Vorsicht! Mann in Wechseljahren. Gisela Sachs
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Seufzend schiebe ich das Wildgänse-Flaum-Kissen von mir und rutsche zur Bettmitte. »Ist ja schon gut, Herr Pfarrer.«
Der kontinuierliche Rückgang des dem Körper zur Verfügung stehenden Testosterons wird mir schnell bewusst. Die blaue Pille im Koffer unter dem Bett war mit Sicherheit nicht zur Einnahme gegen Bluthochdruck gedacht. Männer ab 50 sollen unter einer erektilen Dysfunktion leiden. Das habe ich kürzlich in einem Gesundheitsratgeber gelesen. Wahrscheinlich ist Winfried deshalb dauergrantig, vermute ich. Ich werde demnächst mit unserem Hausarzt darüber reden.
Er tut mir leid und ich versuche ihn zu trösten. »Das macht jeder Mann irgendwann einmal durch«, sage ich und wuschele mit beiden Händen durch seine Haare.
»Hände weg von meinen Haaren, Frau«, keift er, springt mit einem Satz aus den Federn, zerrt den Koffer unter dem Bett hervor, nimmt die Pille aus dem Briefumschlag und wirft sie in hohem Bogen aus dem Fenster. Dann sieht er mich an wie der Wolf die Großmutter, bevor er sie aufgefressen hat, greift nach seinen Kleidern, verschwindet aus dem Schlafzimmer, aus dem Haus und erscheint erst am Abend zu seiner Geburtstagsfeier wieder.
»Der Abbau von Muskeln und die Zunahme von Fettmasse sowie ein verminderter Bartwuchs sind in diesem Alter völlig normal«, erklärt unser ältester Sohn seinem verdutzten Vater, als er ihm als Geburtstagsgeschenk eine schicke Designerwaage überreicht. Der Sohn grinst. »Von dem eingesparten Geld für Schokolade und Rasierklingen könntest du dir eine Dauerkarte fürs Hallenbad kaufen, Paps.«
Der Junior schlägt dem Vater auf die Schultern. »Ja, so ist das Leben. Nach den Jahren der Last hat man die Last der Jahre.«
Mein Mann wird leichenblass. Schweißperlen bilden sich auf seiner Stirn. Er schnappt nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen, klatscht die Waage auf den Wohnzimmertisch und verlässt abermals das Haus. Ich sehe ratlos aus dem Küchenfenster, als ich die Autotür zuknallen höre. Meine Blicke bleiben in unserem Vorgarten hängen. So große Tulpen hatten wir noch nie. Kerzengerade wie eine Messlatte stehen die Stängel in Reih und Glied, strecken ihre geschlossenen Knospen dem Himmel entgegen. In dieser Nacht schläft mein Mann im Gästezimmer.
Er geht gerne einkaufen …
Strahlend wie ein kleines Kind kommt Winfried von seinen täglichen Streifzügen aus den umliegenden Bäckereien nach Hause, steigt fröhlich pfeifend aus dem Auto und streckt triumphierend seine Schätze in die Höhe, wenn er mich am Küchenfenster entdeckt.
»Alles vom Vortag und zum halben Preis, Frau«, freut er sich. Wo soll das noch hinführen, sorge ich mich. Mittlerweile bin ich reif für eine Kur.
Er hat 65 Hemden im Schrank. 38 Hemden mit langen Ärmeln und 27 Hemden mit kurzen Ärmeln. Sie hängen farblich sortiert und in abgemessenem Bügelabstand von drei Zentimetern im Schrank. Winfried verringert den Abstand auf zwei Zentimeter. Er ist sichtlich aufgeregt. »Die Boutique Meissner bietet wegen Umbauarbeiten Designerhemden zum halben Preis an. Seit gestern schon.«
Er kratzt seine Stirn. »Ich habe das viel zu spät erfahren, Frau. Hoffentlich bekomme ich noch welche ab. Da werde ich mal ordentlich zuschlagen, Frau, wenn man doch so viel Geld sparen kann.«
»Heute brauche ich das Auto«, sage ich.
»Du brauchst das Auto?«
»Ich habe einen Arzttermin, Winfried.«
»Einen Arzttermin? Weswegen denn, Frau?«
»Die Krebsvorsorge, Winfried …«
»Du kannst den Bus nehmen, Margitchen.«
»Du auch, Winfried«, entgegne ich.
»Mein Gott, Frau, wie bist du doch wieder zickig heute!«
»Gib mir den Autoschlüssel«, sagt mein Mann, als ich Stunden später zurückkomme und streckt verlangend die Hand aus. Er sieht mich strafend an. »Jetzt hast du mich aber lange warten lassen, Frau.«
Er runzelt die Stirn. »Wie viele Dellen hast du reingefahren?«
»Keine«, sage ich, drücke mich an ihm vorbei ins Haus, in die Küche, schalte die Kaffeemaschine ein und decke den Tisch. »Ich habe Kuchen für uns mitgebracht, Winfried«, sage ich versöhnlich.
»Ich muss noch mal ans Auto«, sagt er. Ich beobachte ihn vom Küchenfenster aus.
Er schleicht um das Auto herum, schließt die Fahrertür auf, begutachtet das Polster, zupft etwas weg. Ein Haar vielleicht? Danach öffnet er den Kofferraumdeckel, betrachtet nachdenklich den Innenraum, schließt ihn wieder, dreht nochmals zwei Runden ums Auto. Er atmet tief durch, bevor er ins Haus zurückkehrt.
»Ist ja noch einmal gut gegangen, Frau«, seufzt er und sticht mit der Kuchengabel erleichtert in den Käsekuchen.
»Ich habe den Führerschein länger als du«, bemerke ich.
»Du willst schon wieder streiten, Frau …«
»Bei Obi gibt es gerade eine Farb-Aktionswoche«, erzählt Winfried mir am Telefon. Ich bin für ein paar Tage zu meiner an Grippe erkrankten Schwester in den Odenwald gereist, um deren Haushalt zu schmeißen. Mit dem Zug. Das Auto hat Winfried mir verweigert, weil ich ihn nicht mitnehmen wollte.
Er ruft jeden Tag mindestens fünfmal an.
»Kommt ihr auch wirklich ohne mich klar, Frau?«
Er wartet vergeblich auf eine Antwort von mir, räuspert sich und brüllt noch lauter in die Muschel.
»Ich habe dich gefragt, ob ihr ohne mich klar kommt, Frau?«
»Natürlich kommen wir ohne dich klar, Winfried.«
»Du fehlst mir, Frau«, sagt er leise.
»Hm.«
»Es ist so ruhig hier ohne dich, Frau, fast schon langweilig.«
»Du solltest dir ein Hobby zulegen, Winfried.«
»Aber du bist doch …«
»Ach Winnie«, seufze ich. »Das Thema haben wir doch schon durch.«
Er flötet in die Sprechmuschel. »Wenn du heimkommst, wartet eine Überraschung auf dich, Margit.«
»Wirklich?«
»Wirklich!«
Er hat mich Margit genannt. Und er will mich überraschen so wie früher. Alles wird gut! Ich bin fest davon überzeugt.
Als ich wegen einer Mitfahrgelegenheit einen Tag früher und unangesagt zu Hause ankomme, bleibt mir die Luft in der Röhre stecken. Die rechte Hauswand leuchtet in Sonnengelb, die linke in Schweinchenpink, die Fensterrahmen sind moosgrün. Meine Blicke streifen ungläubig über unser Haus. Ich sehe schemenhaft die Umrisse meines Mannes hinter den Küchenfenstergardinen. Sekunden später reißt er die Haustür auf.
Er strahlt