Papakind. Isolde Kakoschky
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»Brr, wie kann man das essen?« Alexander mochte keine Marmelade und schon gar keinen Käse.
»Kinder, es reicht mit der Diskussion«, sprach der Vater ein eher ruhiges Machtwort. »Denkt lieber an morgen. Ich hoffe doch, dass die Zeugnisse gut ausfallen.«
»Jeder ist gut nach seinen Möglichkeiten«, griff die Mutter in die Debatte ein. »Wir freuen uns über euch beide!«
Später am Abend lagen die Kinder in Ihren Betten, die nur durch einen Vorhang getrennt waren, so dass sie sich bequem unterhalten konnten. Franziska hatte ihr Buch mit ins Bett genommen und wollte eigentlich noch lesen, als Alexander zu reden anfing.
»Du, Franzi, ich bin vielleicht froh, dass jetzt Ferien kommen. Diese blöde Schule! Ich glaube, ich werde nie so gut wie du!«
»Aber Alex, das ist doch nicht so schlimm!«, versuchte Franziska ihren Bruder zu trösten. Von ihr aus hätten die Ferien noch nicht kommen müssen. Ihr machte die Schule Spaß. Wissbegierig sog sie alles Neue in sich auf und das Lernen fiel ihr viel leichter als ihrem kleinen Bruder.
»Ja, aber alle denken immer, weil ich dein Bruder bin, muss ich auch so klug sein.«
»Aber du bist doch auch klug, nur eben anders als ich«, machte Franzi ihrem Bruder liebevoll klar.
»Ich kann vielleicht besser schreiben und schneller rechnen, aber du kannst viel bessere Buden bauen und mein Fahrrad kannst du auch besser reparieren!«
»Du hast recht«, stimmte Alex seiner Schwester erleichtert zu. Und außerdem half ihm Franzi ja auch immer bei den Hausaufgaben. Und sowieso war ihm das jetzt doch egal, morgen noch das dumme Zeugnis abholen und dann: Ferien!
Am nächsten Morgen brachen die Geschwister gemeinsam zur Schule auf. Wer sie von hinten sah, dachte zwangsläufig, es wäre der große Bruder mit seiner kleinen Schwester. Der braunhaarige Alex überragte seine zierliche blonde Schwester fast um einen ganzen Kopf. Franzi trug ihre blonden Locken neuerdings immer offen, nachdem sie sich erfolgreich gegen die von der Mutter bevorzugten Zöpfe gewehrt hatte. Sie war fast 13, nicht drei Jahre!
An der letzten Hausecke vor der Schule trennten sie sich. Nun ging jeder für sich auf seine Freunde, die schon in Grüppchen zusammenstanden, zu.
»Hallo, Verena!«, begrüßte Franzi ihre beste Freundin. Sie hatte nicht gleich von Anfang an eine richtige Freundin gehabt. Erst als Verena in die Klasse kam, freundeten sie sich an und waren schon bald unzertrennlich, obwohl sie einige Kilometer voneinander entfernt wohnten. Doch zum Glück hatte der Opa dann seiner Enkelin ein Fahrrad geschenkt, und die Entfernung war nicht mehr so schlimm.
»Ich kann noch gar nicht glauben, dass unsere Klasse heute zum letzten mal so zusammen ist.« Was Franziska bis jetzt in ihren Gedanken verdrängt hatte, machte sich nun, angesichts der fröhlich plappernden Mitschüler, deutlich bemerkbar.
»Glaub mir, so schlimm ist das gar nicht«, antwortete Verena. »Ich dachte das auch erst, als wir umgezogen sind, aber dann waren doch alle ganz nett und außerdem haben wir uns ja dadurch getroffen.« Das war sicher richtig, doch in Franziska machte sich eine Angst davor breit, was in der neuen Schule passieren würde.
Die Klingel rief die Kinder ins Klassenzimmer. Offiziell war noch eine Stunde Unterricht, ehe die Zeugnisse ausgegeben wurden. Doch an lernen dachte heute keiner mehr. Als die Lehrerin fragte, ob sie noch was gemeinsam lesen wollten, schallte es wie ein Chor durch den Klassenraum: »Der brave Schüler Ottokar«. Obwohl alle das Buch kannten, konnten sie nicht genug davon bekommen. Es war wie ein guter Film, den man immer wieder ansehen kann.
