Schwiegermutteralarm. Gisela Sachs
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Sie stürmt kopfschüttelnd vorbei an mir. »Gönnen. Gönnen. Wenn ich das Wort schon höre. Ich gönne jedem wirklich alles, aber hier geht es um Fußball, Olli«
Sie verschwindet in der Küche, klappert mit Geschirr. Laut, wie alles, was sie tut.
»Es gibt eine Mitternachtssuppe. Was Feuriges. Mit Riebele. Das mögt ihr Jungs doch so gerne« flötet Gisela.
Sie frohlockt in die Runde: »Es gibt Netzbrot dazu. Selbstgebackenes natürlich«
»Ahhh« rufen meine Kumpels gleichzeitig, wie aus einem Mund. Sie stellt den Brotkorb auf den Tisch: »Ich habe es gestern schon gebacken, damit es heute schnittfest ist. Frisches Brot lässt sich nicht gut schneiden, müsst ihr wissen. Zudem bekommt man davon Magenkrämpfe. Und das wollen wir ja auf keinen Fall, gell«
Sie sieht auf die Mattscheibe und verdreht die Augen wie ein geisteskranker Hund, brüllt auf wie ein verletzter Stier. »2:0 für Polen. So eine Schande aber auch«
Sie eilt in die Küche zurück und rührt wie eine Wilde mit dem Holzkochlöffel in dem Aluminium-Kochtopf: »Das gibt‘s doch nicht«
Alex, Domi, Thomas, Adrian, Hebbe, Lutze, Martin, Mike, Bernd, Dennis und Dalibor klatschen mir beim Abschied auf die Schultern.
»Wenn ihr das Rezept für das Brot noch haben wollt? Also ihr nehmt 800 Gramm Mehl, Type 1050«
Ich sehe meine Kumpels hilfesuchend an. Sie beachten mich nicht.
»10 Gramm frische Hefe, Trockenhefe geht auch, da müsst ihr aber …
»Du hast eine tolle Schwiegermutter« sagt jeder einzelne. Beneidenswert«
»Bis Dienstag dann, Jungs« verabschiedet meine Schwiegermutter meine Freunde. »Ich bin gespannt, was die Holländer so drauf haben«
12. Kapitel.
»Drei Wochen lang einen Mutter-Tochter-Urlaub machen zu wollen, ist wirklich ein Unding, wie ich meine. Ein Wochenende in einem WellnessHotel hätte auch gereicht. In Baden-Baden vielleicht, oder im Allgäu. Ihr hättet in den Schwarzwald reisen können, Dani. An den Chiemsee. Oder ins Elsass«
Ich klopfe mit der Faust auf den Küchentisch. »Aber nein, meine verehrte Frau Schwiegermutter muss in die Vereinigten Arabischen Emirate«
»Sie hat noch nie eine Flugreise gemacht, Olli« sagt Dania mit trotzigem Gesicht.
»Ich auch nicht«
»Meine Mama hat ihr ganzes Leben lang nur gespart«
»Ich auch«
»Und sie hat schon immer davon geträumt, einmal eine Wüstensafari zu machen, Olli«
»Na dann«
»Mit Delphinen zu schwimmen«
»Ach, Dania«
»Luxus zu genießen«
»Und dann muss es gleich Dubai sein?«
»Ach, Olli«
»Und eines der teuersten Hotels der Welt?«
»Es ist ihr Traumurlaub«
»Wie wäre es mit der Türkei? 0der Tunesien vielleicht? Ägypten? Da ist es erheblich billiger«
»Meine Mama will aber nach Dubai«
»Jetzt streiten wir uns schon wieder wegen deiner Mutter. Die Frau macht mich echt ganz meschugge mit ihren blöden Ideen. Und wenn ich an das viele Geld denke …
»Es ist ja nicht dein Geld, Oliver Sven«
»Nein, das ist es nicht, aber …
»Du gönnst meiner Mama die Reise nicht« sagt Dania leise. Und sie sieht mich so unendlich traurig an, dass ich es kaum ertragen kann.
»Du hast ihr auch die goldene Handtasche nicht gegönnt«
»Du meine Güte, Dania. Für was braucht deine Mutter eine goldene Handtasche? Kannst du mir das einmal erklären, bitteschön?«
»Weil sie Freude daran hat. So einfach ist das! Wer weiß, wie lange wir die Mama noch haben werden«
Dania verlässt das Schlachtfeld, kurz darauf das Haus. Und meine Schwiegermutter fängt zu kochen an. »Es gibt Rostbraten, Spätzle und Kartoffelsalat, Bub«
Noch in der gleichen Stunde bestelle ich bei Ebay die passende Geldbörse für ihre goldene Handtasche.
Gisela kreischt auf wie eine kaputte Kreissäge, als sie mein Geschenk auspackt.
»Echtes Rindsleder« murmelt sie dann.
»139 Euro« murmele ich.
»Auch von Michael Kors. Wie mein Handdäschle. Ach, Olli. Mein Schwiegersohn, mein Guter«
Auch Dania freut sich. Ihr Blick sieht wie eine Belohnung aus. Sie fällt mir um den Hals, knabbert an meinem linken Ohrläppchen, flüstert:
»Mein Schatz«
12. Kapitel
Meine Schwiegermutter und meine Oma werden heute miteinander ins Kino gehen. Sie werden »Monsieur Claude und seine Töchter« ansehen, danach im Restaurant Brunnerz ein Hackfleischsteak mit Pommes essen. Ein Pilschen dazu trinken. Aller Wahrscheinlichkeit nach ein zweites. Ein Schnäpschen trinken. Vielleicht auch zwei. Und da die beiden ohnehin am nächsten Tag bei »Oma Schmitts Masche« vorbeischauen wollen, um Wollenachschub zu kaufen, wird Gisela der Einfachheit halber bei Oma Klärchen in der Innenstadt übernachten. Ich bin aufgeregt. Zum ersten Mal in unserer Ehe werde ich mit Dania allein sein.
Ich habe noch einige Überstunden zum Abbauen, arbeite nur bis mittags um 12.30 Uhr, um Zeit zum Einkaufen zu haben. Ich erstehe zwei Flaschen Stuttgarter Riesling Sekt und eine Packung Schokoladenherzen. Dania liebt diese Schokoladenherzen sehr. Den Sekt stelle ich kalt, die Schokoherzen fülle ich in die guten Glasschüsselchen mit Goldrand, die wir gefüllt mit kunstvoll gefalteten Geldscheinchen von Oma Klärchen zu unserer Hochzeit geschenkt bekommen hatten.
Ich poliere zwei der wertvollen Kristall-Sektgläser auf Hochglanz, auch ein Geschenk von Oma, denke an den Tag, als wir die Gläser geschenkt bekommen hatten.
»Bist du des Wahnsinns, Olli. Du kannst die guten Gläser doch nicht in die Spülmaschine stellen, da geht ja der ganze Schliff kaputt, Bub« Danach hatte meine Schwiegermutter die »guten Gläser« im Spülbecken abgewaschen, sie sorgfältig abgetrocknet und unter die Küchenlampe gehalten. »Da ist noch eine Fluse …
Ich stelle die »guten« Gläser umgedreht auf den Tisch. Das habe ich von meiner Schwiegermutter abgeguckt. Sie macht das immer so. Aus welchen Gründen aber, das weiß ich nicht mehr, obwohl Gisela es mir langatmig erklärt hatte. Ich lege ihre selbst gehäkelten Deckchen auf den Tisch, stelle Duft-Teelichter darauf: Lavendel-, Orange-, Apfel-