Zweitsommer. Isolde Kakoschky

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Zweitsommer - Isolde Kakoschky

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du, dass du mitkommen kannst zum Friedhof?«, fragte Jana ihre Mutter.

      »Ich sollte mich wohl dazu aufraffen«, antwortete die Mutter. So langsam schienen ihre Lebensgeister zurückgekehrt zu sein. Die drei Frauen zogen sich die Schuhe an und traten vor die Haustür.

      »Wo hast du denn das Auto geparkt?« Jana sah Berit fragend an.

      »Ich bin den kurzen Weg gelaufen«, entgegnete Berit ihrer Schwester. »So konnte ich nämlich ein wenig den Kopf wieder frei bekommen. Ich hatte so einen blöden Traum von früher, das war richtig wie echt. So was kommt einem wohl wieder hoch, wenn ein vertrauter Mensch plötzlich nicht mehr lebt.«

      »Dann musst du dich aber auf die Rückbank zwängen«, grinste Jana ihre Schwester an. Ihr schmuckes Cabrio hatte den Komfort auf die Vordersitze begrenzt. Aber Berit lachte nur und war schon nach hinten durchgerutscht. So ungelenkig war sie nun doch noch nicht.

      Die Fahrt führte aus der Innenstadt stetig bergauf. Oben auf der Anhöhe lag der Friedhof inmitten einer parkähnlichen Anlage. Hohe, alte Bäume säumten die Hauptwege und spendeten im Sommer erholsamen Schatten.

      In der Friedhofsverwaltung war wenig Publikumsverkehr und die Frauen wurden von der netten Mitarbeiterin sofort hereingebeten.

      »Ja, was soll es denn sein, ein Reihengrab oder ein Einzelgrab? Dort könnten dann später noch mehrere Urnen beigesetzt werden.«

      Es war wohl genau die letzte Bemerkung, die den Ausschlag gab. »Wir nehmen ein Einzelgrab. Dann könnte ihr mich mal direkt neben meinem Heinrich begraben.« Die Mutter hatte die Worte sehr energisch gesprochen und auch wenn ihre Töchter jetzt noch nicht an ihren Tod denken mochte, so stimmten sie doch der Entscheidung zu.

      »Wollen wir dann eine schöne Stelle aussuchen? Es sind mehrere Grabstellen frei geworden, die im alten Teil des Friedhofs liegen, das wäre doch bestimmt etwas für Sie. Dann ist auch der Fußweg nicht so weit bis zum Grab.« Die Mitarbeiterin schloss die Bürotür ab und trat mit den Frauen nach draußen. Sie hatte während ihrer Lehre den nun Verstorbenen noch kennengelernt und war wirklich daran interessiert, seiner Witwe und den Kindern unter den gegeben Umständen etwas Gutes tun zu können.

      Schon bald war der passende Platz gefunden und die restlichen Formalitäten erledigt. Alles Übrige würde das Bestattungshaus übernehmen.

      Als die Frauen wieder im Auto saßen, war es Nachmittag geworden. Irgendwie knurrte Jana und Berit nun doch der Magen und so beschlossen sie, in einem Restaurant einzukehren und eine Kleinigkeit zu essen. Die Schwestern ließen auch das Argument der Mutter, dass sie ja gar kein Appetit habe, nicht gelten; und zum Schluss schmeckte es allen gut. So gestärkt trafen sie bei der Wohnung der Mutter wieder ein.

      »Soll ich noch eine Nacht bei dir bleiben?«, wollte Jana wissen. Doch die Mutter verneinte. »Ihr habt doch beide euer eigenes Leben. Heute geht es ja auch schon wieder. Die Frau Doktor will am Abend noch mal nach dem Kreislauf sehen. Und ich kann euch ja anrufen, wenn was ist.«

      Es war für Berit wie ein Gedankenblitz, den das Wort anrufen ausgelöst hatte. Sie hatte seit gestern ihr Handy auf Stummschaltung und nicht einmal darauf gesehen. Oh Gott, das war ihr ja noch nie passiert! Sie kramte das Gerät aus der Tasche und sah ein halbes Dutzend unbeantwortete Anrufe. Die von den Kollegen ignorierte sie weiter, schließlich hatte sie Urlaub genommen. Doch Daniel musste sie unbedingt schnellstens zurückrufen. Sie verabschiedete sich von Mutter und Schwester und lief in Richtung Stadtpark. Hier war sie ungestört und setzte sich auf eine Bank, um Daniel anzurufen.

      Er nahm das Gespräch an, kaum dass sie auf die Verbindungstaste gedrückt hatte. »Da bist du ja! Ich habe schon ein paar mal versucht, dich zu erreichen.« Leicht vorwurfsvoll klang Daniels Stimme.

