Tatort Deutschland. Gisela Sachs

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Tatort Deutschland - Gisela Sachs

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      »Es läuft gerade die Titanic, Kalle.«

      »Das ist aber nicht dein Ernst, Marie.«

      Die Hausbesitzer müssen zusehen, wie ihre Keller volllaufen, ihre Autos absaufen. Bennet, Kalle und Marie fahren in einem Boot des technischen Hilfswerks in die Altstadt von Grimma, Bennet will seine Patentante dazu überreden vorübergehend in eine Notunterkunft

      zu ziehen. 200 Menschen haben dort schon Zuflucht genommen. Er ist entsetzt, als er das Haus sieht in dem er aufgewachsen ist. Die Haustür steht unter Wasser. Bennet hat noch einige Kartons mit Bekleidung hier, Bücher, seine Briefmarkensammlung und andere Erinnerungsstücke. Demnächst wollte er die Sachen abholen. »Die Bilder meiner Eltern«, murmelt Bennett.

      »Meine Umzugskartons stehen abholbereit im Untergeschoss.«

      »Das kannste dir abknicken«, sagt Marie. »Mit Schadensbegrenzung ist hier nischt mehr!«

      Im Nachbarhaus steht Torsten Bonkwald am offenen Fenster im ersten Stock. Er hält seine Hände in Brusthöhe. Sein Gesicht sieht wie in Stein gemeißelt aus, seine Augen starren ins Leere. Bennet ruft »Herr Bonkwald, Herr Bonkwald«, winkt ihm zu. Torsten Bonkwald reagiert nicht, starrt weiter Richtung Nirgendwo.

      »Das Vieh wird abgesoffen sein«, sagt Marie.

      Erst jetzt sieht Bennet den Kopf zwischen den Händen des alten Mannes hervorlugen, die halb geschlossenen Katzenaugen. »Minka.«

      Während viele Einwohner mit den Aufräumarbeiten ihrer überschwemmten Wohnungen, den kaputten Möbeln beschäftigt sind und mit dem Schlamm kämpfen, gibt es Plünderungen.

      »Man fasst es nicht, zu was Menschen fähig sind«, sagt Kalle erschüttert. Er sieht auf sein Elternhaus, reibt sich die Tränen aus den Augenwinkeln. Die Schaufenster der Bäckerei sind schon zur Hälfte überflutet. Bennet nimmt den Freund in die Arme, streichelt seinen Rücken. »Kalle, Kalle.«

      Marie zerrt den Apfel aus der Hosentasche, den sie vom Frühstücksbüffet mitgenommen hat, beißt hinein.

      »Kein bisschen süß.«

      Sie wirft den Granny Smith in hohem Bogen in das Wasser, lacht. »In Weitwurf war ich immer besonders gut.«

      Die Fahrt zurück ins Ramadan Hotel nach Leipzig verläuft schweigend. Kalle und Bennet lauschen angespannt der Stimme von Radio Leipzig.

      »Die Polizei in Dresden erlässt eine Verordnung, wonach Hochwassergaffern ein Bußgeld bis zu 1000 Euro droht.«

      Marie sitzt auf der Rückbank und hackt auf ihrem Handy herum.

      »Eine Gruppe der Freiwilligen Feuerwehr aus Rüdesheim unterstützt uns derzeit in Grimma. Sie werden das Rathaus vom Wasser befreien.

      Es wurde eine Soforthilfe für Hochwassergeschädigte eingerichtet. Die Betroffenen können das Handgeld in ihrer Gemeinde beantragen. Pro Erwachsenem gibt es 400 Euro.«

      »Dann mach das mal, Bennet«, sagt Marie. »400 Euro für den alten Plunder deiner Eltern zu bekommen ist reine Glückssache. Die Gelegenheit kriegste auch nicht alle Tage.«

      Marie telefoniert mit Hotte. »Ich habe Lust auf Party machen.«

      »Heute?«

      »Heute!«

      »Nach diesem Tag, Marie?«

      »Jetzt stell dir mal nischt so an, Hotte.«

      »Ein anderes Mal, Marie.«

      »No second chance, Hotte!”

      Marie telefoniert mit Lutze. »Ich habe Lust auf Party machen, Lutze.«

      »Party machen?«

      »Jups.«

      »Hast du Geburtstag oder was?« Marie lacht. »Nee.«

      »Was gibt es zu feiern, Marie?«

      »Das Leben«, sagt Marie.

      »Heute?«

      »Jups«, sagt Marie. »Heute! Und du kriegst keine zweite Gelegenheit, Lutze.«

      »Wo treffen wir uns, Marie?«

      »Vor dem Hoteleingang, Lutze.«

      »Vor neun Uhr schaffe ich es aber nicht, Marie.«

      »Jut«, sagt Marie. »Dann bis um neun Uhr vor dem Hoteleingang, Lutze.«

      Pünktlich um neun Uhr steht Lutze vor dem Haupteingang des Ramadan Hotels, sieht immer wieder auf seine Armbanduhr. Er ist hungrig, hatte keine Zeit mehr etwas zu essen.

      Kalle tritt aus der Tür, fummelt sich eine Zigarette aus seiner Hosentasche, steckt sie mit zitternder Hand in den Mund und hält das Einwegfeuerzeug dicht darunter. Er inhaliert tief, betrachtet besorgt den Himmel. Es sieht nach Regen aus. Dann erst sieht er Lutze.

      »Auf was wartest du denn?«, fragt Kalle.

      »Ich habe ein Date mit Marie.«

      »Ach?«

      Bennet gesellt sich zu Kalle, zündet sich ebenfalls eine Zigarette an. Er klopft Kalle auf die Schultern. »Ich freue mich, dass deine Eltern sich für die Notunterkunft entschieden haben.«

      »Ich auch«, sagt Kalle und sieht den Rauchwölkchen seiner Zigarette hinterher.

      Röhre gesellt sich dazu. »Du warst nicht beim Abendbrot, Lutze«, sagt Röhre. »Keinen Hunger gehabt heute?«

      »Ich habe geduscht, meine Haare gewaschen, habe eine Verabredung mit Marie. Sie will Party machen und ...«

      »Ich weiß, Lutze.«

      Es gesellen sich noch Hotte, Achim, Edgar und andere junge Männer dazu. Einige von ihnen haben Taschen dabei, einige Rucksäcke mit Flaschen auf dem Rücken.

      Marie erscheint, strahlt in die Runde. »Schön, dass ihr gekommen seid, Jungs. Dann mal auf zur Sandsackparty!«

      Marie hat sich fein gemacht: kurzer Jeansrock mit schwarzem Volant, hautenges weißes T-Shirt, schwarze High HeelSandaletten. An ihren Ohren baumeln die riesengroßen Gold-kreolen, die sie sich von Bennett zum 25. Geburtstag gewünscht hatte.

      »Sie trägt keinen BH«, sagt Kalle zu Bennet. »Man kann sogar ihre Nippel sehen.«

      »Hm«, sagt Bennet, dreht sich um und peilt die Eingangstür an. »Bennet?«, ruft ihm Kalle hinterher.

      »Gehst du nicht mit uns mit?«

      »Nein«, sagt Bennet und verschwindet im Hotel.

      »Wir laufen zur Uni«, sagt Marie in die Runde. »Dort warten schon ein paar Typen.«

      »Aha«, sagt Kalle.

      »Sie haben Mangiare und Alk mit«, lacht Marie.

      »Aha«,

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