Zweitsommer. Isolde Kakoschky

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Zweitsommer - Isolde Kakoschky страница 6

Автор:
Серия:
Издательство:
Zweitsommer - Isolde Kakoschky

Скачать книгу

und locker über dem Top gebunden. Julias Haar fiel lang und glatt über ihre Schulter, während Sebastian die dunkel gefärbten Haare in Irokesenart steil nach oben gestylt hatte. Nun sah man auch, dass seine seitlichen Kopfpartien rasiert waren, was er aber im Alltag mit den darüber liegenden Haaren verdeckte. Doch auf diese kleinen Ungewöhnlichkeiten seines Äußeren kam es längst nicht mehr an. Die Eltern sahen das Glück in Julias Augen und wünschten den beiden einen schönen ereignisreichen Tag in Leipzig.

      Als das Auto um die Straßenecke gebogen war, gingen die Eltern zur Tagesordnung über. Berit räumte den Frühstückstisch ab und nahm die restliche Wäsche von der Leine, während sich Daniel in den Laden verabschiedete. Bedrückt sah ihm Berit nach. Mit seinem Geschäft schien er mehr verheiratet zu sein als mit ihr. Daniel war im Grunde ein lieber Ehemann, doch sie fühlte sich irgendwie von ihm vernachlässigt. Sie hatten kaum noch Gemeinsamkeiten. Als Julia noch jünger gewesen war, hatte es noch ab und zu gemeinsame Ausflüge gegeben, wohl um des Kindes Willen. Doch diese Zeit war nun endgültig vorbei. Ihr Julchen baute sich sein eigenes Leben auf, und darin spielten die Eltern nicht mehr die erste Geige.

      Also versuchte Berit mal wieder, sich mit der Situation zu arrangieren. Im Haushalt war einiges liegen geblieben, was ihr jetzt unangenehm ins Auge fiel. Mit Staubtuch und Möbelspray bewaffnet brachte sie wieder Sauberkeit und Ordnung in die Räume. Zum Mittag setzte sie Kartoffeln auf und legte Bratwürstchen in die Pfanne. Daniel mochte Hausmannskost, und Kartoffelbrei mit Würstchen am meisten. Sie wollte gerade zum Telefon greifen und im Geschäft anrufen, als er schon in der Tür stand.

      »Na, das klappt ja wieder mit uns wie ein Länderspiel!«, rief er Berit entgegen, als er sah, dass das Essen fertig war.

      Berit stellte die gefüllten Teller auf den Tisch. Ein Glück, dass er so ans Essen gewöhnt ist, ging ihr durch den Kopf.

      Sie hatte eigentlich erwartet, dass Daniel sich nach dem Essen wieder in den Laden verziehen würde, doch er schüttelte den Kopf. »Nein, von jetzt an bis zum Dienstag ist Pfingsten. Weißt du, das muss auch einmal sein. Wenn ich dran denke, wie schnell

      das Leben zu Ende sein kann, dann sollte man doch ab und zu eine Pause einlegen.«

      Durch den Tod von Berits Vater schien ihm das plötzlich wieder bewusst zu werden, wie wertvoll doch das Leben war. Sicherlich hatte er es über Jahre hinweg verdrängt, nachdem seine eigenen Eltern kurz nacheinander verstorben waren. Berit nahm es dankbar zur Kenntnis.

      So setzten sich die Eheleute nach dem Mittagessen ins Wohnzimmer und nahmen sich jeder ein Buch zum Lesen. Berit musste für einen Moment überlegen, wo sie sich gerade in der Handlung befand. Sie hatte zwar ein Lesezeichen im Buch liegen, aber so lange nicht hinein gesehen, dass sie kaum noch wusste, worum es ging. Doch nach zwei Seiten war sie in die Handlung eingetaucht und schon bald davon gefesselt. Daniel waren die Augen zugefallen. Die viele Arbeit in der letzten Zeit, dazu die traurigen Ereignisse, das alles forderte seinen Tribut.

      Berit schlich sich in die Küche und begann ein paar Blätterteigtaschen zu backen. Mit Besuch war eher nicht zu rechnen und für sie beide würde es reichen. Der Kaffeeduft weckte dann auch ihren Mann wieder auf. Er schaltete den Fernseher an und zappte durch die Programme. Und so, als hätte er es gewusst, kam ein kurzer Bericht vom Wave Gotik Treffen in Leipzig. Da also, inmitten dieser

      schwarzen Szenegestalten lief nun auch ihre Tochter herum. Aber der Bericht war so positiv, selbst die »normalen« Passanten auf der Straße äußerten sich nicht abfällig über das illustre Völkchen, dass die Eltern sich nun von Herzen für ihre Tochter freuen konnten.