      »Bitte entschuldige, ich hatte die Stummschaltung an und deine Anrufe nicht bemerkt. Auf dem Friedhof war das auch besser, das Kinderhaus hat auch schon versucht, mich zu erreichen. Aber diesmal muss Urlaub auch Urlaub sein! Ich kann nicht noch nebenbei für die anderen die Arbeit mit machen, ich habe den Kopf so schon voll.« Berit machte aus ihrer momentanen Stimmung keinen Hehl.

      »Oh, dann sollte ich wohl besser absagen. Markus und Familie wollten eigentlich nachher mal rum kommen.«

      »Nein, nein!«, beeilte sich Berit zu versichern. »Die Kinder können ruhig kommen, das ist doch ganz anderer Stress, der lenkt höchstens ab. Und den Kleinen habe ich auch schon wieder viel zu lange nicht gesehen.«

      Obwohl Markus mit seiner Frau Tanja und dem kleinen Paul kaum eine Fahrstunde entfernt wohnte, sahen sie sich nicht all zu oft.

      »Soll ich noch was einkaufen?« Berit wurde schmerzlich bewusst, dass ihr nicht einmal der Inhalt ihres Kühlschrankes mehr bekannt war.

      »Nein, das ist nicht nötig, die Kinder wollen Pizza bestellen.«

      Berit atmete auf. Auch wenn sie nicht viel von Fastfood hielt, heute war sie froh, nicht noch etwas zubereiten zu müssen.

      »Gut, dann mache ich mich jetzt auf den Heimweg, bis gleich, Daniel.«

      »Ja, bis gleich, Liebling!«

      Kaum, dass Berit richtig zuhause angekommen war, hielt auch schon das Auto von Markus und Tanja vor dem Haus und der kleine Paul in seinem Kindersitz strahlte ihr entgegen. Das war, als ginge die Sonne in ihrem Herzen auf. Der Kleine war seinem Vater sehr ähnlich und Berit fühlte sich bei jeder Geste des Jungen an ihren kleinen Markus vor 25 Jahren erinnert. Sie liebte dieses Kind über alles! Manchmal dachte sie mit einem schlechten Gewissen, ich liebe ihn mehr als meine eigenen Kinder. Doch dann erinnerte sie sich an ihre Oma, die hatte einmal gesagt: »Liebe hat die Fähigkeit, größer zu werden, wenn man sie teilt.« Und so hoffte sie, dass ihre Liebe für alle reichte.

      Markus übernahm die Bestellung der Pizzen und dachte sogar an seine kleine Schwester. Und als hätte er es geahnt, kam Julia fast mit dem Pizzaboten gemeinsam zur Tür herein. Auch sie freute sich, ihren Bruder und seine Frau wieder zu sehen. Doch noch mehr freute sie sich über den kleinen Paul. Sie war vernarrt in ihren Neffen und verschwand schon bald mit dem Pizzateller und Paul in ihrem Zimmer, um mit ihm zu spielen.

      Nun wurde das Gesprächsthema ernster. »Wisst ihr schon, wann die Beerdigung sein wird?«, wollte Markus wissen.

      »Ja, das ist heute in zwei Wochen, also am Donnerstag. Und morgen oder übermorgen wird auch die Anzeige in der Zeitung erscheinen. Es gab ja doch viele, die Papa gekannt haben.« Berit sah voller Trauer in die kleine Runde. Daniel legte ihr den Arm um die Schultern, es war ein stummer Trost.

      »Also, wenn ihr noch Hilfe braucht, wegen der Trauerfeier oder so, dann sagt uns das bitte, wir helfen gerne«, griff Tanja in die Unterhaltung ein.

      Berit putzte sich die Nase. »Um ehrlich zu sein, so weit habe ich noch gar nicht gedacht. Mamas Wohnung ist ja groß, aber ich möchte ihr nicht den ganzen Trubel zumuten. Es wird wohl darauf hinauslaufen, dass wir einen Raum in einer Gaststätte mieten werden, dort eben Kaffee trinken und dann ganz ruhig der Mama zur Seite stehen können, statt in der Küche.«

      Alle nickten zustimmend.

      Eine Stunde später brach die kleine Familie zur Heimfahrt auf. Paul war schon auf Julias Arm eingeschlafen und ließ sich ohne noch einmal aufzuwachen in den Kindersitz verfrachten.

      Berit schloss die Tür und drehte sich zu ihrem Mann um. »Weißt du was, jetzt könnte ich einen Schnaps vertragen!«

      Während

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