Vorsicht! Mann in Wechseljahren. Gisela Sachs
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Er schluckt. »Ich rufe dich auf dem Handy an, Frau.«
»Es ist in meiner Kosmetiktasche. Und die hast du aus meiner Handtasche entfernt, Winfried.«
Er grapscht nach meiner Tasche auf dem Rücksitz, zieht den Reißverschluss mit einem Ratsch auf und nimmt die Banane und die Flasche mit der Apfelsaftschorle heraus. »Ich hole deinen Kosmetikbeutel, Frau«, sagt er, sprintet davon und verschwindet im Haus. Ich drücke das Gaspedal durch und fahre mit quietschenden Reifen aus unserer Straße. Unter was ich sein Verhalten einordnen muss, weiß ich nicht. Auf alle Fälle werde ich demnächst mit unserem Hausarzt darüber sprechen. Wehret den Anfängen, steht in der Bibel und das nehme ich mir zu Herzen.
Er kontrolliert seit Neuestem sogar den Mülleimer. Die städtische Müllabfuhr versieht ihren Dienst bei uns vierzehntägig. Dienstags! Ich stelle jeden zweiten Montagabend unseren Mülleimer an den Straßenrand, direkt neben den Eimer unserer Nachbarn. Mein Mann sieht regelmäßig nach, ob unser Eimer auch richtig steht. Lange und mit ernster Miene steht er jeden zweiten Montagabend vor dem städtischen Behälter, schüttelt jeden zweiten Montagabend missbilligend seinen Kopf, kratzt seine Stirn, fährt sich mit gespreizten Fingern durch die Haare und meckert.
»Was sind die Meiers doch für ein schlampiges Volk, Frau. Die waschen ihren Kübel weder ab noch aus, da hängt der Staub der letzten 14 Tage drauf, siehst du das, Frau?«
Er hält seinen schwarzen Zeigefinger in die Luft wie eine Trophäe, deutet auf die Streifspuren auf Meiers Mülleimer. »Und solche Schlampermeiers habe ausgerechnet ich in der Nachbarschaft«, keift er. »Womit habe ich das bloß verdient?«
Ich gehe schweigend ins Haus zurück, spähe aus dem Küchenfenster und hoffe, dass niemand in der Nachbarschaft dasselbe tut.
Er kämpft wie ein Torero, dreht den Mülleimer nach rechts, begutachtet ihn argwöhnisch von der Seite, läuft nach links, begutachtet die andere Seite, schüttelt seinen Kopf, überlegt, dreht dann den Eimer weiter nach rechts, steht wieder lange Zeit davor, zieht ruckartig sein Stofftaschentuch aus der Hosentasche, wischt über den Eimerdeckel, dreht den Eimer wieder nach links.
Er spitzt die Lippen, streicht sich mit gespreizten Fingern durch die Haare, runzelt die Stirn und kneift die Augen zu Schlitzen, läuft noch einmal um den Eimer herum. Dieses Mal langsamer. Dann zerrt er ihn mit viel Gestöhne bis zur Straßenmitte, um ihn zwei Minuten später wild entschlossen wieder zurückzustellen. Er wischt nochmals mit dem Taschentuch über den Deckel. »So, jetzt hammer’s!«
Sieg des Kämpfers. Zufriedenheit spiegelt sich in den Gesichtszügen meines Angetrauten, die nach dem Anzünden einer Zigarette noch eine Steigerung erfahren. Er setzt sich auf die oberste Stufe am Hauseingang und lauscht glücklich dem Vogelgezwitscher, das aus Nachbars Walnussbaum erschallt. Sein liebevoller Blick gilt unserem Mülleimer, der staubfrei in der Abendsonne glänzt und in derselben Position am Straßenrand steht, wie ich ihn seit vierzig Jahren schon hinstelle.
Er isst zu viel Fettiges, zu viel Schokolade, trinkt zu viel Cola und Säfte und hat längst schon das Schlachtgewicht eines Schweines überschritten. Er freut sich immer riesig, wenn er irgendwo auf einen Typen trifft, dessen Bauchumfang auch nur um einen Millimeter größer ist als der seinige. Diesen Menschen zeigt er mir dann mit grenzenloser Begeisterung. »Schau dir mal den Fettsack an, Frau, der hat einen Ranzen, was, Frau? Was sagt man denn dazu?«
»Ich heiße Margit«, sage ich leise.
Er strahlt mich an, fuchtelt aufgeregt mit seinen Händen vor meinem Gesicht herum. »Gegen den bin ich ein Hungertuch, das sieht doch ein Blinder mit Krückstock, Frau!«
Ich würde gerne etwas dazu sagen, schweige aber, will keine Wiederholung der Schilderung meiner unförmigen Oberschenkel riskieren. Das muss ich nicht schon wieder haben. Außerdem haben wir in diesem Supermarkt schon des Öfteren für Aufsehen gesorgt.