      »Weißt du was, Berit«, überlegte Daniel am Abend, »wir könnten doch morgen einen Ausflug machen.« Berit ließ sich ihre Überraschung nicht anmerken, als sie erwiderte: »Gute Idee, hast du schon ein Ziel ausgesucht?«

      »Ich dachte, wir fahren in den Harz, das ist nicht weit und ich denke, am Josephskreuz ist bestimmt einiges los zu Pfingsten. Wir könnten auch deine Mutti fragen, ob sie mitkommt. Es wäre doch gut, wenn sie mal rauskommt nach dem Schock. Auf Julia brauchen wir wohl nicht mehr zählen. Wer weiß, wann die beiden wieder zurück sind, da ist bestimmt erst mal ausschlafen angesagt und dann wird sie doch lieber zu Sebastian wollen als mit uns rum zu kutschen.«

      »Ja, genau so machen wir es!« Berit war mit allem einverstanden, was ihr Mann vorgeschlagen hatte. Es würde ihnen allen gut tun, dem Stress der letzten Tage zu entfliehen. »Ich rufe Mama gleich noch an.«

      Als Berit ihrer Mutter von Daniels Vorschlag berichtet hatte, war die, entgegen aller Befürchtungen, sofort einverstanden. »Wir holen dich dann ab, so gegen 10!«

      Sie verabschiedete sich von ihrer Mutter und wandte sich dem Fernsehprogramm zu. Die seichte Samstagabendunterhaltung plätscherte aber mehr an ihr vorbei, als sie es in sich aufnahm. Irgendwie waren ihre Gedanken nicht bei der Sache. Mehrfach ging ihr Blick zur Uhr und zum Telefon und wieder zurück. Zu gerne hätte sie Julia auf ihrem Handy angerufen, wollte wissen, ob es ihr gut ging, wo sie war. Doch sie verkniff es sich lieber. Wie peinlich war es damals gewesen, wenn die Mutter einfach »zur Kontrolle« in ihr Zimmer geplatzt war, wenn sie Besuch hatte oder wenn ihr Vater am Abend vor dem Jugendclub stand, um sie abzuholen. Oh, hätte es damals schon Handys gegeben, Berit hätte wohl keine ruhige Minute gehabt.

      Schließlich gingen Berit und Daniel zu Bett. Doch spät in der Nacht drang das vertraute Geräusch der Haustür an Berits Ohr und Julias Schritte auf der Treppe. Nun erst schlief sie ruhig weiter bis zum Morgen.

      Nach einem gemütlichen Sonntagsfrühstück rüstete sich das Ehepaar für den geplanten Ausflug. Sie legten für ihre Tochter einen Zettel auf den Tisch,

      dass sie zum Abend wieder da sein würden. Daniel zückte seine Geldbörse und holte noch 20 Euro heraus. Vom Taschengeld dürfte wohl nach dem Tag in Leipzig nicht mehr viel übrig sein. Vielleicht wollten die jungen Leute ja ein Eis essen gehen. Und auch wenn Sebastian schon 18 war, er befand sich noch in der Ausbildung und das Lehrgeld war hierzulande nicht so üppig.

      Berits Mutter musste schon fix und fertig angezogen hinter der Gardine gestanden haben. Kaum, dass sie mit dem Auto vor dem Haus angehalten hatten, kam sie auch schon aus der Tür.

      Berit war ausgestiegen, um ihrer Mutter den Platz auf dem Beifahrersitz anzubieten. Doch die lehnte ab. »Lass nur, Mädchen, euer Auto ist hinten doch auch bequem und Platz genug habe ich auch.« So stieg die Mutter also hinten ein und lehnte sich ins Polster zurück. Daniel sah noch einmal nach hinten, ob seine Schwiegermutter auch den Gurt umgelegt hatte, dann fuhren sie los.

      Sie nahmen die steil bergan führende Ausfallstraße in Richtung Harz. Der Vater hatte Berit einmal erklärt, dass diese Straße ein Stück der alten Kohlenstraße sei, die vom Harz bis zur Saale führte. Noch immer war es die kürzeste Verbindung, wenn man in den Harz wollte. Sie durchquerten zwei kleine Dörfer und bogen dann auf die Bundesstraße ein, die Harzhochstraße, die seit Jahrhunderten den Ost-

      harz und den Westharz verband. Auch das hatte ihr der Vati erzählt. Im Atlas ihrer Schulzeit und den damaligen Landkarten hatten der Harz und die Straße abrupt im Nichts geendet und Berit hatte sich gar nicht vorstellen können, dass danach doch noch etwas kam. Als die Straße wieder durchgängig befahrbar war, hatten sie sich auch den westlichen Teil des Harzes angesehen, waren in Braunlage und Clausthal-Zellerfeld gewesen. Doch es zog sie immer wieder hier her, in den östlichen Teil des Gebirges. Zwar waren auch hier die Souvenirläden und Restaurants nur so aus dem Boden geschossen, doch hatte sich der Kommerz nicht in dem Maße durchsetzen können, wie im westlichen Teil. Vieles hier war einfacher, aber auch uriger und die Menschen irgendwie herzlicher.

      So in ihre Gedanken versunken, bemerkte Berit gar nicht, dass sie die Hauptstraße schon

Скачать книгу