für Borsig gearbeitet haben, nur etwa drei Querstraßen von hier entfernt, die Schubartstraße biegt dann rechts ab ", sagte der. "Der Betrieb liegt seit dem großen Krieg brach, und angeblich sollen dort mal Wohnhäuser entstehen. Na, wenn Sie mich fragen – Wohnhäuser? Wohl eher noch mehr von diesen elenden Mietskasernen mit zwei oder drei Hinterhöfen, und dann ziehen diese Hungerleider alle hierher, und vergraulen mir die Kundschaft, die ich mir mühsam genug herangezogen habe!"

      Wir bedankten uns und verließen das Lokal. Es wurde langsam hell. Im zähen Grau des Morgens erreichten wir die verlassene Fabrik. Die Mauer war zum Teil niedergerissen worden. Die schmutzigen, langgestreckten Hallen mit ihren toten Fensterhöhlen machten einen deprimierenden Eindruck. Der aufkommende Morgenwind fegte ein paar Zeitungsfetzen vor unsere Füße. Frantzen hob die Schultern.

      "Reizende Gegend", sagte er.

      "Die Hallen sind nicht unterkellert", mutmaßte ich. "Spielende Kinder haben jederzeit Zutritt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Karla hier gefangen gehalten wird."

      "Du vergisst das ehemalige Verwaltungsgebäude", sagte er. "Ich wette, es ist voll unterkellert."

      Wir trennten uns und gingen daran, die Gebäude zu untersuchen. Wir ließen kaum einen Raum und kein mögliches Versteck aus. Eine halbe Stunde später trafen wir uns wieder.

      "Fehlanzeige", sagte Frantzen.

      Ich nickte. "Das mit der Fabrik wäre einfach zu schön gewesen", sagte ich. "Aber er muss in der Nähe sein. Krawulke wird mit dem Henkelmann in der Hand nicht bis ans Ende der Welt gelaufen sein."

      "Häuser, Häuser, Häuser", sagte Frantzen bitter. "Hunderte. Tausende. Wir können nicht jedes auf den Kopf stellen. Und alles diese elenden Löcher, dann dieser ständige Kohlgeruch überall – gibt’s denn bei keiner Mietskaserne mal was Anständiges auf den Teller?"

      "Vermutlich noch nicht mal am Sonntag!", erwiderte ich.

      "Wir müssen uns auf diejenigen konzentrieren, die...", fuhr Frantzen fort.

      Ich fiel ihm ins Wort. "Wir machen es uns leichter", sagte ich.

      "Wie denn?"

      "Wenn Krawulke das Essen aus dem Lokal besorgte, ist ziemlich klar, dass sein Versteck keine Küche enthält — oder?"

      "Ja, das trifft zu."

      "Er hat das Essen spät geholt — oder früh, ganz wie du willst. Er wird jetzt schlafen. Aber er wird nicht gut schlafen. Das Gespräch mit mir, die Hoffnung auf Zweihunderttausend Mark, wird ihm keine Ruhe lassen. Er wird zeitig aufstehen und sich um ein Frühstück kümmern..."

      "Aber nicht in dem Lokal, in dem er den Henkelmann füllen ließ", sagte Frantzen. "Ich habe mir die Öffnungszeiten angesehen. Das Lokal macht erst kurz vor dem Mittagessen auf."

      "Es ist sicherlich nicht das einzige, das es in der Gegend gibt. Wir müssen sämtliche für Michael Krawulke in Frage kommenden Lokale mit Essen überwachen. Davon wird es ja wohl kaum sehr viele in dieser Fabrikgegend geben..."

      "Machen wir einen Plan", schlug Frantzen vor.

      Fünf Minuten später trennten wir uns mit der Auflage, eine Viertelstunde später am Ausgangspunkt wieder zusammenzutreffen. Ich klapperte die mir zugewiesenen Straßen ab und notierte mir die Adressen und Öffnungszeiten der beiden Lokale, die es hier gab. Ich war erstaunt, dass es doch mehrere hier in dieser elenden Gegend gab. Dabei fiel mir ein, dass Michael Krawulke seinen Bedarf ebensogut in einer Eckkneipe decken konnte.

      Ein paar Schrippen gab es überall, dazu Fleischklopse, Soleier und ähnliche, ausgefallene Delikatessen. Es war völlig ausgeschlossen, dass wir genügend Beamte auftrieben, um sämtliche Möglichkeiten der Umgebung überwachen zu lassen.

      Ich blieb stehen, als mich etwas anblitzte.

      Aus einer Mülltonne hing ein handgroßer Fetzen Zinkfolie. Mir fiel ein, was der Koch des Speiselokals geäußert hatte. Der feine Herr Krawulke hatte das Essen im Henkelmann mit Zinkfolie bekommen, weil das Ding leckte.

      Ich blieb stehen und schaute mich um. Die Straße war menschenleer. Ich zerrte die Folie aus der Mülltonne und schnupperte daran. Der Geruch von Essen haftete noch deutlich erkennbar daran. Die Mülltonne gehörte zu einer Gruppe von sechs weiteren Behältern, die neben dem Eingang zu einem vierstöckigen Haus standen. Es war klar, dass die Zinkfolie nicht unbedingt von Michael Krawulke stammen musste, aber es war ebenso klar, dass ich mich nach Lage der Dinge um seine Herkunft kümmern musste.

      Ich ging durch die offene Einfahrt in den Hof, auf dem sogar ein Auto parkte. Das grob gepflasterte Quadrat wurde von einem hohen Holzzaun und, parallel zum Wohnhaus, von einem Wellblechschuppen begrenzt. Er war unverschlossen und diente gleichfalls als Unterstellplatz für Fahrzeuge. Sollte es hier einmal wieder Bewohner geben, die sich ein Motorrad oder sogar ein Auto leisten konnten.

      Ich ging in das Haus zurück, dessen untere Etagen einer Teppichhandlung als Lager dienten. Die zum Hof weisenden Fenster waren vergittert. Die Türen waren mit mehreren Schlössern gesichert. Ich suchte den Kellereingang. Als ich ihn gefunden hatte und

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