Er streichelt über meinen Oberarm. »Weißt du eigentlich, wie gut du mit mir dran bist, Frau?!«
»Ich heiße Margit«, sage ich laut. Die Verkäuferin, die gerade die Eier auffüllt, dreht sich erschrocken zu uns um. Winfried schüttelt seinen Kopf. »Du meine Güte, Frau, was bist du doch wieder zickig heute.«
Meinem Gatten gehen die Haare aus. Für den Restbestand derselben gibt er viel Geld aus. Sein Fach im Badezimmerschrank ist wesentlich voller als meines. Es beherbergt viele Arten von Haarfestiger, Haarschaum, Haarspray, Frisiercreme, Shampoons gegen Schuppen, gegen trockene, widerspenstige, für gefärbte und sonst noch was für Haare. Der Markt ist vielseitig und er nimmt dankbar die Sonderangebote der Drogeriemärkte im Umkreis von 20 Kilometern an. Wie die spärlich verbliebenen Haare auf seinem Kopf so widerspenstig sein können, ist mir allerdings ein Rätsel. Ich schweige nur wegen der zu erwartenden Schilderung meiner unförmigen Oberschenkel, verschweige auch mein Wissen über seinen weiteren Kosmetikavorrat in dem abgeschlossenen Metallkoffer unter dem Ehebett.
Er ist vergesslich und hat die Geheimzahl(unser Hochzeitsdatum) im PC abgespeichert, scheint inkontinent zu sein und künstliche Zähne zu tragen. Tabs zur Gebissreinigung und Einlagen für den Mann sind im Seitenfach des Koffers deponiert. In einem Briefumschlag schlummert zwischen den Kontoauszügen eine blaue Pille namens Viagra. Letzte Woche waren es noch zwei, wundere ich mich.
Er ist meist müde, rasch erschöpft, immer hungrig und immer schlecht gelaunt. Heute macht er den Regen für seine fiese Laune verantwortlich. Seine Stimmungsschwankungen sind enorm. Ich bin frustriert, als er mich im Badezimmer anraunzt, weil die Klopapierrolle leer ist.
»Die Frauen heutzutage …«
Dieses Mal schaffe ich es nicht, meinen Mund zu halten. Ich baue mich kerzengerade vor ihm auf, sehe ihm kontinuierlich in die Augen, ziehe hörbar die Luft durch meine Nase, lasse sie mit einem tiefen Seufzer wieder aus, ziehe die linke Augenbraue nach oben und sage in dem spöttischsten Ton, den ich draufhabe:
»Vorsicht! Mann in den Wechseljahren.«
Mit dieser Aussage habe ich nicht nur mein Schokoladecroissant, das er mir jeden Samstagmorgen vom Bäcker mitbringt, aufs Spiel gesetzt, sondern mir eine unglaubliche Schilderung meiner Oberschenkel eingehandelt. 20 Minuten lang! Ich bin beleidigt und rede vorerst kein Sterbenswörtchen mehr mit ihm, starte ganz konsequent eine Diät und er kriegt auch nichts gekocht. Ich schließe unsere Küche ab und stelle eine Schale mit Obst ins Wohnzimmer. Die Schokolade aus seinem Versteck im Dielenschrank verschenke ich an die Nachbarskinder. Sein Gehirn scheint ohne diese glücksbringenden Botenstoffe noch schlechter zurechtzukommen. Ertraget einander in Liebe und Geduld, hatte der Herr Pfarrer vor vierzig Jahren bei unserer Trauung verkündet. Ich weiß jetzt, was er damit gemeint hatte.
Schlafen können wir beide nicht, zudem fehlt mir mein abendlicher Schlummertrunk und ich überlege lange, was wir früher so in unseren schlaflosen Nächten gemacht haben. Irgendwas war da doch noch? Der Einschlaftrick mit dem Schafe zählen, fällt mir ein. Ich fange also an, Schäfchen zu zählen, zähle Schäfchen wie verrückt, sehe aber nur Schokoladecroissant fressende und Rotwein saufende Schafe vor mir. Ich quäle mich aus dem Bett, öffne das Schlafzimmerfenster, lasse die klare Nachtluft ins Zimmer strömen, kuschele mich wieder in meine Daunen und bin bald darauf im Land der Träume angelangt.
Ich träume von einer knusprigen Kalbshaxe und einem großen Knödel mit dunkelbrauner Soße darüber, ein helles Hefeweißbier dazu. Von einem Süppchen vorneweg – einem Festtagssüppchen aus Rinderbrühe mit Eierstich, Markklößchen, Suppennudeln und frischem Schnittlauch drüber. Ich seufze genüsslich bei dieser Vorstellung. Mein Mann drückt sich eng an mich, umklammert meine Hüften, streichelt meine Oberschenkel, sabbert in mein Ohr. »Da ist wenigstens etwas dran, Frau.«