»Also gut«, lächelte Frau Breitling und begann zu lesen:
»Über die Schönheit unserer Namen … Für Knaben ist es schon schwerer, solch einen klingenden Namen zu finden, worunter es sehr seltene gibt. Zum Beispiel bekam der Sohn einer Mutter, welche manchmal in unserer Heimatzeitung dichtet, den seltenen Namen RainerMaria Senf. Warum er einen Mädchennamen angehängt kriegte, weiß ich nicht. Vielleicht ist bei der Geburt etwas verpatzt worden. Es wird sich später in der Schule herausstellen, auf welche Toilette er geht, und man muß das testen.«
Die Klasse bog sich vor Lachen. Auch Franziska mochte das Buch und lachte über den herrlichen Wortwitz. Doch bei den nächsten Kapiteln hörte sie schon nicht mehr richtig zu. Sie dachte über die Veränderungen nach, die sie nicht aufhalten konnte, und die doch kommen würden. Ihre alte Schule wurde geschlossen. Die Kinder wurden ab dem nächsten Schuljahr in andere Schulen aufgeteilt. Selbst auf Geschwister hatte das Amt keine Rück-
sicht genommen. Nach den Ferien musste Alexander in eine andere Schule als Franziska gehen, genau wie viele ihrer Mitschüler. Franzi schüttelte sich innerlich, sie hasste Veränderungen, und sie hasste Trennungen.
Das laute Lachen der Mitschüler riss Franzi aus den Gedanken. Und nun klingelte es auch schon zur Pause, die letzte hier, doch keiner außer ihr schien das zu bemerken.
»Na Kinder, dann wollen wir mal!« Frau Breitling stand am Lehrertisch, vor sich den Stapel mit den Zeugnissen. »Ihr habt alle fleißig gelernt in diesem Schuljahr. Und so muss keiner Angst haben, alle sind in die 7. Klasse versetzt.« Von einigen war ein deutliches Aufatmen zu vernehmen.
Frau Breitling nahm nacheinander die Zeugnisse vom Tisch und rief die Kinder nach vorne. Für jeden hatte sie noch ein nettes Wort, eine freundliche Geste. Sie hatte diese muntere Schar in den vergangenen zwei Jahren richtig lieb gewonnen und die Jungs und Mädchen mochten sie auch.
Nun lag nur noch ein Zeugnis auf dem Tisch.
»Und das beste Zeugnis bekommt auch dieses Jahr wieder unsere Franziska Zandler. Daran könnt ihr sehen, auch kleine Leute können ganz schön viel Grips haben!« Die anderen klatschten und Frau
Breitling beugte sich zu Franzi herunter und übereichte ihr noch ein Buch als Anerkennung.
Franziska ging zu ihrem Platz und setzte sich neben Verena, während Frau Breitling vorne tief durchatmete.
»Nun müssen wir uns voneinander verabschieden. Ich wünsche euch alles Gute in der neuen Schule! Ihr werdet das schon schaffen! Aber erst einmal sind Ferien, draußen lacht die Sonne. Ihr könnt heute noch ins Schwimmbad gehen. Viele von euch werden mit den Eltern verreisen oder ins Ferienlager fahren. Habt viel Spaß in den Ferien und kommt gut erholt zurück. Und noch was, zeigt ruhig, dass ihr was gelernt habt und blamiert mich nicht!«
Ein leises Kichern ging durch die Reihen, ehe die Kinder aufstanden, um sich nach und nach von ihrer Klassenlehrerin zu verabschieden und nach draußen zu gehen.
»Kommst du mit ins Bad?«, wollte Verena von Franziska wissen.
»Nein, ich werde nachher noch der Mutti beim Packen helfen, wir fahren ja morgen zu den Großeltern nach Halle. Ich bleibe noch zwei Wochen dort.«
»Das ist schade, wenn du wieder kommst, bin ich bei meinen Großeltern. Aber wir können uns ja Briefe schreiben.«
Die Freundinnen verabschiedeten sich mit einer langen Umarmung und gingen in verschiedene Richtungen heimwärts.
Auf dem Heimweg trafen Franziska und Alexander wieder zusammen. »Und«, fragte Franzi ihren Bruder, »wie sieht dein Zeugnis aus?« »Na ja, es geht so. Aber wenigstens sagt im nächsten Schuljahr kein Lehrer mehr zu mir, ich soll mir an dir ein Beispiel nehmen. Die kennen dich dann nämlich gar nicht!« Alexanders Erleichterung war nachvollziehbar